Im zweiten Teil (Teil 1 hier mit Fragen rund um das Autoren sein und Spiele erfinden) im Interview mit Wolfgang Kramer geht es um
- sein strategisches Meisterstück El Grande
- aktuelle Diskussionen über zu viele Spiele und
- einen Ausblick in die nahe Zukunft
Viel Spaß mit Teil II!
Nun ein Paar Fragen zu El Grande:
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Anekdote „El Grande und das trojanische Pferd“
Zusammen mit Richard Ulrich entwickelte ich ein Spiel mit dem Titel „Das trojanische Pferd“. Wir waren nahezu fertig, als ich mit Bestürzen auf der Nürnberger Messe die Neuheit „Das trojanische Pferd“ von Alex Randolph sah.
Es blieb uns nichts anderes übrig, wir mussten für unser Spiel ein neues Thema suchen. Nach längerer Suche wurden wir in Spanien fündig. Das Thema und das Spielsystem wurden geändert. Das trojanische Pferd wurde zum Castillo und die griechischen Krieger wurden zu Granden und Caballeros. El Grande wurde geboren.
Quelle: Homepage / Anekdoten
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Wie haben Sie reagiert, als Sie merkten, dass ein Spiel erschienen ist, mit dem gleichen Thema?
W. Kramer: Zunächst war ich enttäuscht. Alex Randolph und der Verlag konnte ja nichts dafür. Da hatte ich halt Pech gehabt. Bei bestimmten Themen (z.B. Mittelalter) können mehrere Spiele parallel existieren, bei einem solch „engen“ Thema war jedoch nur ein Spiel am Markt sinnvoll.
Wichtig war für mich jedoch, dass ich beim Betrachten des Spiels festgestellt habe, dass die Mechanismen von Richard Ulrich und mir anders und neu waren. Somit konnten wir auf den vorhandenen Mechanismen aufsetzen und versuchen, ein neues Thema zu finden. Und wir haben mit Spanien ein tolles, neues Thema gefunden, das ideal passte.
Für uns war es ein Gewinn, dass wir das Spiel umgestalten mussten, da unser Trojanisches Pferd sicherlich nicht so erfolgreich geworden wäre, wie El Grande. Somit hatten wir Glück im Unglück.
Was macht El Grande aus Ihrer Sicht aus?
W. Kramer: Uns ist es gelungen, das Spiel mit einigen originellen und innovativen Elementen auszustatten.
Zum einen können in einem Gebiet mehrere Spieler vertreten sein und können Punkte bekommen. Dazu ist El Grande ein Mehrheitenspiel, welches es in dieser Form bis dato noch nicht gab. El Grande hat Spielkarten mit mehrfacher Bedeutung: z.B. die Machtkarten, die die Spielreihenfolge bestimmen und wie viele Caballeros ich aus der Provinz bekomme. Die Aktionskarten, die nicht nur die Aktion bestimmen, die ich ausführen kann, sondern auch wie viele Caballeros ich in den Regionen einsetzen kann. Der Reihenfolgemechanismus, das Castillo und die Geheimscheiben waren neu. Selbst die Rollen – z.B. König oder Intrigant – in die ein Spieler in einer Runde schlüpfen kann, waren neu.
El Grande taucht im Boardgamegeekranking auf Platz 23 (Stand: 04.2015) auf.
W. Kramer: El Grande war lange Zeit unter den Top 5 (bis 2005) bis es erst in den letzten Jahren durch komplexere Spiele wie Agricola, Puerto Rico oder Terra Mystica verdrängt wurde.
Über 1.500 Personen haben El Grande eine 10 (Anmerkung der Redaktion: 10 = Höchstwertung) gegeben. Dazu ist El Grande neben Euphrat und Tigris eines der wenigen Spiele unter den Top 30 was dieses Alter aufweist. Eine ganze Reihe von Spielern sagen, dass El Grande mein bestes Spiel ist.
El Grande bekam 1996 als Strategiespiel den Preis „Spiel des Jahres“, was sicherlich auch nicht selbstverständlich war.
W. Kramer: Erstmalig wurde für ein komplexes Strategiespiel der Preis vergeben, da bislang eher nur Familienspiele honoriert wurden. Zu der damaligen Zeit hat die Jury einen stärkeren Fokus auf anspruchsvollere Spiele gelegt. Erst einige Zeit später wurde das Niveau wieder „abgesenkt“ und in Richtung Familienfreundlichkeit gelenkt.
Später gab es dann ja noch einen zweiten Preis (2011) für Kennerspiele. Die Auszeichnung für das Kennerspiel zu bekommen, ist eine tolle Leistung. Die Spiele sind alle super, die bislang die Auszeichnung bekommen haben.
Aktuell gibt es die Diskussion: Viele neue Spiele – Masse versus Klasse. Wie stehen Sie zu dieser Diskussion? Haben wir zu viele neue Spiele?
W. Kramer: Ja, wir haben aktuell zu viele Spiele auf dem Markt. Gerade in dem Genre der anspruchsvollen Spiele. Zum einen gibt es viel mehr Verlage als früher. Zudem kommen immer mehr Verlage aus dem Ausland, die versuchen, sich im deutschen Spielemarkt durchzusetzen. Die Publikumsmesse in Essen hat mal mit 5 Verlagen angefangen, deren Anzahl jetzt auf gut 800 aus der ganzen Welt angestiegen ist. Da möchte jeder etwas von dem Kuchen abhaben.
Die kleinen Verlage können sich nur mit anspruchsvollen Spielen profilieren, da das Massensegment von den großen Verlagen abgedeckt ist und man als kleiner Verlag keine Chance mehr hat z.B. in die Läden hereinzukommen, da die Fläche begrenzt ist und fest in der Hand von wenigen großen ist.
Es ist heute einfacher ein Spiel zu entwickeln oder zu produzieren, als dieses erfolgreich zu verkaufen. Früher haben einzelne anspruchsvolle Spiele mehr Umsatz gemacht, als es heute der Fall ist. Es gibt heute Kleinserien von 1.000 Stück, die es früher nicht gegeben hat. In diesem Genre wäre es besser, es gäbe weniger Spiele. Zumal sich viele Spiele ähneln (hohe Entscheidungsmöglichkeiten, knappe Ressourcen und viel Material). Daher wäre es besser, wenn die Spiele innovativer wären und mehr Neues bringen würden.
Welche Spiele aus der Vergangenheit hätten Sie gerne selbst erfunden?
W. Kramer: Oh, da gibt es viele. Siedler von Catan oder Carcassonne, 7 Wonders oder Dominion sind sehr innovativ. Aber auch einfachere Spiele wie Memory. Spiele, mit denen sich eine Vielzahl von Menschen mit auseinander setzen. Aber auch Mensch ärgere Dich nicht, das über 100 Jahre geworden ist. Nicht zu vergessen: Monopoly und Scrable. .
Es gibt mehr Spiele, die ich gern erfunden hätte, als jene, die aus meiner Feder stammen.
Sie sind weiterhin sehr aktiv. 2013 gab es Glück auf. In 2014 kam z.B. Abluxxen heraus. Was gibt es aktuell an Neuheiten von Ihnen?
W. Kramer: In Nürnberg habe ich 4 Neuheiten: Natürlich El Grande die Big Box. Aber auch Phara-Oh-Oh von HABA, welches sich dadurch auszeichnet, dass Kinder wie Erwachsene die gleichen Chancen haben. Hier geht es um Geschicklichkeit versus taktisches Geschick.
Dazu Kniffel Master von Schmid Spiele, was im Vergleich zum Original mehr Möglichkeiten in der Nutzung der Würfelergebnisse hat.
Wettpuzzeln bei Kosmos. Ein Kinderspiel bei dem bis zu 4 Spieler gleichzeitig spielen. Dabei müssen unterschiedlich große aber gleiche Motive so schnell wie möglich zusammengepuzzelt werden.
Können wir auch schon einen gemeinsamen Blick auf die SPIEL 2015 werfen?
W. Kramer: Es wird ein anspruchsvolles Spiel zusammen mit Michael Kiesling geben: Porta Nigra wird bei eggertspiele herauskommen. Ein Strategiespiel. Jeder Spieler baut Gebäude Basilika, Porta Nigra, Stadtmauer, Kaiserthermen. Diese vier Bauwerke bestehen aus verschiedenen Einheiten. Dabei geht es um Mehrheiten bei den Bauten.
Dazu wird es im Herbst auch ein Familienspiel bei HABA geben. Dieses Mal ab 8 Jahren, also noch stärker in Richtung Familie orientiert. Hier kann ich jedoch noch nicht viel verraten, außer, dass es ein Abenteuerspiel sein wird.
Haben Sie persönlich noch einen Wunsch, ein Ziel?
W. Kramer: Ja, ich würde gerne noch ein sechstes Mal das Spiel des Jahres gewinnen.
Dann wünsche ich Ihnen viel Erfolg und viel Kreativität auf dem Weg zu diesem Ziel. Vielen Dank für das Interview.
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VITA
Wolfgang Kramer, geboren: 29.06.1942 in Stuttgart. Der Betriebswirt und gelernte Informatiker arbeitete bis 1988 bei Bosch, ehe er nach 16 Jahren Spiele entwickeln, sein Hobby zu seinem Beruf machte.
In seiner über 40jährigen Schaffenszeit hat er über 200 Spiele mit einer Gesamtauflage von mehr als 10 Millionen Spielen veröffentlicht. Er bekam zahlreiche Auszeichnungen für seine Werke (u.a. fünfmal Spiel des Jahres – 1986/Heimlich & Co, 1987/Auf Achse, 1996/ El Grande, 1999/Tikal und 2000/Torres)
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