Home Jahr 2022 REVIEW | Rezension Brettspiel Jamaica

REVIEW | Rezension Brettspiel Jamaica

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Yo-ho, Ihr Piraten – alle Mann an Bord und auf geht es auf Schatzjagd!“ Das Renn- und Beutespiel „Jamaica“ der Space Cowboys steht nun in einer leicht überarbeiteten Neuauflage zur Verfügung, mit der man das vermeintliche Piratenfeeling des 17. Jahrhunderts auf den Tisch zaubern kann. Wer sich noch als Freunde zu einer gemeinsamen Partie an den Tisch setzte, steht ggf. als (vorübergehende) Feinde wieder auf – so viel kann ich versprechen! Hier heißt es „Einstecken können“ – sonst sollte man gar nicht loslegen. Auf gehts, wir stechen in See!

Carina Brachter


SPIELBESCHREIBUNG

Jede:r Spieler:in wählt einen der sechs legendären Piratencharaktere und nimmt sich das entsprechende Kartendeck bestehend aus 11 Handkarten. Zudem erhalten alle noch ein Tableau bestehend aus fünf Laderäumen. Zum Spielstart lagern dort jeweils drei Proviantplättchen und drei Golddublonen. 

In der Tischmitte liegt der Spielplan mit der Insel Jamaica, die wir mit unseren Schifffiguren auf dem Spielplan umrunden werden. Ziel ist der Hafen von Port Royal. Wer dort als erstes eintrifft, löst das Spielende aus. Gewonnen hat dann, wer die meisten Punkte besitzt. Die Punkte setzen sich zusammen aus den Schatzkarten in eigenem Besitz, der Zahl, auf der unser Schiff den Rundkurs beendet, und den Golddublonen in unseren Laderäumen.

Wer an der Reihe ist, würfelt und entscheidet dann, in welcher Reihenfolge die beiden Würfel auf das Navigationsgerät eingesetzt werden. Welcher Würfelwert gilt also für das linke Symbol auf den Aktionskarten auf der Hand und welcher für das rechte Symbol. Alle suchen nun eine entsprechende Aktionskarte aus den drei Handkarten und legen diese verdeckt vor sich aus. Wer gewürfelt hat, darf seine Aktionen als erstes ausspielen. Aus der Kombination Würfel und Karte entscheidet sich dann, ob

  • man sich auf dem Rundkurs um die Inseln mit seinem Schiff nach vorne bewegt,
  • das Schiff nach hinten bewegen muss,
  • man Golddublonen erhält,
  • Proviant an Bord nimmt, 
  • oder sich mit Kanonen für den nächsten Kampf rüstet.

Je nach Feld, auf dem man landet, entstehen Abgaben: Auf einem Hafenfeld zahlen wir die dort verlangte Menge an Dublonen, auf Seefeldern müssen wir Proviant abgeben, um unsere Crew durchzufüttern. Landen wir als erste in einem Piratennest, dürfen wir eine Bonuskarte zur Belohnung ziehen. Diese bringen Schätze oder Verbesserungen – manchmal aber auch Flüche – mit sich.

Landen wir auf einem Feld mit einem Mitspielenden oder landet ein Mitspielender auf unserem Feld, kommt es zum Kampf, der mit dem Kampfwürfel sowie ggf. aus unseren Laderäumen stammenden Kanonen ausgefochten wird. Wer den höheren Wert erzielt, darf den Kontrahenten bestehlen und einen Laderaum oder eine bereits erbeutete Bonuskarte stehlen.

Nachdem alle ihre Aktionskarten gespielt haben, ziehen alle eine Aktionskarte vom Nachziehstapel auf die Hand. Die Würfel werden nach links weitergegeben und die nächste Runde beginnt.

Zu erwähnen sind noch zwei Punkte: 

Wichtig ist, dass immer dann, wenn wir neue Fracht an Bord nehmen, und unsere Laderäume bereits gefüllt sind, Ladung zwangsläufig über Bord werfen müssen. Und das muss immer eine andere Sorte Ladung sein. Nehmen wir also neue Golddublonen an Bord, muss dafür ein Laderaum mit Proviant oder Kanonen leer geräumt werden.

Des Weiteren müssen wir immer den Mangelwürfel würfeln, wenn wir die Abgabe auf dem Feld, auf dem wir landen, nicht zahlen können. Dadurch muss das Schiff zurückgehen und das wirft einen ggf. ordentlich zurück. 



AUTOR: Bruno Cathala, Malcom Braff, Sebastien Pauchon ■ ILLUSTRATIONEN: Mathieu Leyssenne
VERLAG: Space Cowboys ■ ERSCHEINUNGSJAHR: 2022

3-6 Spieler

ab 8 Jahren

ca. 30-60 Minuten

Spielregeln (ext. Link zu Asmodee)


SPIELGEFÜHL

Willkommen im gefährlichen Teil der Karibik!

Wer Lust auf ein Piratenspiel hat, ist mit Jamaica genau an der richtigen Adresse! Kaum ein Spiel vermittelt die verklärte Piratenromantik besser und bereits nach wenigen Minuten rutscht hier mindestens einem am Spieltisch ein „Yo-ho-ho“ über die Lippen. 

Viele Elemente des Spiels tragen zu diesem stimmungsvollen Ambiente bei: Die abgewetzten Laderäume, die schon eine Menge Beute gesehen haben, die Aktionskarten, die in bunten Bildern das Piratenleben schildern, die schimmernden Golddublonen (falls euch die Gier noch nicht erwischt hat, schaut euch die Rückseite des Spielplans an!) sowie die einzelnen Piratencharaktere, deren meist sehr kurzes Leben auf der Rückseite der Spielregel skizziert ist. Zusammen mit dem Spielplan und den kleinen Schiffen, die dort hart am Wind segeln, haben wir schnell das Gefühl, dass wir als taffe Jungs und Mädels die Karibik unsicher machen.

Schnell erklärtes Gateway-Game 

Jamaica ist außerdem wirklich schnell erklärt, sehr zugänglich und auch optimal als Gateway-Spiel geeignet. Dabei kann man Neulinge mit dem Spiel auch alleine lassen, denn die Regeln sind für mich eines der Highlights des Spiels – Lob mit Sternchen für die Aufbereitung, leichte Erklärung, Bebilderung jeden einzelnen Schrittes, und nicht zuletzt des tollen Registers am Rand, mit dessen Hilfe man immer schnell die passende Stelle in den Erläuterungen finden sollte. 

Aber auch erklärt ist Jamaica flott und so kommen auch Neu- und Wenigspieler schnell rein – gepaart mit so einem „typischen“ Thema also eine sichere Bank für die Wahl eines Erstlings beim Spieleabend mit Neulingen.

Mit Vielen hinein ins Getümmel

Es muss aber klar sein: Jamaica ist darauf ausgelegt, dass man sich NICHT aus dem Weg geht. Der Witz des Spiels besteht darin, sich gegenseitig auf die Mütze zu geben und – garniert mit ein bisschen Trash Talk – sein Schiff möglichst schnell in Richtung Port Royal und damit auf lukrative Felder für die Endwertung zu bugsieren.

Zu Zweit geht das auch, da hier noch ein Geisterschiff ins Spiel kommt, ist aber nicht erstrebenswert. Mit drei Spieler:innen fängt es an, Spaß zu machen, ab vier greift das System der gewollten Konfrontation aber erst richtig gut. Hier kann man sich meist nicht mehr aus dem Weg gehen und es können Kettenreaktionen entstehen, die sehr witzig sind – vor allem für die Sieger. Der oder die Unterlegene fragen sich dann, wie es passieren konnte, dass das Schiff vor drei Minuten noch bis unters Dach beladen war und man nun durchgereicht am Ende der Segelreihe mit leeren Händen dasteht. Kann passieren!

Daher bitte beachten: Einstecken muss man hier können – im Spiel mit Kindern bitte unbedingt vorher überlegen, ob das gutgehen wird.

In der Hand des Schicksals?

Das Spiel ist nichts für Strategen – man sollte sich vor Spielbeginn davon frei machen und sich ein Stückweit in die Hand des Schicksals ergeben. Es passiert garantiert immer etwas Unvorhergesehenes und man kann selten alles kalkulieren. In meiner Erstpartie hatte ich noch strategische Ansätze verfolgt und bin damit mehr als kläglich gescheitert. Hier ist einfach zu viel Glück oder Würfelpech im Spiel. Oft passen die Würfelwerte nicht zu den drei Aktionskarten auf der Hand. 

Da alle Spieler:innen ihre Aktionskarten verdeckt spielen, weiß man nicht genau, was in dieser Runde noch so alles passieren wird. Sicherlich kann man auszählen, ob mit den ausliegenden Würfelwerten jemand auf meinem Feld landen kann. Oft kommt es aber anders, als man denkt.

Ggf. ist man auch mal gezwungen, Ladung an Bord zu nehmen und Dinge abzuwerfen – höchst ärgerlich! Hin und wieder kommt es zum Angriff, mit dem man niemals gerechnet hat und steht völlig ohne Kanonen da! Leider lässt sich mit Dublonen nicht schießen… Auch die Mannschaft wird damit nicht satt. Nun ja, sie werden wohl hoffentlich nicht meutern…

Ziemlich beste Feinde

Meutern werden höchstens die Mitspielenden – Jamaica ist halt ein Ärgerspiel. Oft geraten sich auch immer wieder die gleichen Spieler:innen in den Weg, so dass es sich ein Stapel Dublonen in einem Lagerraum kaum gemütlich einrichten kann, bevor es wieder zum ursprünglichen Besitzer zurückgeht. Man hat also eine Inselumrundung Zeit, sorgsam neue Feindschaften einzugehen und zu pflegen. 

Liegt man hinten, ist das aber nicht unbedingt schlimm. Nicht selten lässt sich eine halbe Inselrunde Rückstand schnell wieder aufholen, weil man dann endlich ohne ständige Gefechte hart am Wind segeln und Strecke wieder gut machen kann. Daher ist nicht unbedingt alles verloren, wenn die Kontrahenten bereits hinter der nächsten Inselecke verschwunden sind. 

Die Bonuskarten

Eine weitere Prise Salz kommt noch über die Bonuskarten in die Suppe, die man beim Erreichen der Piratennester erbeutet. Und die man sich bei Kämpfen wieder abluchsen kann. Hier sind fette Goldschätze möglich, aber es lauern auch verfluchte Schatzkisten im Stapel. Andere Karten vergrößern den Laderaum, lassen eine weitere Handkarte und damit mehr Auswahl zu oder erhöhen die Möglichkeit, bei Kämpfen besser abzuschneiden. Schönes Element, da die Schätze verdeckt gesammelt werden und beim Kampf schonmal die verfluchte Schatzkiste gewählt wird und damit die Schadenfreude ganz schnell wieder beim Unterlegenen ist. 


Zusammenfassung

Jamaica ist ein prima Gateway-Game im Piratensetting, das schnell Atmosphäre an den Spieltisch zaubert. Es ist leicht erklärt, flott gespielt und entwickelt dann schnell eine eigene Dynamik. Man ist ein wenig dem Glück ausgeliefert und manchmal vom Pech verfolgt, aber Spaß und Unterhaltung am Spieltisch sind garantiert. Das liegt nicht zuletzt daran, dass es nicht nur ein Renn-, sondern auch ein Ärgerspiel ist, auf das man sich schon einlassen muss. Dadurch entwickelt das Spiel seinen ganz besonderen Reiz. Das verträgt aber nicht jede:r.

Wer also Lust auf wenig Regeln, aber gute Unterhaltung hat und auch mal ordentlich einstecken kann, ist mit Jamaica gut beraten und kann das Spiel jederzeit gerne auf den Tisch packen. Strategen und Grübler sind hier eher fehl am Platz und in kleiner Runde zündet der Witz nicht. Daher: 

  • Tolle Illustration und schönes Spielmaterial mit hohem Aufforderungscharakter 
  • Einfache und schnell zugängliche Regeln, flottes Spieltempo
  • Viel Interaktion und wenig Downtime
  • Kann mit bis zu sechs Spieler:innen gespielt werden
  • Ärgerspiel, das auf Konfrontation ausgelegt ist – kann zu Grabenkämpfen führen
  • Ist man vom Pech verfolgt, fühlt man sich „gespielt“
  • Frustrationstoleranz muss sein

Aus meiner Spielerperspektive:

ch kannte die Vorauflage des Spiels nicht und war daher sehr neugierig. Jamaica hat mich dann als Gateway-Game überzeugt – es taugt sicher nicht für jeden Tag und zu Zweit sehe ich hier auch keinen Reiz, das Spiel auf den Tisch zu bringen. In einer größeren Gruppe mit Neu- oder Wenigspielern wäre es aber sicher immer eine gute Wahl.

Abgesehen davon liebe ich die Gestaltung des Spiels und möchte nochmal betonen, dass ich kaum je eine bessere Spielregel gesehen habe!  

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