Sehr ungünstig ist das Timing, mit dem Katharina – Die Städte der Zarin in diesem Jahr erschienen ist. Das Setting, in der man eine russische Zarin u.a. mit kriegerischen Mitteln bei der Expansion ihres Reiches unterstützt, ist im Jahr 2022 unglücklich gewählt. Abgesehen davon, dass in egal welchem weltpolitischen Kontext eine kriegerische Expansion immer verabscheuungswürdig war und ist, wird der thematische Hintergrund dem Spiel derzeit ein wenig zum Verhängnis.
Wischt man das Thema und auch die etwas zu typisch geratene eurogamige Gestaltung von der Oberfläche, entdeckt man ein tolles Karten-Management-Spiel in einem überragend reduzierten Spielmechanismus. Ein näherer Blick auf Katharina lohnt sich daher auf alle Fälle!
Carina Brachter
SPIELBESCHREIBUNG
Katharina verläuft über drei sog. Dekaden, die aus jeweils vier Runden bestehen. Nach jeder Dekade erfolgt eine Zwischenwertung und abschließend noch eine Endwertung. In der Tischmitte liegt ein Plan, auf dem wir im Laufe des Spiels Residenzen in Städten erbauen und auf einer Gunstleiste mit unseren Markern emporklettern können. Die Spieler:innen erhalten eine Auftragskarte für das Sammeln bestimmter Waren sowie sechs Handkarten, von denen sie drei vor sich ablegen. Diese Karten bilden den Anfang der Aktionsreihe. Dann kann es auch schon losgehen.
Die Spieler:innen spielen weitestgehend parallel. Zunächst ziehen alle zwei Handkarten. Dann spielen alle verdeckt eine Karte in die Aktionsreihe und eine Karte in die Reihe darunter, die Aktivierungsreihe. Haben dies alle erledigt, werden die Karten aufgedeckt. Auch die nun folgende Aktionsphase spielen alle parallel.
Wie der Name bereits sagt, aktivieren wir mit den Karten der unteren Reihe Karten aus der Aktionsreihe. Die Aktivierungskarte muss dazu die gleiche Farbe haben wie die Aktionskarte.
Die Karten in der Aktionsreihe bringen am oberen Rand bereits Waren, Geschütze oder Bücher mit, die wir als unseren Besitz betrachten dürfen. Im unteren Bereich der Karten sind die Effekte zu finden, die wir bei Aktivierung durchführen können. Zusätzlich finden wird dort Angaben zu möglichen Boni.
Die Effekte auf den Karten bringen uns im Wesentlichen folgende Belohnungen:
- Wir können auf bestimmten Regionen des Spielplans Residenzen ins Spiel bringen, um das Reich weiter auszudehnen. Dabei sollten die Residenzen möglichst untereinander verbunden sein, damit sie bei Spielende möglichst viele Punkte einbringen. Diese errechnen sich je nach dem Multiplikator, den wir auf der Gunstleiste erreichen.
- Die Effekte können uns für das Erfüllen bestimmter Bedingungen Siedepunkte einbringen. Diese erhalten wir entweder bedingungslos, für den Besitz von Büchern, gegen die Abgabe von Handkarten oder falls wir bestimmte Waren besitzen.
- Wenn wir bestimmte Bedingungen erfüllen, können wir auch zusätzliche Handkarten erhalten.
- Zudem können wir Schritte auf der Gunstleiste erhalten, die unser Handkartenlimit vergrößert, uns bei den Zwischenwertungen Punkte beschert oder den Multiplikator für unsere Häuser bei Spielende vergrößert.
Die Zwischenwertung bringt dann Punkte in der Geschützwertung. Hierbei vergleichen die Spieler:innen die in der Aktionsreihe ausliegenden Geschütze mit der Anzahl des Mitspielenden zur Linken und zur Rechten. Für jeden „Sieg“ gibt es vier Punkt. Ebenso wird geschaut, wer die meisten Bücher im Besitz hat. Derjenige, darf eine weitere Residenz auf dem Spielplan bauen. Für bestimmte Residenzen gibt es ebenfalls Punkte.
Die ausliegenden Reihe werden dann um die bereits aktivierten Kartenpaare bereinigt, dann geht es in die nächste Dekade.
Bei Spielende werden dann die zusammenhängenden Residenzen mit dem erzielten Wert auf der Gunstleiste multipliziert. Auch restliche Handkarten ergeben Siegpunkte, ebenso wie der Auftrag, den man mit Warenplättchen, die man beim Bau von Residenzen erhalten hat, erfüllen kann. Wer dann auf der Siegpunktleiste vorne liegt, gewinnt die Gunst von Katharina.
AUTOR: Johannes Schmidauer-König ■ ILLUSTRATIONEN/GRAFIK: Claus Stephan, Antje Stephan
VERLAG: dlp games ■ ERSCHEINUNGSJAHR: 2022
2-4 Spieler
ab 10 Jahren
ca. 30-45 Minuten
Spielregeln (ext. Link zu )
SPIELGEFÜHL
Ganz anders als erwartet
Ich muss zugeben, dass ich nach meiner ersten Partie Katharina ziemlich enttäuscht war. Ein neues dlp-Games-Spiel, das da ohne großartige Ankündigung so plötzlich auf dem Markt war – das weckte bei mir hohe Erwartungen und die Hoffnung auf ein neues großes Eurogame á la Orleans. Damit es Euch nicht so geht wie mir: Katharina ist anders, ganz anders. ABER: Nur weil es anders ist, ist es nicht schlecht. Ganz im Gegenteil!
Wenn man hinter die Fassade schaut
Katharina ist im Wesentlichen ein Kartenspiel, bei dem das Handkartenmanagement im Mittelpunkt steht und eine interessante Herausforderung bildet. Wie eingangs erwähnt, sollte man das Thema und ggf. auch die von manchen als „altbacken“ empfundene Gestaltung ein wenig „übersehen“ und siehe da: Es kommt ein sehr interessantes Spiel zutage.
Die Regeln von Katharina sind recht einfach, der Spielablauf sehr eingängig. Auf den acht Seiten der Spielregeln wird alles ausführlich erklärt. Und dann kann es auch schon losgehen, denn auch der Spielaufbau geht denkbar flott.
Was macht Katharina interessant? Jeder der zwölf Spielzüge stellt uns vor ein kleines Dilemma und eine entsprechend notwendige Entscheidung, die uns nur selten leicht fällt. Keine Karte ist schlecht, aber manche zu unserer aktuellen Spielsituation mehr oder weniger passend und ganz klar: Man hat natürlich nie die richtige Kombination oder nicht genügend Karten auf der Hand!
Immer diese Entscheidungen!
Zwei Karten müssen immer gespielt werden. Die Karte, die wir in die obere Aktionsreihe legen, ist meist leichter zu identifizieren, als die Karte, die wir für eine Aktivierung verwenden. Möchte ich beispielsweise meine Residenzen ausbauen und habe eine Karte auf der Hand, die den Bau einer Residenz genau in der Kette von Städten möglich macht, an der ich gerade baue, dann werde ich diese Karte unbedingt über Kurz oder Lang in die obere Reihe spielen wollen. Die Karte spiele ich also jetzt direkt oder behalte sie auf der Hand für einen späteren Zug.
Nun muss ich aber auch eine Karte für die Aktivierungsreihe auswählen: Da die Karten ja nun einmal immer farblich mit denen der Aktionsreihe übereinstimmen müssen, reduziert das die Auswahl bereits erheblich. Manchmal bestimmt diese notwendige Farbübereinstimmung sogar, dass ich eine Aktion wählen muss, die mir gar nicht so recht ist, weil ich keine Karte auf der Hand habe, die mit den bereits in der Aktionsreihe liegenden Karten übereinstimmt.
Und dann ist ja noch die Zwickmühle vorhanden, dass die jeweilige Karte, die in Frage kommt, von uns vielleicht noch viel lieber später für die Aktionsreihe verwendet werden soll. Und jetzt? Das Spiel ist einziges Abwägen, in dem man das Optimum aus dem Herausholen muss, was einem gegeben ist.
Mal hat man Glück, mal hat man Pech…
Und da sind wir natürlich auch beim Quäntchen Glück, das hier leider auch immer wieder einer Rolle spielt. Was ziehe ich auf die Hand? Passt das farblich? Da kann einem das Pech auch ordentlich böse mitspielen. Man sollte daher versuchen, seine Optionen ein wenig zu streuen, indem man beispielsweise nie nur Karten einer Farbe in die Aktionsreihe legt. Oder versucht, auch mal mehr Karten als die üblichen zwei, die man zu Rundenbeginn zieht, auf die Hand zu bekommen, um aus einer größeren Auswahl schöpfen zu können.
Der Vergleich mit Rechts und Links
Wichtig ist es auch, immer im Auge zu behalten, wie viele Geschütze und Bücher wir in unserem Besitz haben. In den Zwischenwertungen vergleichen wir uns in Bezug auf die Geschütze mit unseren Nachbarn. Die Punkte, die wir dann einheimsen, sind nicht gerade spielentscheidend. Aber wenn wir die Wertungen in jeder Runde gewinnen, kann das schon für einen ordentlichen Vorsprung sorgen. Daher sollte man auch darauf achten, dass auch nach dem Abräumen der bereits aktivierten Karten in der Zwischenwertung noch Geschütze und Bücher übrig sind, damit wir für die nächste Dekade dort nicht wieder bei Null anfangen müssen.
Gleiches gilt auch für Bücher: Haben wir hier die meisten, dürfen wir eine weitere Residenz errichten – einen Bonus, den wir gerne annehmen. Und wenn wir nicht die wenigsten Bücher haben, erhalten wir immerhin noch eine Joker-Ware, die wir zur Erfüllung unseres Auftrags ganz prima einsetzen können.
Viele Regeln? Eigentlich nicht.
Ach ja, der Auftrag: Mit Waren, die wir beim Bau von Residenzen erhalten, können wir auch noch an unserem Auftrag arbeiten. Auch hier sind je nach „Erfüllungsgrad“ bei Spielende noch fünf bis zwölf Siegpunkte zu holen.
Ihr seht: Es gibt eine Menge, auf das man hier achten muss. Das macht Katharina ganz klar zu einem Kennerspiel, obwohl es absolut nicht kompliziert ist. Es ist sogar extrem reduziert und geradlinig und damit wohltuend schnörkellos. Nach der ersten Kennenlernpartie kann es schnell und zügig gespielt werden – es sei denn, man kann nicht sehr schnell Entscheidungen treffen…
Gutes Cover und Symbolsprache
Vielen gefällt die Gestaltung des Spiels nicht. Während das Cover aufgrund des direkten Blickkontakts mit der namensgebenden Katharina ziemlich originell und auffordernd gestaltet ist, empfängt uns im Schachtelinneren eine eher weniger originelle, traditionelle Eurogame-Gestaltung. Da hätte mehr Pep gut getan. Die Symbolsprache ist aber prima, da bleiben keine Fragen offen. Auch die grafische Darstellung des Spielablauf in der Ecke des Spielplans ist sehr hilfreich. Was fehlt, ist nur ein Marker, der anzeigt, in welcher Dekade wir uns befinden. Da es meist so flott geht, fragt man sich schon mal: Sind wir wirklich schon in der letzten Runde?!?
Die Beschaffenheit der Materialien ist leider nicht ganz optimal. Die Kartenqualität könnte besser sein und auch beim Spielbrett gibt es kleinere Verarbeitungsmängel – zumindest bei unserem Exemplar.
Solitär, aber flott
Das sollte klar sein: Katharina ist auf jeden Fall ein sehr solitäres Spielvergnügen. Da man die Auswahl der Karten, die man ablegt, eher im inneren Dialog diskutiert, dann auch noch die Aktionsphase parallel gespielt wird und man sich auch auf dem Spielplan keine Plätze wegnehmen kann, findet nur beim Vergleich der Zwischenwertung wirklich Interaktion statt. Der Vorteil des parallelen Spiels besteht dann aber in der deutlichen Reduzierung der Spiellänge. Zu Zweit lässt sich das Spiel auch mal in 20 Minuten „runterrocken“. In voller Runde ist die angegebene Spielzeit von 30-45 Minuten absolut realistisch. Mit Grüblern natürlich mit einer nach oben offenen Skala.
Zusammenfassung
Katharina ist ein interessantes Handkartenmanagement-Spiel, das die Spieler:innen in jedem Zug vor herausfordernde Entscheidungen stellt. Das schafft das Spiel mit erstaunlich einfachen Regeln und schnörkellosem Spieldesign, das aber im Gegenzug viel Spieltiefe mitbringt.
Katharina ist ein typischer Vertreter der easy-to-learn-but-hard-to-master-Spiele und daher auf leichtem Kennerniveau einzustufen. Die Spieldauer ist dabei angenehm überschaubar und da jede Partie anders verläuft, bringt es auch den notwendigen Wiederspielreiz mit. Mit Grüblern nicht zwingend das Richtige, aber sonst uneingeschränkt zu empfehlen.
- Interessante, herausfordernde Spielmechanik
- Einfache Regeln, eingängiger Spielablauf
- Schneller Spielaufbau, sehr angenehme Spieldauer
- Solitärer Spiel mit nur wenigen interaktiven Elementen
- Glücksfaktor beim Ziehen der Karten kann frustrieren
- Nichts für Grübler, die sich nicht entscheiden können
Aus meiner Spielerperspektive: Wie eingangs erwähnt war ich nach der Erstpartie richtig enttäuscht – aber das war ganz klar das Problem meiner eigenen Erwartungshaltung. Katharina hat mich dann mit seiner Kombination aus reduzierten Regeln und der Spieltiefe, die das Spiel dennoch entfaltet, überzeugt. Da es schnell auf den Tisch gebracht werden kann und dann auch noch flott gespielt ist, kommt es auch häufiger auf den Tisch.
Katharina ist daher eine wirklich positive Überraschung, die ich gerne spiele und daher auch gerne weiterempfehle.