Brew hat mich echt verwirrt: Durch das Cover und den Titel, die im ersten Moment irgendwie gar nicht zueinander passen wollen und dann noch das comichafte Spielmaterial: Brauen? Im Wald? Naturthema? Mit einer Art gehörntem Manga-Fuchs? Was ist das nur für ein seltsames Spannungsfeld, in dem wir uns da bewegen?
Beim Spielen wurde ich dann aber äußerst positiv überrascht! Ich bin zwar immer noch auf Sinnsuche in Bezug auf die thematische Einbettung, aber das Spiel dahinter hat mich echt überzeugt. Warum? Schauen wir uns Brew doch mal genauer an.
Carina Brachter
SPIELBESCHREIBUNG
In Brew ist die Zeit aus den Fugen geraten – und nicht nur die: Auch die Jahreszeiten, Tag und Nacht, alle Naturgesetze scheinen ausgehebelt und sollen von uns mittels Magie wieder in Balance gebracht werden!
Wir schlüpfen dazu in die Rolle von sog. Waldmystikern und versuchen, die Kontrolle über Wälder zu erlangen, Güter zu beschaffen, Waldkreaturen zu zähmen und hilfreiche Tränke zu brauen, die uns dann wiederum im weiteren Spielverlauf Nutzen bringen.
Wir spielen über vier Runden. Zu Beginn jeder Runde würfeln alle ihre sechs Würfel – zwei Elementwürfel und vier sog. „Sammelwürfel“. Jede:r platziert im eigenen Zug einen Würfel. Dies geht reihum, bis keine:r mehr Würfel hat. Dann geht es in die nächste Runde.
In jeder der vier Runden liegen neue Waldkarten aus. Hier möchten wir mittels Einsatz unserer Würfel Mehrheiten erzielen. Am Ende jeder Runde gehen die Waldkarten und die entsprechenden Punkte an die Spieler:innen mit dem meisten Einfluss dort.
Mit den Sammelwürfeln, die wir auf den ausliegenden Wäldern und auf dem Dorftableau einsetzen, erwirtschaften wir Güter oder können Kreaturen trainieren. Güter erhalten wir mittels Chips, die wir vor uns sammeln und im Laufe des Spiels gegen Tränke eintauschen können. Von diesen liegen immer vier offen aus, so dass man auch gezielt daraufhin sparen kann. Die Tränke bringen Siegpunkte ein und ermöglichen eine Menge Sonderoptionen, die das Spielgeschehen erheblich beeinflussen können – sie sind nicht umsonst der namensgebende Teil des Spiels. Während eines Zuges darf man maximal einen Trank brauen und nur einen nutzen.
Wenn wir Kreaturen trainieren, nehmen wir eine der jeweils vier offen ausliegenden Kreaturenkarten in unsere Auslage. Die Kreaturen sind wie die Waldkarten immer Jahreszeiten zugeordnet und haben Fähigkeiten, die Sonderoptionen bieten. Wir können bis zu drei von ihnen aktiv in unserer Auslage haben. Kommen weitere hinzu, müssen wir Kreaturen auswildern und können deren Fähigkeiten nicht länger für uns nutzen. Wildern wir sie in passende – das heißt der Jahreszeit entsprechende – Wälder in unserem Waldgebiet aus, erhalten wir dafür Bonuspunkte.
Die Elementwürfel sind sehr mächtig und bringen vieles durcheinander. Jedes der Elemente – Feuer, Wasser, Wind – hat eigene Eigenschaften und nimmt entsprechend Einfluss auf das Spielgeschehen. Im Dorf gibt es spezielle Einsetzfelder für die Elementwürfel. Dort bringen sie dann besondere Erträge ein oder lösen Sonderaktionen aus.
Werden sie in den Wäldern eingesetzt, können sie ebenfalls Ressourcen einbringen oder ganz entscheidend Mehrheiten beeinflussen.
Nach der vierten Runde endet eine Partie. Die erreichten Punkte durch Waldkarten, trainierte und ausgewilderte Kreaturen, gebraute und ausgespielte Tränke sowie ggf. auf anderem Wege erzielte Punkte werden zusammengerechnet. Wer die meisten Punkte erzielen konnte, gewinnt eine Partie Brew.
Als Variante lassen sich die Charaktere der Waldmystiker noch mit asymmetrischen Fähigkeiten als Startvoraussetzung spielen.
AUTOR: Stevo Torres ■ GRAFIK: Jake Morrison/Andrew Thompson
VERLAG: Pandasaurus Games/Skellig Games ■ ERSCHEINUNGSJAHR: 2021
2-4 Spieler
ab 10 Jahren
ca. 45-90 Minuten
Spielregeln (ext. Link zu )
SPIELGEFÜHL
Dies mal vorausgeschickt:
Brew vereint viele gute und bekannte Mechanismen zu einem interessanten Gesamtgefüge, das sich sehr taktisch spielt und hohe Interaktion bietet. Die verwendeten Mechanismen reichen vom Dice Placement über Area Control, Ressourcen Management hin zum Engine Building. Diese Kombination und die Varianz durch die jedes Mal wieder andere Kartenauslage machen Brew sehr reizvoll. Aber auch anspruchsvoll – das Spiel ist erst ab Kennerlevel zu empfehlen. Doch fangen wir mal Vorne an…
Schön verwirrend
Optisch ist Brew nicht für jeden etwas. Die Reaktionen auf die Gestaltung sind durchaus unterschiedlich. Je jünger die Mitspieler, desto eher kommt der comichafte, bunte, manga-artige Stil an. Älteren Semestern ist da einfach optisch zu viel los, was in der ersten Partie abschreckend wirken kann.
Hat man sich aber erst einmal an die Symbolik, die Spielelemente und den -ablauf gewöhnt, gewinnt man Orientierung und weiß den Blick selektiv zu lenken. Auf jeden Fall ist die Gestaltung kein Mainstream.
Auch das Thema fällt nicht in diese Kategorie: Was vom Cover her ggf. auch schnell in das Trendthema der Naturspiele kategorisiert werden kann, ist dann doch recht weit weg davon. Klar, auch hier geht es im weitesten Sinne um die Natur, die ein wenig durcheinander geraten ist. Die Story ist aber fern jeder Realität und damit doch ganz klar Fantasy.
Davon profitieren die Spielelemente. Die Kreaturen sind sehr fantasievoll gestaltet und von „schräg“ über „süß“ bis hin zu „skurril“ passen hier fast alle Beschreibungen irgendwie. Positiv einig sind sich alle bei den toll und individuell gestalteten Würfeln (custom dice). Bei schlechten Lichtverhältnissen ist es aber manchmal schwer, die Symbole richtig zu unterscheiden.
Da muss man am Ball bleiben
Brew bietet spielerisch sehr viele Möglichkeiten. Es gibt immer eine Option, obwohl diese zum Ende einer Runde meist deutlich weniger werden. Es gibt extrem viel zu durchdenken und daher Vorsicht beim Spiel mit Grüblern!
Die Krux, aber auch das Spannende (!), besteht darin, dass man seinen Spielzug nicht konkret vorausplanen kann, während die Anderen ihre Züge absolvieren. Man sollte immer am Ball bleiben und beobachten, was die Anderen so treiben. Wie werden Mehrheiten beeinflusst? Wo verschiebt sich das Machtgefälle? Welche Ressourcen sammeln die Anderen? Auf welche Tränke sparen sie? Wird mir eine Kreatur weggeschnappt, auf die ich es abgesehen hatte? Man sollte seine Augen und Aufmerksamkeit überall haben.
Sobald ich am Zug bin, kann die Ausgangssituation eine ganz andere sein, als ich geplant oder gedacht habe. Hier gilt es aufmerksam bleiben, die Situation so nehmen, wie sie ist und darauf zu reagieren. Fange ich dann wieder bei Null an zu planen, wird es für alle lang…
Der letzte Würfel entscheidet!
Auch wenn die Plätze auf dem Dorftableau teils limitiert sind, so sind doch die Plätze in den Wäldern immer am stärksten umkämpft. Die Spieler:innen platzieren dort meist zunächst ihre Sammelwürfel, um Kreaturen oder Ressourcen zu sammeln. Die Elementewürfel werden oft erst bei Rundende eingesetzt, da sie später mächtigere Wirkung erzeugen können.
Sobald sich die Spieler:innen im Laufe des Spiels mehr Tränke gebraut haben und verdeckt auf der Hand halten, wird es immer spannend, da mit ihrer Hilfe gerade zum Ende der Runde durchaus ein paar Überraschungsmoves möglich sind. Setzen die Spieler noch Elemente-Würfel in Kombination mit mächtigen Tränken, die beispielsweise den Tausch von Würfeln auf den Waldkarten möglich machen, kann sich noch ganz schnell ein Mehrheitsverhältnis ändern. Wow – da ist was los am Tisch! Da muss man einstecken können…
Konfrontation in Vollbesetzung
Aber auch Austeilen will hier gelernt sein! Wenn die Mehrheiten eigentlich schon verteilt sind, so kann doch der letzte Spieler in der Runde noch Vieles ordentlich durcheinander wirbeln. Ein Elementewürfel mit dem Feuersymbol ist eine mächtige Waffe, die die Spielenden auch mal zu Königsmachern werden lässt. Es ist nichts in Stein gemeißelt bis der letzte Würfel der Runde platziert wird!
Hohe Interaktion ist daher garantiert. Spielerisch ist Brew zu Zweit nicht uninteressant, aber es wird zu Dritt noch deutlich besser. Optimalerweise spielt man Brew in Vollbesetzung, denn dann wird gerade der Area Control-Aspekt in den Wäldern erst so richtig brisant. Zu Zweit kann man sich ganz gut aus dem Weg gehen. Je mehr Mitspielende, desto besser also!
Abwechslungsreich
Da das Spiel kartenbasiert funktioniert und die Auslage immer eine andere ist, ist auch die Varianz sehr groß. Dazu trägt auch die Möglichkeit bei, die Charaktere der Waldmystiker mit unterschiedlichen Eigenschaften zu spielen. Viel Raum für Wiederspielreiz ist daher gegeben!
Zusammenfassung
Brew bietet Kennerspielern eine reizvolle Mischung aus Mechanismen: Worker/Dice Placement, Area Control, Ressourcen Management, Engine Building… Es punktet darüber hinaus mit vielen taktischen Möglichkeiten und einem hohen Interaktionsgrad. Die Interaktion ist dabei ganz sicher nicht immer freundlich und das sollte man vertragen können – hier geht es um den Aufbau und das Zerstören von Mehrheiten und das ist nunmal kein friedliches Geschäft.
Wer so etwas mag, findet mit Brew ein spannendes und empfehlenswertes Spiel, das eine gute Länge hat, thematisch und optisch kein Mainstream ist und am besten in Vollbesetzung funktioniert.
- Schöne, neue Komposition aus bekannten Mechanismen
- Spannendes und reizvolles Spielgeschehen mit wenig Downtime
- Funktioniert am besten zu Viert
- Gestaltung ist nicht jedermanns Sache
- Etwas unpraktisches Inlay, in dem vieles durcheinanderpurzelt
- Nichts für Konfliktscheue
Aus meiner Spielerperspektive:
Wie bereits erwähnt hat mich Brew sehr positiv überrascht. Mir liegt die Optik zwar nicht so sehr und anfangs war ich von den vielen Farben, Symbolen und den vielen Karten etwas überfordert – doch nach ein, zwei Partien kam ich sehr gut zurecht. Und hab das Spiel aufgrund seiner vielfältigen Möglichkeiten wirklich zu schätzen gelernt.
Ich finde reizvoll, dass das Spiel von mir verlangt, auch mal fies zu spielen – das mach ich sonst viel zu selten! Aus diesem Grund spiele ich normalerweise nicht sehr gerne Area Control-Spiele. Bei Brew mache ich gerne eine Ausnahme! Natürlich muss man auch mal einstecken können, aber meist kann man sich in der nächsten Runde ja wieder rächen…