Zur SPIEL 2022 erscheint ein neues Brettspiel von Aporta Games. Der norwegische Verlag ist immer eine gute Anlaufstelle für interessante und teilweise auch ungewöhnliche Spiele (Santa Maria, Capital Lux, The Magnifizent, Trails of Tucana etc.)
Nun erscheint im Herbst mit Revive ein postapokaliyptisches Spiel nach einer langen Eiszeit.
An dem Spiel sind gleich vier Autoren beteiligt. Ich hatte die Gelegenheit mit einem der vier zu sprechen: Helge Meissner, der auch schon an Rebel Nox beteiligt war.
Interview mit Helge
Brettspielbox: Hallo Helge. Du bist Co-Autor von Revive, welches bei Aporta im Herbst erscheinen wird. Stell dich doch bitte mal kurz vor.
Helge: Mein Brettspielwerdegang wird einerseits vielen wie der eigene vorkommen und mich andererseits altermässig einigermassen einordnen: Als Kind Das Verrückte Labyrinth, Hase und Igel und Das Nilpferd in der Achterbahn, aus der Dorfbücherei an der Schleswig-holsteinischen Westküste Tal der Könige und Res Publica.
Auch bei uns zogen die Siedler ein. Dann irgendwann Hero Quest, Rollenspiele, Carcassone, Knizias – Herr der Ringe, und immer wieder Magic the Gathering, dazu jede Menge traditionelle Kartenspiele. Der richtige Einstieg in Brettspiele als eigenes Hobby kam mit den ersten Kennerspiel-Auszeichnungen, darauf folgten Essen-Besuche, und so weiter und so fort.
Aus meiner persönlichen Geschichte ist noch relevant, dass ich in der Finanzkrise 2008 recht erfolglos auf Jobsuche war. Über Freunde bekam ich das Angebot, für drei Sommermonate in Tromsø in Nordnorwegen zu arbeiten. Das hatte ich nach einem herbstlichen Besuch dort eigentlich kategorisch ausgeschlossen. Allerdings war ich wohl ziemlich verzweifelt, und habe trotzdem zugesagt. Dort habe ich am Siedler-Brett Anna getroffen, die ihre eigene lange Brett- und Kartenspiel und MtG-Historie hat. Wir wohnen mittlerweile in der Nähe von Oslo. In Norwegen bin ich auch nach über 13 Jahren noch. War wohl doch alles nicht so schlimm!
Brettspielbox: Wie kam die Zusammenarbeit mit den anderen drei Autoren Eilif Svensson, Anna Wermlund, Kristian Amundsen Østby zustande?
Wie das meiste in meinem Leben ist das zufällig passiert. Auf der Messe in Essen 2015 wollte ich mir eigentlich Avenue und Capital Lux von Aporta Games ansehen. An deren Stand war es aber immer zu voll. Nach der Messe habe ich die Spiele in einer norwegischen facebook-Gruppe zum Verkauf gesehen. Anna hat sich mit dem Verkäufer am Osloer Hauptbahnhof zur Übergabe getroffen. Die beiden haben festgestellt, dass sie den gleichen Zug nach Hause nehmen wollten. Der Verkäufer war Kristian, er wohnt im Nachbarort und sucht eigentlich immer Leute zum Spielen und Testspielen von Prototypen.
2018 haben wir dann schon das Spiel Rebel Nox zusammen entwickelt, und der Rest ist Geschichte.
Brettspielbox: Revive ist eine Art Zivilisationsspiel in einem postapokalyptischen Szenario. Kannst du ein wenig mehr zum Spiel sagen?
Die Postapokalypse ist in Revive sogar schon vorbei! Die Menschheit hat sie unterirdisch überwintert und sich dabei in verschiedene Strömungen aufgespalten. Nun trägt die Erdoberfläche wieder größere Populationen und neue Zivilisationen entstehen.
Uns war es wichtig, ein überwiegend positives Szenario zu schaffen. Eine post-postapokalyptische Welt! In der die Fraktionen zwar konkurrieren, aber Platz für alle ist, so dass es im Spiel nicht zu Krieg und Zerstörung kommt.
Brettspielbox: Was macht Revive besonders?
Ich könnte natürlich über die stark asymmetrischen Spielerfähigkeiten reden, oder wie gut uns das Aktions- und Ressourcensystem mit multi-use Karten gelungen ist, die in Karten-slots gespielt werden, die jeder Spielende für sich im Laufe des Spiels verbessert oder wie fantastisch das fertige Spiel aussieht.
Wirklich besonders wurde das Spiel aber dadurch, dass wir immer fest im Blick behalten haben, was wir schaffen wollten: Ein “großes” Euro, dass Erforschen, Entwickeln und Erkunden ohne trockenes Leistengeschiebe, endlose Grübelzüge, Würfelschlachten und ausuferndes Regelwerk bietet.
Revive ist weniger abstrakt als viele aktuelle Euros, hat mehr interaktive Momente und bietet sehr viel Spiel in einer überschaubaren Spielzeit. Um das zu erreichen, musste jeder von uns wirklich viele persönliche Lieblingsideen im Laufe des Designprozesses wieder gehen lassen. Aber es hat sich gelohnt!
Brettspielbox: Wie lange habt ihr an Revive gearbeitet. Das heißt, wann waren die ersten Ideen zum Spiel da?
Wir haben über drei Jahre an dem Spiel gearbeitet. Den ersten Protoyp hat Kristian nach einem Abend gebastelt, an dem wir lange über Euros und Civ-Spiele diskutiert hatten.
In Norwegen waren die Corona-Regeln meistens weniger streng als anderswo. Wir konnten daher glücklicherweise in fast der ganzen Periode und mit allen Spieleranzahlen testen.
Brettspielbox: Revive hat viel Material an Bord. Neben einem gemeinsamen Spielbrett gibt es auch noch einen umfassenden Spielerbereich? Hattet ihr bei den Testspielen nie Platzprobleme?
Eine berechtigte Frage! Das fertige Spiel ist nichts für den Zugabteil-Tisch auf der Heimfahrt von Essen, das stimmt. Allerdings kann ich versprechen, dass wir hier nichts künstlich aufgeblasen haben, jeder Quadratzentimeter wird funktionell genutzt! Naja, fast jeder. Sehr schöne Grafik hat das Spiel auch.
Brettspielbox: Was war zuerst da, die Mechanik oder das Thema?
Die ersten Ideen haben sich aus der oben beschriebenen Diskussion ergeben. Dabei ging es auch um Themen, aber der Fokus war schon auf Mechaniken. Allerdings wussten wir ja, welches Erlebnis wir schaffen wollten. Daher wurde das Thema früh wichtig. Revive ist keins von den Spielen, bei denen Prototypen auch schon von Vineta, Smoothies oder Affen gehandelt haben.
Brettspielbox: Wie seid ihr auf das Thema gekommen? Wollt ihr mit dem Thema eine besondere Botschaft senden?
Da kann ich in erster Linie für mich selber sprechen. In meinem Alltags-Job geht es um das Klima und die Katastrophe, die dein und mein Lebensstil hervorrufen. Das steht mir so klar vor Augen, dass ich in Spielen keine direkte Botschaft dazu brauche oder suche.
Mir war ein positiver und eskapistischer Grundton wichtig. Allerdings gäbe es keine Post-Post-Apokalypse ohne Post-Apokalypse, und die wiederum…. naja.
Brettspielbox: An welchen Spielertyp richtet sich Revive?
Man muss ganz klar Lust auf ein paar Seiten Anleitung und die angegebene Spielzeit haben. Wer Aporta-Spiele kennt, weiss, dass Kristian und Eilif Regeln extrem gut herunterschleifen können. Der Einstieg ist also hoffentlich recht reibungslos. Trotzdem ist Revive wohl das, was man ein gehobenes Kennerspiel oder einfacheres Expertenspiel nennen würde. Es gibt viel Interaktion, auf der gemeinsamen Karte zum Beispiel, aber keinen direkten und destruktiven Konflikt. Jeder, der gerne auf der Basis asymmetrischer Fähigkeiten ein eigenes Tableau aufbaut und dabei um Orte und Meilensteine mit anderen Spielenden konkurriert, wird Revive mögen.
Brettspielbox: Revive ist zu Essen erhältlich (Matagot Stand 3-E107)?
Hier antworte ich, so gut ich kann: Ja, aber.
Der Verkauf von Aporta liegt bei Matagot. Das Spiel ist also an deren Stand zu erwerben. Wer es antesten will, ist am Aporta-Stand herzlich willkommen.
Auf matagot-friends.com/ wird es die Möglichkeit geben, das Spiel vorzubestellen. Der Link wird auch bei boardgamegeek in den Foren zu Revive auftauchen. Darüber hinaus werden ein oder zwei Paletten Spiele zum freien Verkauf in Essen sein. Die gesamte Auflage rechtzeitig anliefern zu lassen war aufgrund der bekannten Komplikationen nicht möglich. Diese Angaben sind, wie bei vielen Spielen dieses Jahr, auch noch unter dem Vorbehalt, dass extreme, unvorhergesehene Dinge in der Lieferkette passieren können.
Brettspielbox: Das Spiel ist bis auf die Anleitung – nahezu sprachneutral. Wird es die Anleitung auch zu einem späteren Zeitpunkt auf deutsch geben?
Ich hoffe sehr! Und hülle mich darüber hinaus in vieldeutiges Schweigen.
Brettspielbox: Gibt es noch etwas, was du zum Spiel loswerden möchtest. Vielleicht einen Tipp zum Einstieg?
Von uns Designern ist keiner ein regelmässiger Solo-Spieler. Zum Glück haben wir mit Kjetil Svendsen einen sehr eifrigen Solisten in der Bekanntschaft. Er war sowieso schon ein Tester und hat dann zusammen mit Kristian intensiv an dem Solo-Modus gearbeitet. Ich gehe deswegen davon aus, dass auch Solo-Spieler bei Revive auf ihre Kosten kommen werden!
Noch nicht erwähnt hatte ich, dass einige Inhalte über eine Kampagne vorgestellt werden. Im Laufe von 5 Spielen erfahren die Spielenden mehr über die Welt und lernen unter anderem die B-Seiten ihrer persönlichen Bretter kennen. Alle Kampagnen-Inhalte sind vollständig modular, alle Szenarien unabhängig spielbar, und wer absolut will, kann auch gleich mit allem Inhalt einsteigen.
Mein wichtigster Tipp ist sonst nur: Habt Spaß!
Brettspielbox: Vielen Dank für das Interview
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