Michael Kiesling ist ein Autor, welcher seit vielen Jahren auf dem Brettspielmarkt aktiv ist. Viele seiner Spiele sind in Zusammenarbeit mit Wolfgang Kramer entstanden. Mit Tikal und Torres waren die beiden 1999 und 2000 erfolgreich und gewannen das Spiel des Jahres.
Mit AZUL hat er im letzten Herbst ein Top-Spiel bei Next Move Games (damals noch Plan B) auf den Markt gebracht, was schnell die „Charts“ und die Herzen der Brettspielfans erklommen hat. Mit den Auszeichnungen Spiel des Jahres, AS D’OR 2018, Spiel der Spiele – Spiele Hit für Familien und Beeple Award u.a. wurde das Spiel inzwischen auch schon an vielen Stellen ausgezeichnet.
Ein guter Anlaß Michael Kiesling zu interviewen und mal einige Fragen zu stellen
[yellow_box]
Michael Kiesling (geb. 1957) ist ein Autor aus Bremen welcher seit Mitte der 90er Jahre als Autor aktiv ist bzw. seitdem Spiele veröffentlicht hat. Dieses geschah in vielen Teilen in einer Autorengemeinschaft mit Wolfgang Kramer.
Seine größten Erfolge hatte er mit Tikal (1999), Torres (2000) und kürzlich mit AZUL (2018), die als Spiel des Jahres ausgezeichnet wurden sowie mit Abluxxen, was 2014 den Deutschen Spielpreis gewann.
Bildquelle: Pretzelgames
[/yellow_box]
Das Interview
ist im Rahmen eines Telefoninterviews geschehen, für das sich Michael freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat.
Herzlichen Glückwunsch zum Spiel des Jahres!
Wie fühlt man sich ein paar Tage nach der Bekanntgabe des Preises
Michael Kiesling: Ich werde mir jetzt erst so ganz langsam bewusst über den Preis. In dem Moment freut man sich sehr darüber, aber es ist zunächst noch ein wenig vernebelt. Dieser lichtet sich so langsam und es ist ein tolles Gefühl. Mit jedem weiteren Tag wird es mir bewusster, was da passiert ist.
Wie war das Gefühl mit dem Topfavoriten (AZUL) ins Rennen zu gehen.
Michael Kiesling: Von meiner Position war das gar nicht so einfach zu beurteilen. Irgendwie mehrten sich im Vorfeld die positiven Meldungen zu AZUL, aber auch zu anderen Spielen gab es gute Besprechungen. Da redet man sich bestimmt auch etwas ein. Von daher war ich mir selbst gar nicht so sicher. Dazu ist es auch noch etwas anders, wenn man schon zweimal den Preis gewonnen hat, geht man sicherlich noch etwas anders in so ein Rennen. Auf der anderen Seite kenne ich aber auch das Gefühl, nominiert zu sein und nicht zu gewinnen. Was vier Mal auch schon passiert ist. Das ist aber auch o.k., wenn ich einen tollen Gegner habe, der dann gewinnt (wie z.B. Asara gegen Qwirkle).
Was macht das AZUL aus?
Michael Kiesling: Das besondere ist der leichte Zugang aber auch die Spieltiefe. Zudem können auch Einsteiger oder auch jüngere Spieler das Spiel gewinnen. Wir haben auf der Berlin Con 2018 ein besonderes Erlebnis gehabt. Meine Frau und ich saßen dort an einem Spieltisch und haben zwei junge Leute heran gewunken und mit diesen das Spiel gespielt (ohne uns zu erkennen zu geben). Aber wir haben das Spiel nicht gewonnen. Gerade zu viert ist das Spiel daher nicht komplett berechenbar.
Anders ist dagegen AZUL zu zweit. Hier ist es ein echtes Duell und es kommt schon auf ein gewisses taktisches Spielvermögen an.
[yellow_box]
EXKURS: Michael Kiesling ist auch Besitzer des aktuell kleinsten AZUL der Welt. Dieses hat die Abmessungen von 15×15 cm und wurde ihm nach der Preisverleihung von seiner Frau geschenkt. Könnte eine Idee für Plan B sein, ggf. eine Reiseedition zu AZUL zu erstellen.
[/yellow_box]
Wie ist denn der Vergleich zu 1999 und 2000, wo du mit Tikal und Torres gewonnen hast.
Michael Kiesling: Es ist schon etwas ganz anderes. Die Aufmerksamkeit durch die Medien ist heute viel intensiver. Da ist zum einen die Menge der Vertreter (u.a. auch die vielen sozialen Medien) aber auch durch die fortgeschrittene Technik (Kameras, Podcasts, Liveübertragungen etc.) gibt es ganz andere Möglichkeiten. Auch das ganze nach der Preisverleihung mit den vielen Interviews ist heute anders. Zudem ist es etwas anderes, wenn man den Preis alleine gewinnt. 1999 war es vom Gefühl her noch etwas anderes als Co-Autor neben einem renommierten Autor Wolfgang Kramer zu stehen. Denn niemand wusste damals, wer welchen Anteil an dem Spiel hatte.
Kurzer Einschub zu Tikal, Mexica und Java (jetzt neu unter Cuzco als letzter Teil: in 2018 bei Keep Exploring Games) werden als Maskentrilogie neu aufgelegt. Hat man da noch Einfluss drauf.
Michael Kiesling: Eher weniger, da die Regeln sich ja nicht verändern. Allerdings wurden mir schon mal Skizzen vorgelegt, zu denen ich was sagen konnte.
Wie bist du selbst zum Spielen gekommen.
Michael Kiesling: In den 70er Jahren habe ich während der Pausen in der Schulzeit Skat und Doppelkopf gespielt. Jedoch gab es in der Zeit eher weniger Spiele, wie z.B. Monopoly etc. Auch stand in den einzelnen Familien deutlich weniger Geld zur Verfügung. Mit 19 habe ich dann das Spiel Playboss (Ravensburger) bekommen, was mir sehr gut gefallen hat. Ende der 80er habe ich dann begonnen, erste eigene Spiele zu entwickeln. Wobei das erste Spiel nicht so besonders war.
Bist du als Autor eher vom Mechanismus oder vom Thema kommend?
Michael Kiesling: Eindeutig vom Mechanismus. Hat auch mit meinem Studium zu tun, was eher technisch und mathematisch ausgerichtet war. Das Thema ist wichtig, aber ohne einen geeigneten Mechanismus wird kein Spiel erfolgreich sein und muss in seinen Prozessen vernünftig funktionieren.
Du hast viel mit Wolfgang Kramer und jetzt mit Andreas Schmidt (Heaven & Ale) Spiele entwickelt. Was ist der Unterschied zwischen dem Entwickeln im Team bzw. dem alleine entwickeln
Michael Kiesling: Für mich ist der Austausch und die Kritik sehr wichtig. Das ist im Team natürlich viel einfacher. Mit Wolfgang Kramer: wir haben z.B. jeder unterschiedliche Testgruppen. Diese Ideen und Anregungen aus den Gruppen werden miteinander geteilt und somit die Spiele verbessert. Allerdings ist man zu zweit auch schon mal deutlich in der Meinung auseinander, da geht es um den Konsens. Allein ist es daher wichtig, auch von anderen Kritik in die Spielentwicklung einzubauen. AZUL z.B. war schon bei einem anderen großen Verlag, der mir das Spiel mit Feedback zurückgegeben hat. Denn ursprünglich wurden die Steine nicht in die Mitte gelegt, sondern im Uhrzeigersinn weitergereicht. Das habe ich dann abgeändert und die Steine werden nun in die Mitte geschoben. Aber es war halt wichtig, für die Kritik offen zu sein, sonst hätte ich das Spiel an dieser Stelle nicht weiterentwickeln können.
Was würdest du neuen Autoren empfehlen
Michael Kiesling: Das ist eine sehr interessante Frage. Zunächst einmal überlegen, wo kann ich testen. Damit meine ich vor allem nicht nur im eigenen Umfeld (Freunde und Familie), sondern vor allem mit Personen, die ich oder die mich nicht kennen. Und dieses muss ich oft genugtun, um die Feinheiten des Spiels richtig einzustellen. Des Weiteren ist es wichtig das Maximum („Geht da noch was“) aus einem Spiel herauszuholen. D.h. gebe ich mich schnell mit dem Ergebnis zufrieden oder versuche ich noch ein Stück mehr an Qualität (oder z.B. Einfachheit) in das Spiel zu geben.
Eine weitere Empfehlung ist auch, dass man die Spielregeln permanent mit dem Spiel zusammen entwickeln sollte. D.h. die Regel auch mit der Spielmechanik weiterzuentwickeln bzw. zu betreuen. Damit merkt man auch, wie einfach das Spiel am Ende ist. D.h., wie zugänglich und wie einfach ist der Einstieg in das Spiel. Lieber die Basis einfacher machen und dann etwas dazunehmen. Dieses bedeutet jedoch auch eine Menge Arbeit.
Konzentration auf wenige Dinge: Auch halte ich es für nicht sinnvoll, sich mit zu vielen Spielen / Prototypen gleichzeitig auseinanderzusetzen. Dieses kann man normalerweise gedanklich nicht verarbeiten.
Mein letzter Tipp ist, sich intensiv mit anderen Spielen zu beschäftigen. Dieses hilft, einen guten Überblick zu gewinnen, was am Markt aktuell ist bzw. vielleicht auch was mir an einem Spiel nicht zusagt. Hier sollte man sich die Frage stellen, was hätte ich anders gemacht.
Bei 1000 neuen Spielen in jedem Jahr. Haben wir zu viele Spiele auf dem Markt.
Michael Kiesling: Von der Zahl ja. So richtig beurteilen kann ich das aber nicht, da ich nicht alle Spiele kenne.
Positiv ist aber mit der steigenden Anzahl an Spielen, dass auch die Quellen gestiegen sind, in denen über Spiele berichtet wird. So kann ich mich als Verbraucher auch deutlich umfangreicher informieren. Des Weiteren gibt es sicherlich auch gewissen Qualitätsmerkmale bzgl. Autoren und auch Verlagen, wo man eigentlich davon ausgehen kann, dass die Spiele eine gewisse Qualität haben.
Die große Frage liegt aber vor allem bei den Verlagen, denn die müssen ja die Spiele auch wieder loswerden und vermarkten.
AZUL – Stained Glas of Sintra und eine Erweiterung für Heaven & Ale angekündigt. Was können wir noch erwarten.
Michael Kiesling: Von Wolfgang Kramer und mir wird bei Jumbo Okavango erscheinen. Das Spiel enthält Elemente von Abluxxen. Des Weiteren wird bei HUCH! Outback erscheinen. Ist ein einfacheres Würfelspiel. Dazu die beiden von dir erwähnten Spiele: AZUL II – Stained Glas of Sintra (und die Erweiterung). Wir nehmen die Glassteine wie bei AZUL I aber die Ablage erfolgt dann auf eine andere Art und Weise, die ich aber jetzt noch nicht erwähnen kann. Das Spiel wird vielleicht noch eher für den Kennerspieler sein, obwohl der Auswertungsmechanismus noch einfacher ist.
Vielen Dank für deine Zeit.
LINKS
Als Rezensionen bereits auf der Brettspielbox erschienen: AZUL und Heaven & Ale
Interviewreihe auf der Brettspielbox: Inka und Markus Brand (Burgenland / Neuheiten 2014) • Ralph Bruhn (Aquasphere) • Frank Heeren (SPIEL2017) • Hunter & Cron (Gen Con 2015) • Michael Kiesling (Spiel des Jahres 2018) • Agnieszka Kopera und Andrei Novac (2014) • Michael Menzel (Neuheiten 2014) • Matthias Nagy (Frosted Games 2018) • Alexander Pfister (Spiel 2015 / Broom Service: Kartenspiel) • Martin Schlegel (West of Africa) • Jamey Stegmaier (Viticulture) • Klaus Teuber • Wolfgang Kramer • Wolfgang Warsch (März 2018 / Juli 2018)
Hallo Christoph,
cool, dass Du Dir Michael Kiesling geschnappt hast! 🙂
vielen Dank an Dich und ihn für dieses ausführliche und tolle Interview
mit gut überlegten Fragen und sehr interessanten Antworten!
Besonders hilfreich/wertvoll finde ich den Part zur Spielentwicklung („Was würdest du neuen Autoren empfehlen“).
LG, Daniel