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REVIEW | Rezension Brettspiel Tower Up

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Brettspielbox Brettspiele

Ein typischer Fall von „Denkste!“: Das Brettspiel Tower up kommt ein wenig wie ein graues Mäuschen daher. Das Cover ist nicht schlecht, wirkt aber recht technisch, kühl und statisch. Das Plastikmaterial im Inneren lässt auch zunächst ein wenig die Nase rümpfen über den fehlenden Nachhaltigkeitsgedanken. Alles in allem erwartet man rein oberflächlich ein Spiel, das aus den 90er Jahren gefallen zu sein scheint. 

Wer sich dann aber ranmacht und Tower up ausprobiert, wird positiv überrascht sein. Woran das liegt, versuche ich im Folgenden zu ergründen. 

Carina


In Tower up übernehmen wir die Rolle von Baufirmen, die damit beauftragt werden, das Stadtzentrum im Wettstreit mit anderen Baufirmen weiter auszubauen. Dazu errichten wir Hochhäuser und müssen das richtige Baumaterial beschaffen. Sind wir an der Reihe, entscheiden wir uns daher entweder dafür, eine Karte aus der offenen Auslage zu nehmen und damit Baumaterial zu erhalten, oder an der Stadt weiterzubauen.

Entscheiden wir uns für eine der drei ausliegenden Karten, dürfen wir uns das darauf abgebildete Baumaterial nehmen. Dieses sind Bauelemente in den Farben Grau, Braun, Schwarz oder Weiß.

Hin und wieder sind auf den Karten auch Baustellenfahrzeuge abgebildet. Die Anzahl der abgebildeten Baufahrzeuge entspricht der Anzahl der Schritte, die wir mit dem entsprechenden Fahrzeug auf unserem Tableau fahren dürfen. Je weiter das Fahrzeug im Laufe des Spiels gelangt, desto mehr Punkte bekommen wir bei Spielende dafür.

Mit den Fahrzeugen dürfen wir auch weiterfahren, wenn wir uns für das Bauen entscheiden. Dies tun wir auf dem ausliegenden Spielplan, der Bauplätze in fünf unterschiedlichen Stadtteilen bietet. Beim Bauen bestehen klare Regeln: Ich muss immer auf einem leeren Feld benachbart zu einem bereits bestehenden Gebäude bauen. Gleichzeitig ist zu beachten, dass ich immer in einer anderen Farbe als meine Nachbargebäude baue, die ich zudem alle ebenfalls um ein Stockwerk erhöhen muss.

Zum Abschluss meiner Bauaktion lege ich auf eines der soeben neu errichteten Stockwerke ein Dach in meiner Spielerfarbe. Für dieses Gebäude erhalte ich dann auch Schritte auf der jeweiligen Leiste und trage diese mit meinen Baustellenfahrzeugen ab. Je Stockwerk darf ich mit dem Baustellenfahrzeug der zum Gebäude passenden Farbe einen Schritt auf der Leiste voranschreiten. Ziehe ich dabei ein Fahrzeug als letztes über bestimmte Linien auf dem Tableau, bin ich sogar nochmal an der Reihe.

Bei Spielende bringen uns diese Leisten die Punkte, die über der Spalte abgedruckt sind, auf der das jeweilige Fahrzeug schließlich landet. Eine weitere Leiste bringt Punkte dafür, wie viele meiner Dächer ganz oben auf Gebäuden sichtbar sind, sobald ich meinen letzten Spielzug gemacht habe. Zuletzt kann ich noch Punkte für ausliegende „Stadtbauziele“ erhalten. Je schneller ich dies Aufgaben auf diesen Karten erfülle, desto mehr Punkte (7/5/3) kann ich erhalten. Aufgaben können darin bestehen, an bestimmten Orten auf dem Spielplan vertreten zu sein oder in bestimmten Gebäuden Dächer platziert zu haben. Wer am Ende die meisten Punkte erzielen konnte, gewinnt Tower up.

Für das Spiel zu Dritt und zu Viert wird der gesamte Spielplan verwendet. Für das Spiel zu Zweit wird die andere Seite des Spielplans verwendet, der einen kleineren Stadtplan zeigt.

Brettspiel Regeln

Spielregeln (ext. Link zu Pegasus)


Tower up hat eine sehr gute redaktionelle Bearbeitung durchlaufen – das merkt man der Spielanleitung an, erstreckt sich über die Gestaltung von Schachtel und Spielmaterial und mündet nicht zuletzt im gestreamlineten Spielablauf.

Tower up bietet ein übersichtliches Regelwerk, das großzügig illustriert ist und am Ende auch Raum für Klarstellungen, Erläuterungen sowie Variantenempfehlungen hat. Der reine Spielablauf passt auf eine Doppelseite (!!), was deutlich macht, dass wir es hier wirklich mit wenigen Vorschriften zu tun bekommen. 

Fluffiger Stadtbau

Der Spielablauf ist auf das Wesentliche eingedampft und lässt dabei doch überraschend viel Raum für taktische Entfaltung. Die erste, lediglich „notwendige“ und wenig spannende Aktion, ist das „Karte auswählen und Baumaterial nehmen“. Dies muss man durchführen, um handlungsfähig zu sein. Hier wurde in den Spielrunden schonmal als ungerecht empfunden, dass immer die gleichen Spielenden zufällig Zugriff auf Karten mit vier Stockwerken erhalten können. Aber ausgleichend besteht der Nachteil darin, dass die Farben der verfügbaren Steine auf zwei eingeschränkt sind.

Die spannendere Aktion ist sicherlich das Bauen mit den tollen, einfachen Bauregeln, die in einen, höchsten zwei Sätze passen und damit sehr eingängig sind. Spätestens bei der zweiten Bauaktion sind diese Regeln erlernt. Gleichzeitig lassen sie viel Raum für die interessanten kleinen Entscheidungen, die das Spiel auf diese Weise mit sich bringt. 

Immer noch eins draufsetzen

Beim Bauen möchte ich mit wenig Baumaterial effektiv bauen und mein Dach schließlich noch so platzieren, dass möglichst niemand dieses mehr überbaut. Da entsteht bereits die Zwickmühle: Setze ich mein Dach auf ein hohes Gebäude, an dem noch weiter gebaut werden kann, erhalte ich zwar viele Schritt auf der Leiste, kann aber sicher mein Dach nicht oben auf dem Gebäude liegend in die Schlusswertung bringen.

Lege ich mein Dach dann lieber auf das Stockwerk, das ich gerade neu errichtet habe und komme dann auf der Leiste nicht voran? 

Ein typisches Erstpartieproblem: Man bekommt es noch nicht so gut hin, seine Dächer so zu platzieren, dass man später nicht noch überbaut wird. Hier liegt ein Schlüssel, um bei der Schlusswertung nochmal gut Punkte zu machen. Spielt man mit erfahreneren Spielenden, wird man hier anfangs weniger erfolgreich sein.

Ich baue was, was Du nicht siehst

Ein weiterer wichtiger Gedanke: Kann ich mit meiner Bauaktion vielleicht einem der Stadtbauziele näherkommen oder gar erfüllen und mir so wichtige Punkte sichern? Oder kann ich ggf. einen Doppelzug machen, weil ich mit meinem Fahrzeug noch schnell über die Linie auf meinem Tableau husche, und so einem Konkurrenten zuvorkomme? Oder liefere ich meinen Mitspielenden mit meiner Bauaktion eine viel zu gute Vorlage für deren nächsten Zug? Zumindest hier kann ich auf deren Baumaterial schauen und entsprechende Rückschlüsse auf mögliche Optionen ziehen.

Wer möchte, kann Tower up sehr taktisch spielen. Durch die Bauregeln und die entsprechenden Zwänge hinsichtlich des Baumaterials kann man sich Karten aus der Auslage wegnehmen, Bauplätze verbauen und andere damit ordentlich behindern. Meist wird man aber eher an sein eigenes Vorankommen denken. Man ärgert sich und liegt im Wettstreit, aber ein richtiges Zankspiel ist Tower up nicht.

Sweet Spot und Wiederspielreiz

Im Spiel zu Zweit – auf dem kleinen Spielplan – ist alles überschaubarer, hat aber ein bisschen weniger Reiz. Tower up lässt sich so aber gut erlernen. Der Sweet Spot liegt sicherlich bei drei Mitspielenden, zu viert kann es schonmal unübersichtlich werden, funktioniert aber weiterhin gut. Das Spielende kommt übrigens meist sehr plötzlich. Aber die Spielzeit ist auch in allen Runden angenehm, so dass es kurzweilig bleibt. 

Nach der Erstpartie reizt es einen schon, noch besser zu werden. Ich möchte noch weiter kommen bei den Leisten, ich möchte bei der Schlusswertung mehr Dächer obenauf liegen haben und ich möchte noch schneller die Stadtbauziele erreichen. Durch die Aufgabenkarten entwickelt sich der Stadtbau in jeder Partie ein wenig anders und auch der Anspruch des Spiels lässt sich ein wenig lenken. Die Aufgabe, mit der man in vier Häusern auf unterschiedlichen Ebenen mit einem Dach vertreten sein soll, verwendet man besser nicht in der Erstpartie (für die es ja auch eine klare Empfehlung in der Spielanleitung gibt), sondern versucht das erst ein wenig später.

Spielmaterial: Für und Wider

Das Spielmaterial trägt ganz klar zum Spielspaß bei. Die meisten sind anfänglich von der Masse an Plastik in der Schachtel erschlagen, jedoch muss man zugeben: Das macht hier Sinn.

Die Stockwerke und Dächer – alles passt supergut aufeinander und wackelt nicht. Die Häuser sind stabil und leicht zugleich. Mit Holzteilen hätte sich das sicher nicht lösen lassen. Optisch hingegen: Die Dachfarben sind zwar sicherlich gut geeignet für Farbfehlsichtige, aber so ein braunes Hochhaus mit allen Dächerfarben ist nicht zwingend als „hübsch“ zu bezeichnen.

Die Inlays sind ebenfalls Vollplastik, aber mit ihnen ist das Spiel in Nullkommanichts aufgebaut. 

Die Kartenauslage ist gut sichtbar für alle. (Meckern auf ganz hohem Niveau und in Klammern: Der Ablagebereich für die genutzten Karten ist ein Hauch zu eng geraten.)

Die Spielerboards sind schlicht, aber funktional, die kleinen Baustellenfahrzeuge extrem niedlich. Die kleinen Pylone erzeugen meist Verzückungsausrufe. Alles lädt dazu ein, bei Spielende tolle Fotos mit den Fahrzeugen zwischen den erbauten Hochhäusern zu machen. 

Nicht zuletzt liegt die Faszination des Spiels auch immer darin, dass man vor sich etwas aufbaut, erschaffen hat und im wahrsten Sinne des Worte Aufbauarbeit leistet.

Letzter Gedanke: Schön mitgedacht! Die weiße Pappe, die man beinahe wegwirft, schützt den Spielplan vor Pieksern der Plastikteile. Hätte man aber als Tipp mit in die Regeln schreiben sollen. 

  • Sehr gut durchdachtes Spielmaterial und ansprechende Ausstattung
  • Einfache und zugängliche Spielregeln, die zudem viel Spieltiefe und taktisches Vorgehen zulassen
  • Angenehme Spiellänge in allen Rundengrößen
  • Viel Plastikmaterial enthalten

Tower up ist ein gelungenes Stadtbauspiel, das vor allem durch seine zugänglichen Bauregeln überzeugt, die gleichzeitig eingängig sind, aber auch viel Platz für taktische Entscheidungen lassen. 

Der Reiz des Spiels besteht darin, planvoll zu bauen und Ziele möglichst gut umzusetzen, ohne den Mitspielenden Vorlagen zu bieten und dabei auch noch am schnellsten die allgemeinen Stadtbauziele zu erreichen. Das Spielmaterial und die Ausstattung tragen ihren Teil zum Gelingen bei und sind clever durchdacht, wenn auch sehr plastik-lastig. 

Alles in allem ein überzeugendendes Gesamtpaket! Für Vielspielende ist Tower up sicher aufgrund der fehlenden Langzeitherausforderung kein Pflichtkauf. Für eher wenig Spielende, Familien oder Spieletreffs ist es allerdings optimal geeignet und kommt in solchen Runden auch immer gut an. Und vor allem unter dem letztgenannten Aspekt fällt auch meine Wertung entsprechend aus:

AUTOR: Grégoire Largey, Frank Crittin, Sébastien Pauchon
ARTIST: Nadége Calegari, Laurent Escoffier, Geoffrey Stepourenko
VERLAG:
Pegasus
ERSCHEINUNGSJAHR: 2024

2-4 Spielende

8 Jahre

30-45 Min.

1 COMMENT

  1. Was soll ich da noch zu schreiben. Perfekt zusammen gefasst. Ich unterschreibe hier alle Aspekte. Danke für die tolle Rezi. Tolles Spiel zu einem tollen Preis. Das stimmt das Verhältnis wieder mal. Ein Spiel für Familien und Kenner. Es hat einiges zu bieten.

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