Kaum ein Spiel aus dem Stonemaier Universum hat so verschiedene Gefühle hervorgerufen, wie Tapestry. Selbst die Diskussion um Charterstone verlief ruhiger. Viel Lob aber auch viel Kritik wurde über das Spiel geäußert.
Und so wird es auch in dieser Rezension gehen.
Bei dem Zivilisationsspiel müssen wir uns auf vier Leisten nach vorne bewegen, um Siegpunkte für den Gewinn der Partie einzuheimsen.
SPIELBESCHREIBUNG
Jeder Spieler erhält ein Einkommenstableau. Auf diesem sind vier Hausminiaturreihen abgebildet. Dazu gibt es ein Hauptstadttableau (hier ist auch die Startposition auf dem Spielplan angegeben). Aus den 16 Zivilisationstableaus werden jedem Spieler zwei Völker zugelost. Eins davon sucht er sich aus. Jedes Volk besitzt unterschiedliche asymmetrische Fähigkeiten.
In der Mitte liegt der Spielplan mit umlaufender Siegpunktleiste, der Landschaft sowie den vier Fortschrittsbereichen:
- Erkunden: ein neues Landschaftsplättchen wird in die Landschaft eingefügt
- Forschen: Mittels Würfel kann ein kostenloser Schritt auf einer der vier Entwicklungsleisten gegangen werden
- Erfinden: Lege eine Techkarte in deine Auslage. Techkarten bringen nach Aufwertung Boni, Gebäude etc.
- Erobern: Außenposten werden auf der Landschaft nach vorne gerückt, um ein weiteres Feld zu erobern. Gegner können sich dieses Angriffs erwehren.
Der aktive Spieler kann sich entscheiden:
- auf einer der vier Leisten nach vorne rücken und die Aktion durchzuführen. Dazu muss er die entsprechenden Ressourcen bezahlen. Dabei können u.a. Gebäude freigespielt werden, die auf das Hauptstadttableau zu setzen sind. Gleichzeitig schalten diese Gebäude Ressourcenfelder für die nächste Einkommensphase frei.
- oder die Ära abzuschließen und in der Einkommensphase entsprechende Ressourcen (in Form von Nahrung, Arbeiter, Geld, Kultur, Landschaftsplättchen und Gobelinkarten) in den eigenen Vorrat zu legen.
Das Spiel endet, wenn alle Spieler ihren fünften Einkommenszug durchgeführt haben. Dieses kann bei jedem Spieler unterschiedlich geschehen.
AUTOR: Jamey Stegmaier ■ GRAFIKER: Andrew Bosley
VERLAG: Stonemaier | Feuerland ■ ERSCHEINUNGSJAHR: 2019/2020
1-5 Spieler
ab 12 Jahren
ca. 90-120 Minuten
Spielregeln (ext. Link zu Feuerland)
SPIELGEFÜHL
Tja, was soll ich sagen. Beim Öffnen der Schachtel fallen zuerst die Fimo-artigen Gebäude auf, die hübsch anzusehen sind, aber sich im Spiel teilweise als sehr unpraktisch erweisen. Unpraktisch, weil sie auf dem Hauptstadttableau teilweise die Sicht versperren und vom Grundriss nicht immer eindeutig ist, wieviel Felder sie abdecken. Unpraktisch, weil sie das Spiel auf unnötige Art und Weise verteuern, so dass es am Ende einer speziellen Klientel vorbehalten scheint, die bereit ist, etwas tiefer in die Tasche für so ein Spiel zu greifen.
Und diese werden dann ein Spiel erleben, welches – gerade was die verschiedenen Völker angeht – sehr unbalanciert ist. Welches zudem einen relativ großen Glücksfaktor über den Würfel und die Karten hat.
ABER, welches spannenderweise auch einen größeren Suchtfaktor ausübt. Denn trotz der Kritik kommt das Spiel wieder und wieder auf den Spieltisch.
Daher zum Spiel direkt: Zunächst einmal verblüfft die Anleitung von gerade einmal fünf Seiten (die Dankesworte ziehe ich direkt ab). Man ist relativ schnell startklar, ohne das man das Spiel komplett durchschaut hat. Muss man vielleicht auch noch nicht bei der ersten Partie, weil dann die Lernkurve in den nachfolgenden Partien viel höher ist.
Doch direkt zum Startschuss haben wir schon einmal die Qual der Wahl. Jeder Spieler bekommt zwei aus 16 Völkern zugelost und muss sich für eines davon entscheiden. Gar nicht so einfach. Das kann man erst so richtig nach einigen Partien für sich entscheiden. Und dann wird man auch immer wieder auf Situationen treffen, bei der man mit seinem Volk bzw. Zivilisationstableau nicht so zufrieden ist.
Zudem sind die Völker unterschiedlich einfach zu spielen und nicht immer vollkommen ausbalanciert. Es wurde inzwischen nachgesteuert, aber alles hat man leider nicht glattbügeln können. Auch gibt es die ein oder andere Gobelinkarte, die etwas stärker ist.
Zivilisationsspiel
Tapestry ist ein Zivilisationsspiel der anderen Art. Es verläuft abstrakter ab als andere Spiele dieses Genres. Die Entwicklungen erfolgen über vier Leisten sowie das Freispielen von Einkommensleisten. Eine eigene Stadt oder ein eigenes Land im engeren Sinne bauen wir eigentlich nicht. Auch verläuft die Entwicklung der einzelnen Technologien alles andere als nach einem geordneten Fahrplan. Da habe ich vielleicht gerade das Lagerfeuer entdeckt und bin im nächsten Moment schon bei der Glühbirne, um danach mich ans Zeitreisen zu begeben. Daran hat sich der ein oder andere gestört. Ich empfand das jedoch nicht als Problem für mich.
Das Spiel verläuft jedes Mal etwas anderes. Auch wenn die vier Leisten gleich sind, so ist die Verteilung der Gobelin- und Techkarten sowie die Zivilisationstableaus nicht. Auch wird mal die eigene Hauptstadt ausgebaut und in der nächsten Partie ist eher das Entdecken des Spielplans in meinem Zentrum der Betätigung. Das lässt das Spiel sehr variable ablaufen. Und für die letzte Varianz haben wir noch den Würfel.
Tapestry ist einfach zu verstehen, aber nicht unbedingt einfach zu spielen. Wie erkennbar, gibt es viel zu entdecken und die unterschiedlichsten Konstellationen. Es richtet sich an den klassischen Eurogamer, der sich gerne im Ressourcenmanagement tummelt. Denn diese sind im ganzen Spiel sehr knapp und das Optimieren steht klar im Mittelpunkt des Spiels. Daher kann es sein, dass der ein oder andere schon in der nächsten Ära unterwegs ist, während sich die Mitspieler damit begnügen, die vorangegangene abzuschließen.
Dabei spielt es sich in Konstellationen zu zweit, dritt und viert am besten. Zu fünft ist es mir etwas zu langatmig. Die Solovariante konnte ich auch 1-2 mal ausprobieren und war ganz angetan.
Begonnen mit dem Material, möchte ich damit auch enden. Wir haben eine tolle Ausstattung vor uns. Da ist zum einen das spezielle Papier, welches für Anleitung aber auch die Tableaus und Karten genutzt wurde, ein wunderschön schlicht gestaltetes Spielbrett sowie auch die kleinen 3D Miniaturen der Ressourcenleiste. Auch vielleicht ein Grund, warum es nicht bei einer Partie von Tapestry bleiben wird.
Zusammenfassung
Tapestry ist ein Zivilisationsspiel, bei dem das Optimieren der einzelnen Aktionen und Ressourcenverbräuche bzw. deren Beschaffung im Vordergrund steht. Es ragt durch eine hohe Varianz hervor, die den ein oder anderen Fehler im Balanceing kaschiert.
Mir hat es jedenfalls sehr viel Spaß gemacht und wieder dauerhafter Gast auf meinem Spieletisch bleiben. Tapestry erhält von mir ein knappes Jederzeit gerne.
- Übt einen gewissen Suchtfaktor aus
- Wieder einmal tolles Spielmaterial, tolles Artwork
- Schöne in sich verschachtelte Spielmechanik
- Sehr hohe Varianz im Spielverlauf der einzelnen Partien.
- Beim Material hätten es auch Holzgebäude getan, um das Spiel etwas günstiger zu gestalten
- Völker sind trotz verschiedener Korrekturen immer noch nicht gut ausbalanciert
- Für ein Kennerspiel hat Tapestry einen verhältnismäßig hohen Glücksanteil.
Aus meiner Spielerperspektive: Tapestry ist eher ein Optimierspiel von Ressourcen bzw. dem Zusammenspiel aller Spielelementen.
Nicht immer einfach zu beherrschen, macht es dennoch oder gerade deswegen viel Spaß. Da kann man auch über die ein oder andere Ecke hinwegsehen und den Glückfaktor akzeptieren.