Dienstag, März 19, 2024
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Review Flügelschlag

Entdecke den Ornithologen in dir.

Flügelschlag in der englischen Ausgabe Wingspan (= Spannweite) ist eines der am meisten gehypten Spiele dieses Frühjahrs. Die deutsche Ausgabe war zur Spiel doch! in Duisburg ausverkauft, in Herne gab es dann doch noch einige wenige Exemplare. Die zweite Auflage wird Ende Juli erscheinen. Und es wird schon über die ersten Erweiterungen auf BGG gesprochen.

Es würde mich nicht wundern, wenn wir das Spiel bei den heute Mittag anstehenden Nominierungen zum Spiel des Jahres nicht wiedersehen würden. Zumindest wäre es eine Enttäuschung für mich, da Flügelschlag aus den aktuellen Kennerspielen schon sehr positiv herausragt. Und das liegt nicht nur an dem Material.

Die oben erwähnte Spannweite spielt im Spiel bei der ein oder anderen Vogelsorte noch eine Rolle. Denn so friedliebend wie man den Vogel an sich findet, sind diese nicht, insbesondere wenn wir uns die Raubvögel anschauen. Jedoch sollte uns das als Spieler eher erfreuen denn abschrecken und so erleben wir auch in diesem Spiel ein Stück weit Natur. So wie man in diesem Spiel generell einiges über Vögel (aus Nordamerika) entdeckt.

 


Das Spiel

Jeder Spieler erhält ein persönliches Tableau. Auf diesem sind drei Lebensräume (Wald, Gras, Wasser) abgebildet. Sie sind auch drei der vier Aktionsmöglichkeiten gewidmet. Zusätzlich bekommt jeder Spieler zu Beginn noch eine Bonuskarte sowie fünf Vögel und von jeder der fünf Nahrungen einen Chip. Von diesen 10 Gegenständen kann er 5 in beliebiger Kombination behalten.

Wir spielen über 4 Runden a 8 bis 5 Aktionen. Diese werden mit farbigen Holzquadern markiert. Wählen können wir zwischen:

  1. Neuen Vogel in einem der drei Lebensräume platzieren. Dieses Kostet Nahrung (und ggfls. Eier). Vögel selbst haben Siegpunkte, Nestarten und Eierkapazitäten zu sortiert.
  2. Nahrung über Futterwürfel beschaffen. Je nach Fortschritt kann man sich bis zu vier Nahrung holen. Das Angebot liegt in Form von Würfeln im Vogelhaus
  3. Eier auf Vögel legen
  4. Neue Vogelkarten holen. Dabei können wir entweder aus einer offenen Auslage von drei Karten oder vom Nachziehstapel wählen.

Bei den Aktionen 2, 3 und 4 wird gleichzeitig eine Engine in Gang gesetzt. Während man immer das erste nicht von einem Vogel belegte Feld von links nutzen darf, können die ausliegenden Vögel der entsprechenden Spalte von rechts nach links aktiviert werden. Dabei gilt die Aktivierung nur für Vögel mit einer braunen Banderole. Rosafarbene reagieren auf Aktionen der Mitspieler und weiße enthalten einen Einmaleffekt beim Platzieren im Lebensraum.

Sind alle Aktionen getätigt, so wird eine Rundenwertung durchgeführt. Je nach Plättchen (diese werden zu Beginn des Spiels gezogen) wird je ein Aktionsklötzchen auf die Rundenplatzierung gelegt. Damit steht in der kommenden Runde auch eine Aktion weniger zur Verfügung. Nun wechselt noch der Startspieler und es geht in die nächste Runde.

Am Ende der vierten Runde findet die Endwertung statt. Nun werden die Siegpunkte der Vögelkarten zu den ausliegenden Eiern, gesammelten Nahrungschips (auf den Vögeln), gesammelten Vogelkarten (die unter den Vögeln liegen) sowie den Ergebnissen der Bonuskarten und Rundenwertungen addiert und der Sieger ermittelt. 


Autor: Elizabeth Hargrave • Grafiker: Ana Maria Martinez Jaramillo, Natalia Rojas, Beth Sobel
Verlag: Stonemaier Games|Feuerland • Jahr: 2018/9

spieler1-5 Spieler • alterab 10 Jahren • zeitca. 40-70 Minuten

Spielregeln (ext. Link zu Feuerland)


Spielgefühl

Schon der erste Blick aufs Material lässt das Spielerherz höherschlagen. Angefangen vom Futter-Vogelhaus, über die großen Holzwürfel bis zu den Eiern und den liebevoll gestalteten 170 Vogelkarten. Gut diese stammen aus Nordamerika und dürften in ihrer Breite nicht bei allen Spielern bekannt sein, aber dann kann man halt noch etwas lernen beim Spielen, da die Karten ein wenig Flavortext zu jedem Vogel enthalten. Selbst das Spielbrett ist wie eine kleine Kladde gestaltet und das Lesen der Anleitung macht vom Papier her wie auch von den Regeln selbst Spaß. Nur die Vogeltränke aus Plastik weicht etwas vom restlichen Material ab.

Aber der Schein ist ja nicht alles, so sollten wir uns dann auch mal mit dem Spielerischen beschäftigen. In Flügelschlag steckt jedenfalls neben dem optischen Leckerbissen einige schöne Kniffe. 

Man sollte nicht unerwähnt lassen, dass wir es bei Flügelschlag mit einem Enginbuilderspiel zu tun haben. D.h. wir bauen uns über die Vögel und die Aktivierungsmöglichkeiten dieser, eine kleine Maschinerie auf. Damit diese nicht endlos läuft, steht uns in jeder Runde eine Aktion weniger zur Verfügung, was sich zeitlich bei gleichmäßig verlaufenden Rundenabläufen angenehm bemerkbar macht (auch im Vergleich zu anderen Enginbuilderspielen, die sich im weiteren Spielverlauf häufig durch Kettenzüge sehr ziehen). Die einzelnen Aktionen selbst verlaufen in der Regel ebenfalls sehr schnell, so dass die jeweilige Downtime des einzelnen Spielers hinnehmbar kurz ist. Einzig bei der Auswahl der Vögel kann es mal etwas länger dauern, da man sich mit dem Aktivierungstext beschäftigen muss.

Nur sehr wenig Kritikpunkte

Kritikpunkte sehe ich vielleicht in zwei Faktoren. Durch die Vogelkarten kommt an der ein oder anderen Stelle ein gewisser Glücksfaktor ins Spiel. Dieses kann schon mal blöd verlaufen. Ist aber extrem selten vorgekommen. Die verschiedenen Vogelarten müssen jedoch taktisch variable ins Spiel eingebracht werden. Nicht immer kann man das Spiel komplett strategisch erfassen, sondern muss mitunter flexibel auf das Angebot an Aktionen und Vögel reagieren. In einigen Runden wurde zudem kritisiert, dass wenn es blöd läuft, das Spiel zum Ende hin, zu einem reinen Eiersammeln verkommt, da jedes Ei mit einem Siegpunkt belohnt wird. Auch dieses konnte ich in meinen Runden selten beobachten und war zudem abhängig vom jeweiligen Vogelangebot. Was man vielleicht dennoch gelten lassen muss, ist die Tatsache, dass das Spiel an vielen Stellen etwas solitär rüberkommt. Wir basteln und optimieren an unserem Vogelportfolio und kommen uns höchstens bei Vogel- und Futterauswahl sowie bei den Rundenzielen in die Quere. Das kann dem ein oder anderen zu wenig Interaktion sein.

Hohe Varianz

Es gibt nicht die Siegpunktstrategie, da unterschiedliche Kombinationen aus Vögeln, Bonus- und Rundenwertungen sowie dem Sammeln von Eiern und Vögeln zum Ziel führen. Somit habe ich nur wenige Partien erlebt, die sich gleich anfühlten. Ja, in einigen Gruppen kam das Spiel so gut an, dass wir noch am selben Abend eine weitere Partie angehangen haben, was im Kennerspielsegment eher seltener der Fall ist. Das mag auch durch die relativ kurze Spieldauer von knapp 60 Minuten begünstigt sein. Zudem gibt es immer wieder etwas Neues zu entdecken.

Bei aller Euphorie für das Spiel darf es nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir es bei Flügelschlag mit einem normalen Eurospiel zu tun haben, bei dem es darum geht Ressourcen zu sammeln, um entsprechende Karten ausspielen zu können. Dieses hätte auch ein normales Bauspiel sein können. Lustigerweise hört man den Satz „ich baue mir einen Vogel“ häufiger am Spieltisch; was bei mir immer ein Schmunzeln auslöst.

Fairerweise muss ich sagen, dass ich die Autonomavariante nicht ausprobiert habe, so dass sich die Rezension nur auf das Spielen mit 2-5 Personen bezieht. Die optimale Anzahl an Spielern bleibt für mich jedoch bei 3-4 Spielern.

An Flügelschlag können sich aus meiner Erfahrung aus Familienspieler mit Erfahrung versuchen. So kompliziert sind die Regeln und das Spiel selbst nicht.


Kurzfazit: Kennerspiel mit hohem Aufforderungscharakter und großer Varabilität in den einzelnen Partien. Der Einstieg in das Spiel ist extrem schnell möglich. Gleiches gilt für das Spiel selbst. In dem Spiel gibt es viele verschiedene Siegstrategien, auch wenn diese durch die Vogelauswahl mitbestimmt wird/gelenkt wird. Verfehlt das Prädikat nur sehr knapp.

  • Hoher Aufforderungscharakter durch das Material
  • Einfach zu verstehendes Kennerspiel (liegt auch an den Regeln und der Symbolik)
  • schnell zu spielen und geringe Downtime
  • Hohe Variabilität durch die 170 verschiedenen Karten (auch wenn es von der Funktion Doppelungen gibt) und 16 Zielplättchenseiten

  • möglicherweise ist das Spiel dem ein oder anderen zu repetitiv und Glücks lastig.
  • das gewisse solitäre Spielgefühl könnte den ein oder anderen abschrecken.
  • Vögel sind aktuell nur aus Nordamerika.

 

Wer einen unkomplizierten Engine-Builder sucht, der noch eine tolle Aufmachung hat, dürfte mit Flügelschlag sehr zufrieden sein. Aufgrund seiner Spielzeit eignet es sich für erfahrene Spieler wunderbar als Spielabendöffner. Das Glückslelement und eher solitäre Spielen könnte den ein oder anderen abschrecken. Mich hat es absolut nicht gestört. Für mich zählt Flügelschlag vom Spielgefühl wie auch seiner komplett durchdachten Aufmachung zu den starken Spielen in einem sehr guten Kennerspieljahrgang.

Es gibt ja nicht viele Spiele, die man dauerhaft als festes Element in seiner Sammlung sieht. Flügelschlag gehört für mich dazu.


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3 Kommentare

  1. Hallo Christoph,
    eine tolle, ausführliche Rezi zu einem ganz besonderen, wertvollen Spiel.
    Vielen Dank dafür!

    Ich habe es noch nicht spielen können und mir auch noch nicht angeschafft, obwohl ich ornithologisch interessiert bin.

    Mein Haupt“bedauerns“punkt^^ an der deutschen Version des Spiels ist tatsächlich, dass es die amerikanische Avifauna zeigt, ich aber als Mitteleuropäer einfach nicht eine so intensive Verbindung zur Vogelwelt Nordamerikas habe wie zu unserer heimischen Vogelwelt. 🙂
    D.h., die Angaben auf den Karten würden einem Mitteleuropäer ja viel mehr „Alltagsbezug“, Realitätsnähe und „alltagsrelevante“ Infos vermitteln, wenn es sich dabei um heimische Vögel handeln würde, die man ggf selber entdecken und beobachten kann.

    Wobei man als Naturbeobachter bei Wildtieren natürlich immer darauf achten muss, dass man vorsichtig, wirklich bedachtsam und mit Rücksicht auf die Natur agiert, so dass man die Tiere möglichst wenig stört, nicht blind Pflanzen und ggf Bodennester zertrampelt und speziell bei menschenscheuen Tierarten und im Nestbereich unbedingt großen Abstand wahrt und leise ist bzw sich sogar gleich wieder zurückzieht. Das sind wirklich wichtige Grundregeln, an die man sich in der Natur halten sollte, da manche Wildtiere sehr empfindlich auf (aus unserer Sicht vielleicht geringfügige) Störungen reagieren und ggf sogar ihr Revier aufgeben oder gar ihr Nest!
    Sorry, dass ich das so „oberlehrerhaft“ betone, aber ich habe leider so oft erlebt, dass gedankenlose Leute wie ein lauter Faschingszug durch empfindliche Naturschutzgebiete pflügen und keinerlei Distanz zu den Wildtieren wahren, sondern sie verschrecken, rücksichtslos bedrängen und ggf sogar gefährden.

    Zurück zum Spiel:
    Es ist mir natürlich klar, dass es einen immensen und fachmännischen Aufwand bedeuten würde, wenn Feuerland das Spiel dahingehend komplett neu bearbeiten lassen würde, dass es nur noch mitteleuropäische Vögel zeigt und so detailliert beschreibt..
    ..daher kann ich das von Feuerland nicht erwarten (zumal Feuerland vermutlich eh nur eine sehr eingeschränkte Lizenz für das Originalspiel besitzt).

    Vielmehr geht mein Respekt an die ursprünglichen Macher der „amerikanischen“ Version, denn sie haben tolle Arbeit geleistet.

    Liebe Grüße,
    Daniel

    • Danke für deinen Kommentar. Ich gehe sehr stark davon aus, dass wir auch eine europäische Erweiterung zum Spiel erleben werden.

      Den anderen Exkurs von die kann ich nur teilen.

  2. Ui, echt, eine Erweiterung mit europäischen Vogelarten? Wow, das wäre wirklich toll!! Danke für Deine Einschätzung bzw den „Wink“!

    Und danke für Deine Unterstützung hinsichtlich meines Appells für ein bewusstes, verantwortungs- und rücksichtsvolles Verhalten in der Natur und gegenüber störungsempfindlichen Wildtieren.

    Liebe Grüße,
    Daniel

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