„It’s a Long Way to Tipperary“ – ein Lied aus der Marschmusik, hat Tipperary wohl bekannt gemacht. Wer damit nichts verbindet, sollte es mal googeln und wird dann sagen: Ach, ja klar, das!
Nun macht Tipperary seine zweite Karriere – als Brettspiel Titel. Warum es uns in diesem neuen Plättchenlegespiel ausgerechnet in diese irische Grafschaft verschlägt, kann ich Euch leider nicht beantworten – was es spielerisch so mitbringt, allerdings schon.
Carina Brachter
SPIELBESCHREIBUNG
Tipperary ist ein Plättchenlegespiel, das in der gleichnamigen irischen Grafschaft spielt. Wir erkunden dort angrenzend an unseren Heimatort die Gegend und bauen Destillerien und Schafherden aus.
Jede Runde startet damit, dass wir mittels Drehscheibe ermitteln, aus welchem der fünf ausliegenden Bereiche wir Plättchen auswählen dürfen – nämlich dort, wo unser Wappen nach dem Drehen zum Stehen kommt. Es wird parallel gespielt: Wir suchen alle aus zwei Plättchen eines aus und legen es an unser Startplättchen mit dem Heimatort oder ein anderes bereits liegendes Plättchen in unserer Auslage an. Die Plättchen sind die allseits bekannten Poliominos in allen erdenklichen Größen und Formen.
Auf ihnen sind Landschaftstypen abgedruckt und diese bringen unterschiedliche Effekte und Punktemöglichkeiten:
- Die Schafe sollten zu einer möglichst großen Gruppe zusammengestellt werden, denn die größte Herde bringt uns schließlich Punkte und wer die größte Herde aller Mitspielenden besitzt, bekommt dann auch noch 5 Extrapunkte.
- Wenn wir zwei Moorfelder zu einem Schutzgebiet vereinen, dürfen wir ein Extraplättchen ziehen und anlegen.
- Die Ruinenfelder – werden drei davon nebeneinander platziert – bringen Burgentürme ein, mit denen bei Spielende ebenfalls Lücken auf dem Spielplan gefüllt werden können.
- Destillerien und Getreidefelder sollten ebenfalls nebeneinander platziert werden, denn jedes Mal, wenn dies geschieht, dürfen wir mit unserem Whiskyfass auf einer Punkteleiste voranschreiten.
- Mit Steinkreisfeldern bekommen wir bei Spielende die feste Zahl an Siegpunkten, die auf dem Plättchen aufgedruckt ist.
Bei all dem sollten wir nicht vergessen, dass wir vor allem ein möglichst großes Rechteck puzzeln wollen, denn je größer dieses bei Spielende ist, desto mehr Punkte bekommen wir dafür.
Nach 12 Runden – zu fünft nach 10 – endet das Spiel und die Punkte des Rechtecks, durch die Schafherde, durch Steinkreise, die Whiskey-Leiste und das Umrunden des Heimatortes werden addiert. Wer die meisten Punkte erzielen konnte, gewinnt Tipperary.
AUTOR: Günter Burkhardt ■ ILLUSTRATIONEN: Anna Block, Klemens Franz
VERLAG: Lookout Spiele ■ ERSCHEINUNGSJAHR: 2023
2-5 Spieler
ab 8 Jahren
ca. 45 Minuten
Spielregeln (Download – Deutsch)
SPIELGEFÜHL
Tipperary ist die vielbesungene Stadt bzw. Grafschaft in Irland – und die Optik des Spiels vermittelt den bekannten Stereotyp: Irland ist dunkel, kalt, nass und regnerisch. Zumindest wirkt die optische Gestaltung von Spielmaterial und Cover so auf mich und daher finde ich es eigentlich nicht so richtig passend für ein Familienspiel.
Wer sich davon nicht abschrecken lässt, entdeckt mit Tipperary ein schönes, zugängliches Plättchenlegespiel, das für die ganze Familie geeignet ist. Das Spiel macht dabei erstaunlich wenig neu und erinnert von der Mechanik und vom Thema her irgendwie ein bisschen an Kingdomino, ein bisschen an Isle of Skye, ein bisschen an Glenn More und der Auswahlmechanismus ist eine einfache Form der Lazy Susan von Planet Unknown.
Da kommt man schnell rein
Trotzdem und vielleicht gerade deshalb macht Tipperary Spaß, denn es scheint alles ein wenig bekannt, ist sehr zugänglich, schnell gespielt und nach 12 bzw. in großer Runde nach 10 Runden bereits vorbei. Man kann es daher jederzeit mal schnell hervorholen, ohne nochmal groß die Regeln nachzuschlagen.
Diese sind übrigens sehr gut gelungen, sie lassen keine Frage offen, bieten zu jedem Schritt ein Beispiel und leiten durch eine Beschriftung in der Marginalspalte durch die einzelnen Abschnitte.
Leider ein paar Materialschwächen
Die größte Herausforderung liegt nicht zwingend im Spiel: das Auslösen der Stanzteile – Achtung vor Einreißen! – und der Aufbau der beigefügten Türme sind da die erste Hürde. Leider sind diese nicht sehr stabil und halten trotz des theoretisch gut durchdachten Stecksystems nicht wirklich gut aneinander.
Was aber eine wirklich ärgerliche Fehlkonstruktion ist, ist der beiliegende Sack, in den die Puzzleteile gelegt und aus denen gezogen werden soll. Es ist kaum möglich, die Teile alle dort einzufüllen bzw. reinzustopfen – geschweige denn, dass auch noch eine Hand, die das ganze mischen soll und dann die Teile herausziehen soll, mit hineinpasst. Bevor ihr damit eure Zeit verschwendet: Werft die Puzzleteile in den Schachteldeckel und zieht daraus.
Und wo wir gerade bei den kleinen Mängeln sind: Achtet bitte auch bei den Puzzleteilen darauf, dass dort auf einigen kleine Bonusschafe drauf abgebildet sind. Diese sind wirklich schnell mal zu übersehen.
Da kommt keine Langeweile auf
Aber kommen wir zu den guten Seiten von Tipperary: Es ein kleines bisschen mit Planet Unknown zu vergleichen, ist nicht falsch. Der Plättchenauswahlmechanismus zeigt in beeindruckender Weise, dass nicht zwingend ein Plastikmonster auf dem Tisch notwendig ist, um zufällig Plättchen an Personen zuzuweisen. Auch, wenn alle Mitspielenden notwendig sind, das Rad beim Drehen gen Tischplatte zu drücken, damit es auch entsprechend fluffig seinen Dienst verrichtet.
Ebenso spielen wir alle gleichzeitig und es kommt wie bei der nominierten Verwandtschaft keine Downtime bei den Mitspielenden auf, die zwar ggf. nach dem Anlegen der Plättchen ihre Boni verwalten müssen, aber das ist schnell erledigt.
Schnell gespielt, mit Vertrauen aufs Glück
Daher ist die Spielzeit auch mit fünf Personen nicht signifikant höher, als wenn man Tipperary zu zweit spielt. Ist das Spiel bekannt, wird man wohl auch nur selten die auf der Schachtel angegebenen 45 Minuten für eine Partie benötigen. Dafür ist der Spielablauf viel zu fluffig. Und zum Grübeln gibt es hier nicht viel – es bleibt halt immer die entscheidende Frage: Welches Plättchen nehme ich und wie lege ich es an?
Dabei spielt natürlich auch wieder das Glück eine große Rolle. Man sollte niemals auf ein bestimmtes Teil in der Auslage spekulieren – man wird es im Zweifelsfall nicht bekommen, denn das eigene Wappen landet garantiert in einem Sektor mit Teilen, die man so gar nicht haben wollte. Damit klarzukommen und das Beste daraus zu machen, ist die Essenz des Spiels.
Worauf man achten sollte
Tipperary ist daher nicht wirklich strategisch zu spielen. Am wichtigsten ist es, das Rechteck nicht aus den Augen zu verlieren, das am Ende – neben den Schafen – im Zweifel die meisten Punkte für uns bringt. Bei 5×9 oder 6×8 kann man schon liegen – herausragen aus diesem Rechteck darf am Rande natürlich auch noch was, aber fehlen nun einmal nicht.
Gibt es Lücken, können diese während des Spiels mit Bonusplättchen durch die Schutzgebiete gefüllt werden oder am Ende des Spiels durch die Burgtürme. Sehr schade, dass z.B. die Türme sonst keine weitere Bedeutung im Spiel haben. So 3 oder 4 Pünktchen hätte ich da schon erwartet, wenn bei Spielende ein solch hübsches Burgtürmchen meine Auslage ziert.
In einer Partie haben wir ein bisschen gesponnen: Für ein Moor-Schutz-Gebiet sollte man doch einen kleinen Geist erhalten, der dann in einen Burgturm einziehen und dort oben herausschauen kann. Dafür entsprechend noch ein paar Pünktchen? Das wäre doch ein schönes Gimmick für die Erweiterung, oder?
Zusammenfassung
Tipperary ist ein schönes Plättchenlegespiel – bestens geeignet für die ganze Familie und für eher Wenigspielende, da es sehr zugänglich ist und von den möglichen Aktionen her klar strukturiert und gut überschaubar ist. Langeweile kommt keine auf, denn alle spielen gleichzeitig und optimieren ihre Landschaft mit Puzzleteilen.
Wer optimal Landschaften kombiniert, erhält Boni, die wichtig sein können, um am Ende die Nase vorn zu haben. Während des Spiels entsteht dabei vor den Spielenden eine ansprechende Landschaft mit Schaf-Figuren und Burgtürmen.
Allerdings: Einige Materialschwächen trüben dabei den Spielspaß und Vielspielern dürfte es langfristig zu wenig und zu glückslastig sein.
- Zugänglich, mit klarem, geradlinigem Spielablauf und gut verständlichen Regeln
- Ein Spiel für bis zu fünf Spielende ohne große Downtime
- Variables Spielmaterial gestaltet jede Partie anders
- Materialschwächen: zu kleiner Sack, Burgtürme lassen sich nicht gut zusammenstecken
- Etwas schwermütige und dunkle Gestaltung kommt nicht zwingend bei Familien gut an
- Spielverlauf glückslastig und wenig planbar
Aus meiner Spielerperspektive: Da Tipperary ein Plättchenlegespiel ist, bin ich eigentlich befangen – denn diese Mechanik kann ich eigentlich immer spielen. Aber neben den oben beschriebenen Nachteilen habe ich immer mal wieder Lust auf eine Partie, da sie so flott und kurzweilig gespielt ist und ich immer wieder eine neue Landschaft vor mir entstehen lässt. Das Knobeln, welches Plättchen wohl optimal ist und wie ich es am besten anlege, macht Freude, überfordert nicht und lässt sich sogar gut am Feierabend bewältigen.