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Kommentar zu Secret Hitler

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Wie in der Jüdischen Allgemeine – ein Online Journal – berichtet wird, hat sich eine kanadische Kaufhauskette dazu entschlossen, das Spiel auf Anregung, Bitten von Kunden aus dem Programm zu nehmen. LINK

Sebastian Wenzel hat dazu eine kleine Diskussion via Twitter gestartet.

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Hier sind meine Gedanken zum Spiel.

Was ist Secret Hitler

Secret Hitler ist ein Deduktionsspiel, welches 2016 auf dem Markt kam und sich insbesondere im angloamerikanischen Markt sehr großer Beliebtheit erfreut. Via Kickstarter wurden damals knapp 1,5 Millionen Dollar erlöst und 34.565 Unterstützer mit dem Spiel bedient.

In dem Spiel werden die Teilnehmer in zwei Parteien aufgeteilt. Die einen sind Faschisten und die anderen Liberale. Die Rollen werden geheim verteilt. Dabei wird ein Spieler zu Hitler ernannt. Nur die Faschisten kennen sich gegenseitig und wissen, wer Hitler ist. Hitler weiß jedoch nicht, wer die anderen faschistischen Mitstreiter sind.

In jeder Runde wählen die Spieler einen Präsidenten und einen Kanzler. Beide erlassen eines von drei zufällig gezogenen Gesetzen. Dabei eliminiert der Präsident eines und gibt zwei an den Kanzler weiter, der wiederum davon eines nach seinem Gusto zur Ausführung bringt. Ist dieses faschistisch, müssen die Spieler herausfinden, ob dieses aus politischem Kalkül geschah oder das Pech beim Ziehen nachgeholfen hat.

Nach jeder Runde wechselt das Präsidentenamt reihum zum nächsten Spieler. Dieser ernennt einen neuen Kanzlerkandidaten (kann also nicht eine Person in zwei Legislaturperioden hintereinander sein). Alle Spieler müssen nun den Kanzler wählen oder ablehnen. Bei der Nichtwahl wechselt das Präsidentenamt zum nächsten Spieler und ein neuer Vorschlag sowie eine neue Wahl findet statt.

Während das Ziel der Liberalen ist, fünf liberale Gesetze zu erlassen oder herauszufinden, wer der geheime Hitler ist, versuchen die Faschisten sechs faschistische Gesetze zu erlassen oder Hitler zum Kanzler zu machen. Dieses darf jedoch erst geschehen, nachdem drei faschistische Gesetze erlassen werden konnten.

Das Spiel lebt dabei von der Kommunikation: Verdächtigungen, Verleumdungen, Trash-Talk sind Bestandteil des Spiels.

Spielerlebnis

Ich bin eigentlich Fan von Deduktionsspielen. Aber gerade mit Themen rund um den Nationalsozialismus tue ich mich sehr schwer, wenn sie in einen positiven Kontext gesetzt werden. Ein Urteil zu fällen, ohne das Spiel gespielt zu haben, ist aber auch nicht fair. Daher habe ich letztes Jahr am Rande der Berlin Con das Spiel ausprobiert. Wir waren glaube ich eine Runde von 9 Spielern. Viele Spieler sind generell für diese Art von Deduktionsspiel eine gute Voraussetzung.

Wie es so kommen musste. Ich zog in meinem ersten und einzigen Spiel von Secret Hitler die Karte mit Hitler (und fühlte mich alles andere als wohl, Pulsschlag jenseits von normal). Und nun war es meine Aufgabe, klamm heimlich an die Macht zu kommen, ohne zuviel von mir Preis zu geben. Zudem wurde ich in der ersten Runde auch direkt zum Kanzler bestimmt. Und, um die anderen zunächst einmal in Sicherheit zu wiegen, habe ich dann direkt erst einmal was Gutes gemacht und ein liberales Gesetz erlassen. Den Gegner in Sicherheit wiegen lassen. Wie beim Reichsautobahnbau.

Am Tisch wurde viel geredet. Nichts unter der Gürtellinie, aber knapp dran (aber da sind die Grenzen wiederum auch sehr subjektiv). Menschen wurden verdächtigt, angeklagt, diffamiert. Alles in einer spaßigen Atmosphäre. Wir haben das Spiel recht lange gespielt und 7 Gesetze später wurde ich durch einen „Gesinnungsgenossen“ zum Kanzler gewählt und konnte mein wahres Gesicht zeigen.

Ein bitter schmeckender Sieg.

PRO

Das Pro muss man zweigeteilt sehen.

Da ist zum einen das unfassbar packende Spielgefühl. Sehr einfache Regeln und dennoch so mitnehmend. Wer ist wer, wer verdächtigt wen. Wer ist der Wolf im Schafspelz. Ich kann schon sehr gut verstehen, dass dieses viele Fans findet. Und bei einem anderen neutralen Thema wäre ich sogar weiteren Partieen nicht abgeneigt.

Dazu ist das Spiel ist ein Lehrstück. Man kann sich – soweit das überhaupt möglich ist – in das politische Geschehen Deutschlands der 30er Jahre hineinversetzen. Schafft man es, dass Spiel unter diesem Gesichtspunkt zu verstehen und zu erleben, dann halte ich es sogar für „erlebenswert“. Allerdings muss man schon sehr selbstreflektierend mit sich umgehen.

Ich vergleiche das mit „Die Welle“ von Morton Rhue. Wie weit geht man?

Contra

Ein Brettspiel bedeutet für mich Spaß haben. Doch wie nah passen Hitler, Diffamierungen und Spaß zusammen? Dazu mit dem Startschuss der Machtergreifung, der 1933 den Boden für alles weitere geebnet hat. Wie passt dieses an einen Spieltisch. Für mich eher nicht.

In der Gruppe, in der ich das Spiel erlebt habe, war kein Spieler der rechten Gesinnung auch nur nah. Dennoch neigt man in dem Spiel schnell dazu, (meine) subjektiven Grenzen zu überschreiten. Doch wer definiert allgemein gültige Grenzen? Wie weit kann man das noch als harmlosen Spaß durchgehen lassen. Was passiert, wenn übertrieben wird? Was, wenn man nicht reflektiert.

Wir haben an dem Abend nicht mehr großartig über das Spiel gesprochen. Nur noch im kleinen Kreis im Rahmen des Podcastes der Brettspielbar. Ich glaube mir (uns?) hätte es gutgetan, das danach mit allen zu machen.

Nicht zu vergessen, die Menschen und ihre Familien, die in dieser Zeit unsägliches Leid ertragen haben. Da reißen Narben auf. Meine jedenfalls würden ziemlich schmerzen und ich würde die Welt nicht ganz verstehen.

Fazit

Das Spielgefühl ist intensiv und zum Glück gibt es Adaptionen des Spiels, um es in einem neutraleren Verhältnis zu erleben. Hitler halte ich jedenfalls als Thema für völlig verfehlt. Insbesondere wenn man die Selbstreflektion nach dem Spielen vergisst.

Daher freue ich mich auch auf Feed the Kraken, was in 2020 bei Funtails / Spiel instabil herauskommen wird und den Deduktionsmechanismus für sich nutzt und weiterentwickelt hat.

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