Auf der BerlinCon konnte ich Shifting Seasons kennenlernen und durfte erleben, wie viele Menschen durch den Auswahlmechanismus auf dem Schiebetableau optisch getriggert wurden, stehen blieben und fragten: „Ist das etwa wie beim Verrückten Labyrinth – das ist ja cool!“ Die Antwort lautet: Ein bisschen, aber auch nicht wirklich. Aber schön, dass dieser scheinbar noch unverbrauchte Mechanismus in vielen Menschen so nostalgische Gefühle weckt. Was genau Euch hier erwartet, lest Ihr im Folgenden.
Bei der ersten Fassung der Review zu Shifting Seasons ist mir ein Verständnisfehler unterlaufen, den ich im folgenden Text mittlerweile berichtigt habe: Es fehlt auf dem Wertungsblock keine Zeile und dieser wurde nicht vergessen, sondern die Wertung erfolgt ein kleines bisschen anders, als ich das verstanden habe. Die Fehleinschätzung bitte ich zu entschuldigen!
Carina
In Shifting Seasons übernehmen wir die Rolle einer der vier Jahreszeiten. Wir erhalten das entsprechende Jahreszeiten-Tableau, das in vier Viertel eingeteilt ist.
Wenn wir an der Reihe sind, dürfen wir eines der drei Plättchen aus der Auslage nehmen und in das zentrale Schiebetableau, das an die Spielfläche des Verrückten Labyrinths erinnert, mit weiteren Plättchen schieben. Ein Plättchen wird dabei herausgeschoben. Die Zahl am Ausgang aus dem Schiebetableau gibt dabei an, in welchem Viertel es auf dem eigenen Tableau eingepuzzelt werden darf.
Mit den Plättchen auf dem Tableau lassen sich auf unterschiedliche Art und Weise Punkte erzielen:
- Man erhält dafür Punkte, dass man durch das Einpuzzeln auf das Spieltableau bestimmte Bedingungen erfüllt, die uns vier Aufgabenkarten vorgeben, die bei Spielbeginn für alle ausgelegt werden.
- Zwei dieser Karten beziehen sich in ihren Aufgabenstellungen auf bestimmte Positionen auf den Tableaus, die bei Spielende mit Plättchen gefüllt sein sollen.
- Die anderen beiden Karten geben Aufgaben für Farben vor, die sich an bestimmten Stellen oder in bestimmten Konstellationen befinden sollen.
- Außerdem zählen bei der Auswertung der Aufgaben Plättchen in der eigenen Spielfarbe je einen Punkt. Alle besonderen Plättchen – Plättchen mit Markierungen am Rand – die in der Aufgabe enthalten sind, bringen ebenfalls einen Punkt.
Jeder erhält außerdem noch einen Bonusmarker, mit dem man die Position eines bereits gelegten Plättchens nachträglich ändern darf oder mit dem man alternativ zweimal im Schiebetableau schieben darf, um ggf. ein bestimmtes Plättchen zu erreichen.
Hat man ein Viertel auf seinem Tableau komplett gefüllt, kann man sich einen weiteren Bonusmarker verdienen.
Das Spiel endet, sobald jeder 24 Spielsteine bei sich eingebaut hat. Danach folgt die Auswertung der Aufgabenkarten und die Farbwertung je nach Jahreszeitenfarbe.
Brettspiel Regeln
Spielregeln (ext. Link zu Edition Spielwiese)
Wäre es rein nach dem Cover gegangen, so wäre ich an Shifting Seasons und Shifting Seasons an mir vorbeigegangen. Mir war das Spiel werblich bislang noch nicht begegnet und auch die Covergestaltung sagt mir nichts. Zeit, dass wir hier darüber sprechen, denn Shifting Seasons hat einen schönen Kniff, der in vielen Spielenden nostalgische Gefühle weckt und es damit zu einem Wohlfühlspiel unter den unterschiedlichsten Aspekten macht. Die nostalgischen Gefühle erweckt Shifting Seasons im Wesentlichen durch den Plättchen-Auswahlmechanismus auf dem Schiebespielplan, der uns doch alle an unsere Kindheit und viele Partien des Verrückten Labyrinths denken lässt. Bei wem gehört das Spiel nicht zur frühen spielerischen Sozialisierung? Und alle, die Shifting Seasons sehen, müssen daran denken. Das Cover hätte gut daran getan, diesen Schiebemechanismus anzuteasern – ich glaube, das hätte deutlich mehr Aufmerksamkeit geschaffen…
Verrücktes Labyrinth-Anleihen
Dabei ist das Schieben der Plättchen und damit die Plättchenauswahl nur ein Teil des Spiels, der durchaus auch anders hätte gestaltet werden können. Ein Spiel im Spiel sozusagen.
Die Anleihen an das Verrückte Labyrinth sind nämlich eher optisch. Wir bilden keine Wege und laufen auch nirgendwo lang. Spielmechanisch ist es ein Auswahlmechanismus. Wir können auch nur an vier Stellen Plättchen auf das Tableau schieben, so dass das Ganze sehr statisch bleibt.
Für den Auswahlmechanismus der Plättchen ist das Geschiebe auf dem Tableau eigentlich überdimensioniert, macht aber optisch was her und ergibt kleine taktische Kniffe. So kann man mit ein wenig Glück Plättchen statt auf einen langen Weg einer Geraden über seitliches Einschieben in die richtige Position schieben, so dass man früher darauf zugreifen kann. Das funktioniert aber am ehesten mit zwei Spielenden, mit drei oder vier Spielenden ist es nahezu sinnlos, es überhaupt zu versuchen, sich so etwas für den nächsten Spielzug „vorzubauen“. Abstrahiert ist das „Labyrinth“ nur ein hübscher, neuartiger, aber dennoch nur ein etwas verzwirbelter Auswahlmechanismus.
Fluffig, mit schönen Aufgaben
Im Zusammenspiel mit diesem nostalgischen Flair, den zugänglichen Regeln und dem fluffigen Spielablauf ergibt Shifting Seasons im Gesamtpaket ein Wohlfühlspiel, das auch als Gatewaygame genutzt werden kann. Man tut sich hier selten weh. Jeder darf auf seinem eigenen Tableau vor sich hin puzzeln, hübsch gestaltete Plättchen platzieren und schauen, wie das Optimum für die Punktewertung herauszuholen ist.
Der Reiz und auch der Wiederspielreiz ergibt sich aus den Aufgabenkarten und aus den unterschiedlichen Kombinationsmöglichkeiten der Karten.
7 Karten beziehen sich auf Positionierungsaufgaben, 7 Karten beziehen sich auf Farbaufgaben. Die Kombination der Karten ist nicht vorgegeben und kann in jedem Spiel anders sein. Leider sind einige Darstellungen auf den Karten nicht intuitiv zu verstehen. Manche Kartenbeschreibungen sind zu uneindeutig geraten – ein oder zwei Sätze mehr in der Erläuterung hätten gutgetan und Deutungsdiskussionen verhindert.
Alles an seinem Platz?
Die Spielschachtel als Aufbewahrungselement und als Halterung des Spielplans ist sehr gut durchdacht. Das Material kann in der Box gut organisiert werden: Alles hat seinen Platz und auch die Teile, die man bei unterschiedlichen Spieleranzahlen anpassen muss, sind gut markiert und daher ist auch diese notwendige Anpassung des Spielmaterials einfach händelbar. Auch das Säckchen für die Plättchen hat eine gute Größe.
Beim Auspöppeln gab es ein paar kleinere Mängel, da das Deckpapier der Plättchen an einigen Stellen hängen geblieben ist. Manche Plättchen sind auch recht schief bedruckt. Leider waren auch zwei Teile des Inlays, die das Labyrinthteil halten, etwas eingedrückt. All das tut dem Spielspaß aber keinen wirklichen Abbruch. Die gesamte Gestaltung des Spielmaterials ist optisch sehr angenehm. Shifting Seasons sieht chic aus und macht sich gut auf dem Tisch.
Glück, Pech und Prioritäten
Natürlich ist Shifting Seasons auch glückslastig. Welche Möglichkeiten bleiben mir, wenn ich an der Reihe bin, das Schieberaster zu beeinflussen? Manchmal muss man einfach nehmen, was da ist und das Beste daraus machen. Ebenso ist Glückssache, was aus dem Beutel gezogen wird. Manchmal sind das immer nur die Farbplättchen der Mitspielenden – das kann einen zurückwerfen.
Manchmal profitiert man aber auch von dem, was der Vorgänger auf dem Schieberaster so anstellt. Manchmal hat man aber auch Glück und es kommt ständig ein Plättchen der eigenen Farbe aus dem Beutel.
Auch schafft man selten alle Aufgaben – man muss sich entscheiden und Prioritäten setzen. Manchmal muss man auch einen Teil des Plans aufgeben, macht stattdessen ein Viertel voll und erhält einen zusätzlichen Bonusmarker, der einem auch wieder Flexibilität verschafft – auch nicht zu unterschätzen.
Was will es?
Wer sagt, dass man grundsätzlich in jeder Partie immer wieder das Gleiche macht, lügt nicht. Aber das Angebot unterschiedlicher Strategien ist auch nicht der Anspruch von Shifting Seasons. Es will ästhetisch ansprechende Unterhaltung sein und das macht es gut. Sein abstraktes Wesen packt es dabei in ein Thema, das gut zur Abstraktheit passt.
Ob das alles für langfristige Spielreiz ausreicht? Vermutlich nicht für mich, aber für viele andere sicher schon. Für Varianz ist durch die Aufgabenkarten gesorgt und wer es irgendwann taktischer spielen möchte, spielt es lieber im kleinen Kreis. Es gibt schlechtere Unterhaltung für einen der kommenden Herbst-Sonntagnachmittage.
- Weckt nostalgische Gefühle durch Anleihen beim Verrückten Labyrinth
- Unverbrauchter Mechanismus und leichte Zugänglichkeit – gutes Gatewaygame
- Hübsche, angenehme und auch gut durchdachte funktionale Gestaltung des Spielmaterials
- Spielmechanismus hätte sich im Cover widerspiegeln sollen, um aussagekräftiger zu sein
- Kleinere Materialschwächen beim Auspöppeln sowie an den Ecken der Spielplanhalterung
Shifting Seasons ist ein hübsch gestaltetes, solides Plättchenlegespiel, das uns vor interessante Aufgaben stellt. Dabei wird niemand überfordert. Es ergibt sich ein chilliges, angenehmes Spielgefühl, das auch geeignet ist, weniger Spielerfahrene zu überzeugen.
Der an das Verrückte Labyrinth erinnernde Schieberaster-Auswahlmechanismus für die Plättchen ist ein Spiel im Spiel. Eine schöne Aufgabe, die sich aber zu zweit deutlich besser steuern lässt, als im Spiel zu viert.
Haben wir das gewünschte Plättchen ergattert, geht es dann noch darum, die Aufgabenkarten durch die Platzierung auf dem Tableau am besten zu erfüllen. Die unterschiedlichen Aufgabenkarten gestalten dabei jede Partie ein wenig anders.
Ein sehr angenehmes Gesamtpaket, bestens für den Sonntagnachmittag oder den entspannten Feierabend geeignet.