Als passionierter Euro-Expertenspielliebhaber bin ich bei Titeln von Vladimír Suchý immer neugierig. Immerhin hat er mit Titeln wie Underwater Cities oder auch Pulsar 2849 einige meiner Lieblingsspiele zu verantworten. Als ich dann noch von dem Thema in Woodcraft hörte war ich überzeugt. Ich kannte vorher noch kein Spiel, bei dem Holzverarbeitung im Mittelpunkt stand.
Auf der SPIEL 22 hatte ich dann zudem noch das große Vergnügen mich mit Ross Arnold – dem Co-Autor – unterhalten zu können. Was ich nicht wusste: Ross hat schon mehrere Escape-Rooms gebaut und wollte deswegen das Thema Holzarbeit in ein Brettspiel integrieren. Auf der Messe hat er mir freundlicherweise das Spiel erklärt und mir gleich Lust drauf gemacht.
Inzwischen konnte ich einige Partien spielen. Was aus dieser großen Vorfreude übrig geblieben ist, lest ihr hier.
SPIELBESCHREIBUNG
Woodcraft spielt in einem Fantasy-Reich, in dem zwei bis vier Waldbewohner gegeneinander antreten, um die besten Holzkonstrukte zu bauen. Wir bearbeiten verschiedene Holzstücke, um die Wünsche der Kunden zu erfüllen und das entsprechende Produkt herzustellen. Das Holz wird durch Würfel repräsentiert, die gleich in drei Farben auftreten: grün, gelb und braun. Manipulieren können wir diese Würfel mit den Werkzeugen in unserer Werkstatt. Haben wir alle Komponenten eines Auftrags zusammen, können wir diesen erfüllen.
In meinem Zug darf ich zunächst alle Bäume wachsen lassen, die zurzeit bei mir auf dem Tableau liegen. Spielmechanisch bedeutet das, ich darf die Augenzahl der Würfel erhöhen und diese Bäume darf ich auch gleich fällen, also den Würfel in mein Lager legen. Nur das Holz in meinem Lager darf ich manipulieren, aber dort wächst es nicht weiter. So unterschiedlich ist diese Fantasy Welt nicht von unserer. Nachdem ich die Bäume abgehandelt habe, führe ich eine der Aktionen vom Aktionsrad aus, zusammen mit beliebig vielen freien Aktionen.
Kern des Spiels ist zweifelsohne das Aktionsrad. Ähnlich wie schon bei Praga Caput Regni, sind dort verschiedene Aktionen kreisförmig ausgerichtet. Hier ist das Rad allerdings in Quadranten aufgeteilt. Ein Aktionsplättchen liefert mir – zusätzlich zur eigentlichen Aktion – immer den Bonus des Quadranten und den Bonus des Sektors innerhalb des Quadranten, in dem das Plättchen liegt. Das muss auch gar kein Bonus sein, sondern kann z. B. ein ordentlicher Boost an Ressourcen sein. Das entsprechende Plättchen wandert dann ein Quadranten weiter, was ggf. dazu führt, dass das Rad sich dreht und hinten liegende Quadranten mehr Boni zeigen.
Mir stehen 7 Hauptaktionen zur Verfügung. Ich kann Blaubeeren ausgeben um Bauholz – also Würfel – aus dem Markt zu kaufen. Genauso kann ich auch einen Würfel wieder verkaufen, wenn ich Blaubeeren brauche. Außerdem kann ich meine Werkstatt mit verschiedenen Aufwertungsplättchen oder Töpfen, um mehr Bäume zu pflanzen, verbessern. Weiterhin gibt es die Möglichkeit Materialen zu kaufen, die für bestimmte Aufträge gebraucht werden, oder aber auch um die Aufwertungen meiner Werkstatt effektiv zu nutzten. Die letzten beiden Aktionsmöglichkeiten erlauben es mir Auftragskarten nachzuziehen oder Helfer einzustellen.
Helfer sind wieder eins der vielen verzahnten Elemente aus Woodcraft. Zusätzlich zu den Kosten in Blaubeeren zeigt jeder Helfer ein Produktionssymbol sowie einige einzigartige Fähigkeiten. Diese Fähigkeiten greifen – wie oft bei Spielen dieser Art – entweder sofort, einmal pro Runde oder dauerhaft. Die Produktionssymbole werden bei bestimmten Aktionen ausgelöst. Das kann das Erfüllen bestimmter Auftragskarten oder das Abdecken der Produktionssymbole in der Werkstatt sein.
Im Anschluss an die Hauptaktion habe ich die Möglichkeit Blaubeeren – die spieleigene Währung – auszugeben, um direkt Siegpunkte zu bekommen. Das darf ich pro Runde nur einmal machen und dann den Marker weiterziehen, der den Tauschfaktor bestimmt. Am Anfang sind nur wenige Blaubeeren gefordert, aber im Gegenzug gibt es nur wenige Siegpunkte. Weiter hinten auf der Leiste gibt es dann schon deutlich mehr Siegpunkte abzugreifen, dazu muss ich aber auch mehr Blaubeeren ausgeben.
Sobald wir alle am Zug waren, endet die Runde und der Rundenmarker wird ein Feld nach vorne gezogen. Je nach Runde kann das auch eine Einkommensphase auslösen. Natürlich freuen wir uns alle über Einkommen. Bei Woodcraft gibt es in dieser Phase allergings den Kniff, dass meine noch ausliegenden Auftragskarten eine Position weiter nach unten rutschen. Das hat zur Konsequenz, dass sie weniger wert sind, wenn ich sie erfülle. Aber sollte je ein Auftrag ganz nach unten rutschen, verliere ich Reputation. Das kann schon mal schmerzhaft sein, ist doch Reputation nicht einfach zu bekommen und erhöht zur Endwertung den Faktor, mit dem ich meine erfüllten Aufträge multiplizieren kann, um ordentlich Siegpunkte einzufahren.
AUTOR: Ross Arnold, Vladimír Suchý ■ GRAFIKER: Michal Peichl
VERLAG: Delicious Games (Pegasus) ■ ERSCHEINUNGSJAHR: 2022
1-4 Spieler
ab 12 Jahren
ca. 60-120 Minuten
Spielregeln (ext. Link zu BGG)
SPIELGEFÜHL
Spätestens jetzt sollte klar sein: Woodcraft ist ein sehr verzahntes Expertenspiel mit vielen Komponenten und den unterschiedlichsten Strategien zum Ausprobieren. In diesem Aspekt schlägt es in die gleiche Kerbe wie seine Vorgänger. Es wird auf jeden Fall einem Delicious Game gerecht. Trotz dieser Fülle an Regeln fühlt es sich aber logisch an. Das Autorenduo hat es geschafft das Thema so mit dem Mechanismus zu verknüpfen, dass es einleuchtend erscheint. Einzig der Mechanismus mit dem Aktionsrad und hierbei vor allem die Regel, um zu verhindern, dass eine einzelne Aktion immer wieder gewählt wird, ist etwas schwerfällig zu erklären und braucht etwas Zeit zum Verinnerlichen.
Woodcraft ist knallhart. Mit nur 14 Runden im Spiel gibt es keine andere Wahl, als jede Runde bestmöglich auszunutzen. Dazu gibt es so viele Möglichkeiten, die alle sinnvoll sind. Wenn es dann gut läuft und ich einen Auftrag nach dem nächsten erfülle, ist das ein enorm befriedigendes Gefühl. Im Gegenzug dazu tut es aber auch echt weh, wenn ich mich verrechnet habe und plötzlich ohne Blaubeeren dastehe oder keine Würfel mehr habe. Das ist in den ersten Partien recht wahrscheinlich, die Lernkurve bei Woodcraft ist recht steil. Man muss bereits am Anfang eine gewisse Frust-Toleranz an den Tag legen und bereit sein das Spiel zu lernen, bevor es richtig Spaß macht. Ich mag es von Partie zu Partie mehr. Natürlich trifft das in gewisser Weise auf viele Suchý-Designs zu. Hier ist es mir aber am meisten aufgefallen.
Das Aktionsrad ist zwar nicht mehr ganz neu, aber clever gestaltet und unterstreicht nochmal die Schwierigkeit mancher Entscheidungen. Mithilfe von Laternenplättchen darf ich sogar ein Aktionsplättchen nehmen und dessen Boni einstreichen, aber tatsächlich eine andere Aktion ausführen. Die geschickte Nutzung dieser Plättchen ist oftmals spielentscheidend. Richtig begeistert hat mich hier der Umgang mit den Würfeln. Eine 6 ist eine langes Stück Holz. Nutze ich die Säge, kann ich danach zwei 3’er haben. Im Anschluss kann ich auch wieder was drankleben usw.. Würfel als Arbeiter oder auch Ressourcen kennen wir alle schon, aber in dieser Form ist es mir noch nicht begegnet.
Wenn ich einen Kritikpunkt finden sollte, dann ist es die Kartenauslage. Und damit meine ich vor allem die Aktionskarten. Es ist durchaus wahrscheinlich im Laufe einer Partie Würfel und oder andere Materialen quasi nebenbei zu sammeln. Natürlich gehört es genauso zu einer erfolgreichen Strategie auch diese „Abfallprodukte“ möglichst sinnvoll zu verwerten. Es ist in meinen Runden schon vorgekommen, dass die nächste aufgedeckte Auftragskarte genau dem entsprach, was ich zufällig übrig hatte, während meine Konkurrenz Schwierigkeiten hatte, die passenden Materialien zu sammeln. Das fühlte sich an dieser Stelle nicht richtig an. Vielleicht wäre es besser gewesen, die Möglichkeit anzubieten, die Auslage aufzufrischen.
Neben dem Aktionsrad gibt es in Woodcraft mehrere Design-Akzente, die Fans von Vladimír Suchý aus seinen früheren Titeln kennen werden. Dazu zähle ich zum Beispiel, dass zur Mitte des Spiels der Kartenstapel der Aufträge und der Helfer durch einen stärkeren ausgetauscht wird, oder dass ich mit einer gewissen Ressource – in diesem Fall die Laterne – meine Aktion manipulieren kann. Trotz dieser Ähnlichkeiten ist Woodcraft ein eigenes Spiel. Die Zusammenarbeit zwischen Ross Arnold und Vladimír Suchý führte zu einem sehr thematischen Spiel mit großer Tiefe und hohem Wiederspielreiz, wenn man diesem denn die Chance gibt.
Zusammenfassung
Wer andere Delicious Games Titel mag, hat gute Chancen auch mit Woodcraft glücklich zu werden. Es kombiniert Elemente der anderen Spiele, hat diese verfeinert und besser integriert und wirft doch noch eine Prise Neues in den Ring. Das Spiel liefert Combos und Entscheidungen, für die Suchý bekannt ist. Wer aber noch nicht in diesen Genuss gekommen ist, sollte vielleicht eher mit einem anderen Spiel dieser Reihe anfangen.
Es gibt viele bewegliche Teile in diesem Spiel, die beim ersten Spielen gar nicht überblicket werden können. Ich brauchte einige Partien, um mit Woodcraft wirklich warm zu werden und inzwischen mag ich es wirklich sehr. Leider führt genau das dazu, dass es in den ersten Partien immer schlechter wegkommt als es sollte und die Bereitschaft auf eine weitere Partie nicht immer groß ist. Das ist auch mit ein Grund dafür, dass ich hier nicht die Bestnote vergeben kann. Aber unter den Delicious Games Titeln ist es mein Favorit.
- Sehr innovative und clevere Verwendung von Würfeln
- Spannung um die Erfüllung von Aufträgen
- Thematische Einbettung sehr gelungen
- Kann frustrierend sein
- Analysis Paralysis ist wahrscheinlich
Aus meiner Spielerperspektive: Ich habe lange auf einen Suchý Titel gewartet, der an die frühere Größe anknüpfen kann. Woodcraft ist genau dieser Titel und hat mich überzeugt.
Zweite Meinung Christoph
Meine Meinung ist etwas eingeschränkt, da ich das Spiel bislang nur zweimal gespielt habe. Daher ist es eher ein Ersteindruck.
Das Spiel eignet sich für Leute, die das Grübeln nicht so in ihr Spiel einbeziehen, da sich die Spieldauer ansonsten ziemlich in die Länge zieht.
Im Zentrum vom Brettspiel Woodcraft steht der Aktionsauswahlmechanismus. Hier ist es wichtig, bestimmte Züge vorzubereiten, so dass man in seinem Spiel immer 1-2 Züge im Vorhinein planen sollte. Auch wenn wir einige Interaktionen bzgl. der verschiedenen Karten haben, ist die Planung recht gut möglich.
Woodcraft verzeiht aus meiner Sicht nur wenige falsche Entscheidungen, wenn wir es mit einer homogenen Spielerschaft zu tun haben. Nach Underwater Cities sicherlich der zweitbeste Titel aus dem Haus Delicious Games.
Dein Bericht hat leider einen Fehler bzw. kommt er falsch rüber, Ross Arnold ist der Autor und nicht der Co-Autor des Spiels. Suchy ist hier der Co-Autor. Er fand das Spiel von Ross Arnold so gut, dass er ihm bei der Veröffentlichung und dem Feinschliff helfen wollte. Ich finde es sehr schade, dass Ross Arnold hier oft gar nicht oder nur an 2. Stelle genannt wird.
Hallo Christoph, vielen Dank für deine Klarstellung. Du hast Recht, dass Ross seine Idee bei Delicious Games eingereicht hat und dann zusammen mit Suchy über mehrere Jahre Woodcraft entwickelt hat. Ich hätte diesen Punkt noch weiter ausführen können.
Die Bezeichnung Co-Autor stellt für mich aber auch in keiner Art und Weise eine Herabwürdigung der Leistung von Ross dar. Sollte in der Zukunft ein Spiel mit Ross Arnold als alleiniger Autor erscheinen, werde ich auf jeden Fall genauer hinsehen.
Für mich haben die beiden Männer zusammen ein sehr gutes Spiel geschaffen. Gerade diese Kooperation über mehrere Ländergrenzen hinweg hat Ross sehr positiv erwähnt. Wer auf das Endprodukt welchen Einfluss hatte und welche Idee mit reingebracht hat, kann und muss ich auch nicht mehr nachvollziehen. Wessen Name zuerst auf der Schachtel steht, ist nun mal die Entscheidung des Verlages.
Hallo Tim, immerhin hast du Ross Arnold wenigstens erwähnt. Fast alle Brettspiel-Youtube-Kanäle und Rezensenten vergessen den meist zu erwähnen. Das ist ja ähnlich wie bei Witchstone. Da wurde das Spiel in erster Linie von Martino Chiacchiera entwickelt und Reiner Knizia hat einige Ideen beigesteuert, soweit mir aus sehr gut unterrichteter Quelle bekannt ist, und fast jeder spricht hier nur von Reiner Knizia. Oder auch bei Mercado de Lisboa, wo die Spielidee von Julian Pombo stammt und er diese dann mit Vital Lacerda weiter ausgearbeitet hat und dann alle von einem Lacerda-Spiel sprachen. Hier jedoch sehr zum Nachteil des Spiels, da viele dadurch eine vollkommen falsche Erwartungshaltung hatten. Aus Marketinggründen kann ich gut verstehen, dass die Verlage die bekannteren Autoren in den Vordergrund stellen. Es ist aber leider nicht besonders wertschätzend.
Ja das ist natürlich schlimm die Autoren einfach zu vergessen. Und deine Beispiele sind mir auch sehr gut bekannt.
Aber ich kann auch gut nachvollziehen, dass man die bekannten Autoren in den Vordergrund stellt. Dadurch verkauft es sich besser und der unbekannte Autor erfährt auch eine Reichweite, die er sonst möglicherweise nicht erreicht hätte. Ich selbst z.B. fühle mich jetzt nicht schlechter, nur weil ich nach Stefan Feld auf der Schachtel stehe.
Aber ja eine Zusammenarbeit sollte auf jeden Fall entsprechend gewürdigt werden. Beteiligte Personen einfach vergessen oder ausschließen sollten wir (vor allem auch wir Blogger) auf keinen Fall.
Ein steile Lernkurve wäre doch super! Die Lernerin wird in kurzer Zeit schnelle Fortschritte machen. Das bedeutet, dass die Lernende die Fähigkeit oder Aufgabe schnell meistert. Dass das immer falsch verwendet wird. Umgangssprache scheinbar, aber eigentlich falsch.
Super ist es doch nur, wenn ich auch an der Kurve dranbleibe und nicht abflache. Ich sehe das eher so, dass es schwierig ist diese Lernkurve, die das Spiel von mir fordert, zu meistern (weil sie so steil ist). Vielleicht wäre tatsächlich fordert das bessere Verb an der Stelle.