Freitag, November 22, 2024
StartJahr2021REVIEW | Rezension Brettspiel Milestones

REVIEW | Rezension Brettspiel Milestones

Gewürfelt wurde in der Steinzeit vermutlich noch nicht so viel. Kooperation war dort aber bitter nötig, was wir nicht zuletzt durch Paleo lernen durften. Das kooperative Würfelspiel Milestones ist deshalb auch in diesem Steinzeit-Setting angesiedelt, weil wir hier gemeinsam sog. Meilensteine erreichen müssen. Ein wenig an den Haaren herbeigezogen… Wie es sich sonst so mit Milestones verhält, lest ihr im Folgenden.

Carina Brachter


SPIELBESCHREIBUNG

Im Würfelspiel Milestones arbeiten wir kooperativ daran, bestimmte Aufgaben zu erfüllen und damit möglichst viele Punkte für unser Team zu erreichen. Dazu stehen Aufgabenkarten in drei Schwierigkeitsstufen von leicht über mittel bis schwer zur Verfügung. Die Karten zeigen jeweils eine Aufgabe, die mit den Würfeln erreicht werden muss. Dies können bestimmte Zahlen, Farben, Zahlenabfolgen, Zahlen- oder Farbkombinationen sein. Je nach Kategorie ist das einfacher oder schwerer zu erreichen.

Jede Spielerin und jeder Spieler wählt eine der Karten, über die Schwierigkeitsstufe entscheidet jeder selbst. Die sechs Würfel werden bereitgelegt, ebenso die Sanduhr, die drei Minuten zählt. Nun geht es los: Wer startet, dreht die Sanduhr um und würfelt mit allen sechs Würfeln. Jeder schaut dabei, ob das Würfelergebnis der Aufgabe auf der eigenen Karte entspricht. Tut es das, sagt man kurz Bescheid und nimmt eine neue Aufgabenkarte. Dann sind die nachfolgenden Spielerinnen und Spieler an der Reihe. Alle müssen während ihres Zuges immer mindestens einen der Würfel werfen, können andere Würfel aber liegen lassen. Dies lässt für die anderen erahnen, welche Aufgaben der Würfelnde wohl erfüllen muss.

Während des Spiel ist die Kommunikation eingeschränkt: Niemand darf über seine aktuelle Aufgabe sprechen, diese zeigen oder die geforderte Aufgabe per Handzeichen darstellen. Nur die Person, die gerade an der Reihe ist, darf die Würfel anfassen und lediglich mit auf dem Wege nicht neu gewürfelter Würfel Andeutungen machen. Eine Aufgabe kann auch während der Züge anderer erfüllt werden, wenn das Würfelergebnis passt. Eine erfüllte Karte wird für die Schlusswertung beiseite gelegt und eine neue Karte gezogen, die Schwierigkeitsstufe ist dabei frei wählbar.

Nach drei Minuten endet die Partie. Die erfüllten Aufgaben bringen nun die aufgedruckten Punkte ein. Die schweren Aufgaben bringen dabei mehr Punkte als leichte. Eine Tabelle zeigt schließlich an, wie erfolgreich die Gruppe mit den erreichten Punkten ihre Meilensteine erreicht hat.

Neben dem Grundspiel gibt es drei weitere Varianten, um das Spiel anspruchsvoller zu gestalten. Dafür liegen dem Spiel weitere Karten mit Aufgaben bei, die für das Spiel offen ausgelegt werden. Diese Varianten des Spiels habe ich nicht ausprobiert. 



AUTOR: Daniela & Christian Stöhr ■ GRAFIKER: Fiore GmbH
VERLAG: Amigo ■ ERSCHEINUNGSJAHR: 2021

spieler

2-5 Spieler

alter

ab 8 Jahren

zeit

ca. 3 Minuten je Partie

Spielregeln (ext. Link zu Amigo)


SPIELGEFÜHL

Lasst uns Würfel erlegen!

Das Spielprinzip von Milestones hat mich neugierig gemacht: Ein kooperatives Würfelspiel, bei dem man nur erahnen kann, welche Ziele die Mitspielenden verfolgen, damit wir gemeinsam möglichst erfolgreich sind? Wie das wohl umgesetzt wurde? Das wollte ich ausprobieren! Als ich dann das Cover sah, bekam ich erstmal einen richtigen Schrecken: Sicherlich ist Gestaltung Geschmacksache, aber das Cover von Milestones ist doch ein wenig aus der Zeit gefallen. Tut mir leid, aber modern oder zeitgemäß ist es für mich nicht. Die übersteigerte Darstellung frühzeitlicher Menschen, die das „Erlegen eines Würfels“ gemeinschaftlich feiern, hat mich zugegebenermaßen sogar ein wenig verstört. 

Was abstrakt ist, kann auch abstrakt bleiben

Hätte ich nicht das besagte Interesse am Spielprinzip gehabt, hätte ich aufgrund des Covers nicht zu diesem Spiel gegriffen. Warum überhaupt dieses aufgesetzte Thema sein musste, ist mir nicht ganz klar. Die steinzeitlichen Zeichnungen auf den Aufgabenkarten verwirren sogar mehr, als dass die helfen.Benötigen abstrakte Spiele immer – komme, was wolle – ein geschichtliches Kleid, in das sie mit mehr oder weniger Gewalt gepresst werden? Das kann man sicherlich nicht nur Milestones zum Vorwurf machen – das ist richtig. Das kann man beispielsweise aktuell auch einem Scout vorwerfen. Ich fordere grundsätzlich mehr Mut zur abstrakten Gestaltung bei abstrakten Spielen! Sonst wird es manchmal grotesk oder zumindest sehr bemüht. Doch ich schweife ab…


Egoist oder Teamplayer?

Milestones verlangt von uns, Aufgabenkarten zu erfüllen, von denen wir aber immer nur eine, nämlich unsere eigene, kennen. Bin ich an der Reihe, bin ich einem Dilemma ausgeliefert: Würfle ich so, dass ich der Erfüllung meiner eigenen Aufgabe möglichst nah komme oder unterstütze ich meine Mitspielenden? 


Erstmal ich!

Entscheide ich mich für die erste Variante, zerstöre ich vermutlich mehr, als dass ich aufbaue. Die Möglichkeit, eine Aufgabe nur mit einem Würfelwurf zu erfüllen, ist eigentlich nur bei den Karten leichter Kategorie gegeben. Schwierigere Aufgaben erfordern fast immer mindestens zwei Anläufe, so dass ich also darauf angewiesen bin, dass mein direkter „Vorwürfelnder“ bereits eine gute Ausgangslage schafft, die ich nutzen kann. Sind nicht näher bestimmte Zahlen oder Farben gefordert, bin ich relativ flexibel und kann das vorhergehende Würfelergebnis zu meinen Gunsten weiter nutzen und ggf. schnell eine Aufgabe erfüllen. Unter Umständen passt aber auch gar nichts, dann bin ich geradezu gezwungen, alles neu zu würfeln. Das zerstört dann schnell die Hoffnung meiner Vorwerfenden, ihre Aufgaben zu erfüllen und sie fangen wieder bei Null an. Aber vielleicht passt mein Würfelergebnis zu meinen Plänen?


Nur für euch!

Entscheide ich mich dafür, mich in den Dienst der Gruppe zu stellen, dann sollte ich genau beobachten, was die anderen liegen lassen, bevor sie würfeln. Lässt sich ein Muster an Farben oder Zahlen erkennen, dass ich ggf. weiter ausbauen sollte? Dann besteht mein wichtigster Beitrag schonmal darin, die vorher nicht geworfenen Würfel auch weiter liegen zu lassen und das Gefüge nicht zu zerstören.Habe ich dann ein glückliches Würfel-Händchen, freuen sich meine Mitspielenden, die hoffentlich durch meinen Beitrag ihre Aufgaben zu Ende bringen konnten. Natürlich sollte auch mir das Grund zur Freude bringen, aber wenn ich bei Spielende nur ein, zwei Pünktchen auf meinen selbst erfüllten Karten zählen kann, während die anderen fette Punkteausbeute vorweisen können, fühlt sich das doch ein wenig schal an… Es sei denn, die Gruppe weiß den Dienst an der Sache gebührend zu würdigen und klopft mir anerkennend aufgrund meiner Selbstlosigkeit auf die Schulter!


Und dazwischen so?

Entscheide ich mich für „beides ein bisschen“, ist das wohl die schlechteste Entscheidung. Auf diese Weise kommt keine Partei der Erfüllung der Aufgabe wirklich effizient näher und wir gemeinsam keinen vernünftigen Schritt weiter. 


Das Dilemma bleibt…

Der Lösung dieses Dilemmas sind wir in unseren Spielrunden nie so richtig auf die Spur gekommen. Die ersten ein, zwei Runden von Milestones investiert man, damit sich die Gruppe eingroovt. Damit klar wird, wie das Spiel funktioniert, damit deutlich wird: Wenn hier jeder für sich arbeitet, sind wir nicht wirklich erfolgreich. Dann übernehmen die Spieler Rollen: Die Mutige, die sich die schwierigen Aufgaben vornimmt, der Kooperative, der den anderen „zuwürfelt“, die schnelle Arbeiterin, die die leichten Aufgaben in Windeseile durchpeitscht, der Optimierer, der genau schaut, dabei aber zu viel Zeit verbraucht… Und dann liegt es doch letztendlich am Würfelglück oder -pech, wie erfolgreich wir sind. Auch, wenn wir noch so gut zusammenarbeiten, kann uns der Glücksfaktor alles schnell verhageln. Das ist kann dann leider recht unbefriedigend sein, sofern man mit einem gewissen Ehrgeiz an die Sache geht. 


Zusammenfassung

Milestones ist ein schnelles, kooperatives Würfelspiel, das sich im Wesentlichen an Wenigspieler richtet, sich aber auch als Absacker oder Opener eignet. Dabei muss klar sein: Hier regiert das Würfelglück und ohne, dass sich ein zwei Mitspielende selbstlos in den Würfel-Dienst der Gruppe stellen, wird man hier nicht gemeinschaftlich erfolgreich sein.Milestones ist aufgrund seiner schnellen Spielzeit optimal für drei, vier Partien, in denen die Gruppe versucht, ihren eigenen Highscore zu knacken. Dann ist der Reiz aber schnell verpufft. Wer ersthaft und strategisch versucht, hier gute Resultate zu erzielen, verzweifelt entweder am Würfelpech oder dem Zeitdruck, unter dem die geforderte Kooperation oftmals zum Zufallsprodukt wird.

  • Kurze Spieldauer lädt zu mehreren Partien und Highscorejagd ein 
  • Einfaches Spielprinzip und leichter Einstieg
  • Eignet sich als kooperativer Absacker 
  • Der Erfolg der Kooperation ist leider auch sehr glücksabhängig
  • Wiederspielreiz lässt schnell nach
  • Schachtel ist größer als sie sein müsste

Aus meiner Spielerperspektive: Es gibt Spiele, mit denen wird man einfach nicht warm. Das ist mir leider mit Milestones so ergangen. Das beschriebene Dilemma habe ich nur selten als reizvoll empfunden. Am besten läuft es natürlich, wenn die Gruppe gute Resultate erzielt, aber selbst da kam mir der Erfolg immer nur wenig selbstverschuldet vor. Meins ist es daher leider nicht.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Most Popular

Recent Comments