Sonntag, Dezember 22, 2024
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REVIEW | Rezension Brettspiel Sea, Salt & Paper

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Sea Salt & Paper fällt auf – ein Brettspiel in Origami-Optik ist wirklich mal was anderes! Origami liebe ich seit den 80er Jahren, wo ich im Ferienprogramm im Fernsehen Origami falten lernte und danach auch noch ein entsprechendes Buch zu Weihnachten bekam…

Aber ich schweife ab: Hier geht es doch eigentlich um ein Kartenspiel, das einen interessanten Zocker-Kniff beinhaltet, der es besonders macht…

Carina Brachter

Sea Salt & Paper steht auf der Empfehlungsliste zum Spiel des Jahres 2023


SPIELBESCHREIBUNG

Sea Salt & Paper ist ein Kartenspiel mit 58 Karten. Es wird über mehrere Runden gespielt, bis 40 Punkte bei 2, 35 bei 3 oder 30 Punkte bei 4 Spielenden erzielt wurden. Wer diese Punktzahl als erstes erreicht, gewinnt das Spiel.

Ist man am Zug, kann man vom Nachziehstapel zwei Karten ziehen, darf aber nur eine davon auf der Hand behalten. Die andere Karte wird offen auf einen der beiden Ablagestapel abgelegt. Alternativ darf auch direkt eine Karte vom einem der zwei  Ablagestapel aufgenommen werden.

Im Anschluss darf der Spielende Kartenpaare ausspielen, sofern er diese auf der Hand hat. Mit ihnen erhält man eine zusätzliche Karte – entweder vom Stapel, den beiden Ablagestapeln, durch einen weiteren Zug oder von der Hand eines Mitspielenden. Andere Karten werden auf der Hand gesammelt. Die meisten Kartenarten sollte man auf unterschiedliche Weisen im Sets sammeln – da gibt es die unterschiedlichsten Kombinationen, an Punkte zu gelangen.

Zudem gibt es noch die Meerjungfrau. Sie bringt zum einen Punkte für Karten gleicher Farbe, zum anderen hat man das Spiel sofort gewonnen, falls man es mal schaffen sollte, alle vier von ihnen auf der Hand zu haben. 

Falls genau das nicht passiert, verläuft Zug um Zug bis ein Spielender die Runde beendet. Dies kann auf zwei Weisen geschehen:

  • Er beendet die Runde, indem er nach seinem Zug STOPP sagt. Dann zählen alle Spielenden ihre Punkte, die dann für alle notiert werden. Dies darf man aber erst, sofern man 7 Punkte oder mehr angesammelt hat. 
  • Er sagt, nachdem er mindestens 7 Punkte erzielen kann, „Letzte Chance“ an, offenbart seine Karten und zeigt damit an, wie viele Punkte es zu schlagen gilt. Dann sind alle noch einmal an der Reihe. Wird er nicht überboten, erhält er seine Punkte und einen zusätzlichen Farbbonus. Wird er überboten, erhält er nur einen Farbbonus.

Die Punkte werden notiert und es geht in die nächste Runde bis die oben genannte Punktzahl erreicht wurde. Falls eine Runde dadurch endet, dass der Nachziehstapel leer ist, erhält niemand Punkte



AUTOR: Bruno Cathala, Théo Riviere ■ GESTALTUNG: Lucien Derainne, Pierre-Yves Gallard 
VERLAG: Bombyx, Deutsch: MM Spiele ■ ERSCHEINUNGSJAHR: 2022/2023 

spieler

2-4 Spieler

alter

ab 8 Jahren

zeit

ca. 30 Minuten

Spielregeln (ext. Link zu BGG – Deutsch)


SPIELGEFÜHL

Anmerkung: Ich habe mir das Spiel auf Basis der Ausgabe von Bombyx angeschaut. Die Inhalte und Unterschiede zur deutschen Ausgabe kenne ich nicht.

Ein optisches Schmankerl

Sea Salt & Paper hatte ich bereits auf der SPIEL22 im Auge und es war eines der ersten Spiele, die in der Einkaufstasche gelandet sind. Der primäre Grund: Ich hatte mich vom Fleck weg in die Optik verliebt. Wie eingangs erwähnt, habe ich mich in den 80ern selbst an Origami versucht – zu der Kunst, die die Karten von Sea Salt & Paper zeigen, habe ich es aber leider nie gebracht. Obwohl, den Pinguin habe ich sogar auch mal geschafft! Toll, dass man mal einen neuen Weg geht, der auffällt und sich vom generischen Einheitsbrei abhebt. Ggf. hat es das Spiel dank der Optik in die erste Reihe geschafft, denn sonst wäre die kleine Schachtel eventuell übersehen worden.

 Auch spielerisch mit Kniff und Pfiff

Aber Sea Salt & Paper ist nicht nur schön anzusehen, es hat auch spielerisch einiges zu bieten. Es ist erstaunlich, was mit den 58 Karten in der kleinen Schachtel, die man eigentlich immer in der Tasche dabeihaben kann, so alles anstellen kann. 

Allerdings sind die Regeln zunächst etwas holprig zu vermitteln. Der grundsätzliche Spielablauf, Karten ziehen, sammeln und ggf. ablegen, könnte einfacher kaum sein. Wenn man dann aber dazu kommt, das Rundenende zu beschreiben, schaut man gerne mal in fragende Gesichter. Das Stoppen bei 7 Punkten oder mehr ist dabei nicht das Problem, sondern die „Letzte Chance“ und ihre Auswertung. Dabei liegt doch darin der größte Reiz des Spiels.

Letzte Chance!

Mit der Ansage der letzten Chance gehe ich im Prinzip eine Wette ein. Ich tue dies in dem Glauben, dass ich derzeit über die meisten Punkte aller Spielenden verfüge und auch noch führe, wenn alle nochmal an der Reihe waren. Dieses Zockerelement macht Sea Salt & Paper besonders, denn es ist doch immer ganz schön kribbelig, die letzten Züge meiner Mitspieleden abzuwarten und mitanzusehen, wie meine Wette ausgeht…

Grundlage für eine erfolgreiche Ansage der „Letzten Chance“ ist, dass man immer mitverfolgt, was am Spieltisch geschieht. Ich sollte versuchen, darauf zu achten, was andere so sammeln, was sie abwerfen, welchen Teil des Ablagestapels sie abdecken und welchen sie offen lassen, wie viele Karten sie auf der Hand haben und andauernd daraus ein Bild kreieren, um einzuschätzen, wo ich selber im Verhältnis dazu stehe. Man sollte lernen, das Spiel zu „lesen“. 

Das Spiel will gelernt sein

Das kann man ganz klar nicht in der ersten Partie. Sea Salt & Paper will gelernt sein. Erst nach ein paar Runden trauen sich neue Spieler:innen, eine Runde aus eigenem Antrieb zu stoppen, – gerne begleitet von einem „Ich sag jetzt einfach mal Stopp!“ – ein bisschen so, als müsse man sich vorher noch Mut antrinken. 

Ein paar weitere Runden dauert es, bis sich jemand zu einer „Letzten Chance“ hinreißen lässt. Ein mutiger Sprung in den dunklen Abgrund: Was passiert dann? Komme ich damit durch? Scheitere ich?

Nach ein paar Partien Sea Salt & Paper ist das allerdings völlig vergessen. Da wird gezockt, was das Zeug hält und mit jeder weiteren Partie werden die Spielverläufe dadurch immer turbulenter. Da werden waghalsige „Letzte Chance“-Manöver durchgeführt, dass es kracht. Da gehen die Punktstände in die Extreme, da liegt schonmal jemand mit 25 Punkten Abstand vorne, manchmal gibt es ein total spannendes Fotofinish auf der Zielgeraden.

Am Anfang, am Ende und zwischendrin

Hat man Sea Salt & Paper dann erstmal richtig durchdrungen, ist es extrem schnell gespielt. Spielt man es beispielsweise auf Boardgamearena (ohne Grübler), kann eine Partie nach 10 Minuten gelaufen sein. Auch physisch am Tisch liegt man nur in Vollbesetzung und bei hart umkämpften Punktezahlen bei den auf der Schachtel angegebenen 30 Minuten.

Aufgrund der kurzen Spieldauer eignet sich das Spiel bei denen, die es kennen, durchaus gut als Eröffnungsspiel oder Absacker. Da es in jede Tasche passt, kann es quasi auch immer dabei sein und zu jeder Gelegenheit auf den Tisch kommen. 

Natürlich spielt auch das Glück mit

Sicherlich verstehe ich alle, die schimpfen und sagen: „Was nützt es mir denn, wenn ich Matrosen sammle, aber in dem ganzen Stapel gibt es nur zwei und wenn ich Pech habe, liegt der zweite ganz unten!“ Ja, das ist blöd, das ist klar, aber niemand sagt, dass es sich hier um ein komplett durchplanbares Spiel handelt.

Was man beeinflussen kann, ist, dass man attraktive Karten nicht auf dem Stapel liegen lässt. Man kann die Mitspielenden bestehlen. Man kann aufmerksam verfolgen, was andere sammeln, um nichts dergleichen auf den Ablagestapel zu werfen. Und man sollte sich mal was trauen, nicht zu lange warten mit der „Letzten Chance“ – es ist schließlich doch nur ein Spiel!


Zusammenfassung

Sea Salt & Paper ist ein kleines Kartenspiel, das durch seine außergewöhnliche Origami-Optik ins Auge fällt. Am Anfang muss eine kleine Hürde im Spielverständnis überwunden werden, was aber nicht daran liegt, dass das Spiel kompliziert wäre. Im Gegenteil, es ist recht einfach und schnell gespielt, wenn man sich auskennt.

Anfänglich muss man allerdings ein bisschen reinkommen in das mögliche Ende einer Runde und sich auch ein wenig trauen, hier mal die Initiative zu ergreifen. Sobald dies verstanden ist, kennt man den eigentlichen Kniff des Spiels und fängt im besten Falle an, dieses Zockerelement ins Herz zu schließen. Sea Salt & Paper ist dann für alle Runden jederzeit bestens geeignet.

  • Tolle, außergewöhnliche Origami-Optik, die viele begeistert
  • Schöner Kniff am Rundenende mit reizvollem Zockerelement
  • Hat man das Spiel erst einmal kennengelernt, passt es für alle Runden und zu jeder Gelegenheit
  • In den ersten Partien müssen die beiden Möglichkeiten des Rundenendes gelernt werden – daher ist dies Anfang für den ein oder anderen ein wenig holprig
  • Glückselemente können auch mal großen Einfluss auf den Spielverlauf nehmen.
  • Man sollte den Spielverlauf ein wenig im Kopf behalten können – wer das nicht tut oder kann, wird abgehängt

Aus meiner Spielerperspektive: Sea Salt & Paper hat es mir von Anfang an angetan. Ich hatte es vor der SPIEL22 bereits auf Boardgamearena kennengelernt und war daher schnell überzeugt. Den Kauf habe ich nicht bereut – im Gegenteil: Während der Messe war ich fünfmal bei Bombyx am Stand und habe das Spiel auch noch für andere gekauft, denen ich entsprechend vorgeschwärmt hatte. Bisher habe ich viele Partien gespielt und das Spiel hat seinen Reiz für mich nicht verloren – es wird noch häufig auf den Tisch kommen.

Zweite Meinung Tim

In den Diskussionen um das Spiel des Jahres wurde auch viel über Sea Salt and Paper gesprochen. Bisher hatte ich mich um das Spiel gedrückt, weil mich die Illustrationen nicht wirklich abgeholt haben. Dann ist es auf der Board Game Arena implementiert worden und ich wurde doch überredet es mal auszuprobieren.

Wie bei Carina, mussten wir auch erst das Spiel lernen – etwas, was wir von einem kleinen Kartenspiel gar nicht gewohnt waren. Die erste Partie hat mehr Fragezeichen hinterlassen als so manches Kennerspiel und das hat nicht mit dem Regelwerk selbst zu tun. Gerade der „Letzte Chance“ Mechanismus hat einige Partien benötigt, bis wir verstanden hatten, wie er gespielt werden möchte.

Aber als wir das dann verstanden hatten, entwickelte sich Sea Salt and Paper zu einem schnellen, intensiven Wettkampf, der in allen Konstellationen gut gespielt werden kann. Wobei ich das Spiel am liebsten zu Zweit – als gnadenloses Duell – spiele.

Und mittlerweile habe ich auch die Illustrationen zu schätzen gelernt.  

2 Kommentare

  1. Wieder mal hast du eine treffende Rezension geschrieben, über ein wirklich tolles kleines Kartenspiel mit einem tollen Zockerelement. Dieses Spiel will ein Zockerspiel sein, nicht mehr und nicht weniger und deswegen kann ich gerade erfahrene Spieler nicht verstehen, die diesem Spiel vorwerfen glückslastig zu sein.
    Sie kennen jedes Experten- und Kennerspiel bevor sie es überhaupt ausgepackt haben und werfen diesem Spiel vor dass es pures Glück ist. Warum packen Sie es dann an, das kann ich immer wieder nicht verstehen, wenn über einfache Spiele gesprochen wird. Auch so ein Satz wie „…nach drei Parien habe ich alles gesehen“ lässt mich nur müde lächeln.

    Hier bei mir feiert das Spiel absoluter Erfolge, wenn die ersten Hürden überwunden sind und man erkennt was in diesem kleinen Highlight steckt. Für mich ein Topspiel auf dem Tisch und auch in der Boarddamearena.

    Top Spiel und Top Rezension. Dafür danke!

    • Danke für Dein liebes Feedback, das freut mich sehr!
      Und ich kann mich nur anschließen: Dieses Spiel will ein Zockerspiel sein, nicht mehr und nicht weniger. Und ich finde es toll, dass es solche Spiele gibt, die nämlich dringend neben den großen Klappern auch benötigt werden.

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