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REVIEW | Rezension Brettspiel Sleeping Gods

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Ryan Laukat ist bekannt für seinen Ein-Mann Verlag, Red Raven Games, in dem er Spiele herausbringt, die oft mit einem Abenteuerbuch ausgestattet sind. Sleeping Gods ist wieder ein Vertreter dieser Art Spiele. Allerdings wird hier die Geschichte innerhalb einer Kampagne erzählt und nicht (wie z.B. bei Oben und Unten) im Verlauf mehrerer Partien.

Sleeping Gods ist 2019 auf Kickstarter gestartet und wurde letztes Jahr ausgeliefert. Eine deutsche Version ist zwar vom Schwerkraft Verlag angekündigt worden, aber bislang noch nicht erschienen. Deswegen möchte ich eine Anmerkung vorneweg stellen: Alle Eindrücke und Bilder in diesem Artikel beziehen sich auf die Kickstarter Version.

Außerdem möchte ich vornewegstellen, dass obwohl ich diesem Spiel sehr viel Zeit gewidmet habe, habe ich nur zwei Kampagnen gespielt und vielleicht ein Viertel von dem gesehen, was es zu entdecken gibt. Trotzdem glaube ich eine fundierte Bewertung abgeben zu können.

Tim Schleimer


SPIELBESCHREIBUNG

Sleeping Gods beginnt mit der Einführung in die Geschichte: Kapitän Sofi Odessa bricht von Hong Kong Richtung New York auf, um ihren kranken Vater zu besuchen. Dazu fährt sie mit ihrer Crew auf ihrem Schiff Richtung Westen und gerät in eine andere Welt. In dieser wird sie damit beauftragt, die Götter wieder zu erwecken, um nach Hause zu dürfen.
Wir spielen als die 9 Besatzungsmitglieder dieses Schiffes und versuchen uns zurechtzufinden und zu überleben.

Zu Beginn jeder Runde führen wir eine „Schiffsaktion“ durch, die uns einige Ressourcen und andere Vorteile für diese Runde geben. Danach ziehen wir eine Ereigniskarte, die uns meist vor eine Herausforderung stellt, die wir mithilfe der Crew bestehen müssen, um Schlimmes zu vermeiden. Dann sind wir wieder an der Reihe und führen zwei Hauptaktionen aus.

Die Aktion Erkundung bedeutet, dass wir in dem riesigen Abenteuerbuch den entsprechenden nummerierten Eintrag öffnen, der auch auf dem Spielplan abgebildet ist. Jetzt müssen wir Herausforderungen bestehen, Entscheidungen treffen, gegen Kreaturen kämpfen und andere Dinge tun.

Differenzen des Weges müssen wir mit den Schicksalskarten abdecken. Dort sind u.a. Zahlen von 1 bis 6 abgebildet, Wir ziehen eine Karte, und hoffen, dass unser gezogener Wert hoch genug ist. Im Laufe der Kampagne finden wir auch Abenteuerkarten, Fähigkeitskarten und passive Fähigkeiten, mit denen wir die Ergebnisse von Herausforderungen ändern können.

Manchmal führen unsere Entscheidungen aber auch zu Kampfbegegnungen, die ähnlich wie Herausforderungen funktionieren, außer dass wir die Waffen unseres Charakters verwenden, um den Monstern Schaden zuzufügen. Zusätzlich dazu können wir auch versuchen unsere Synergieplättchen zu nutzen, um noch besser anzugreifen.

Natürlich lassen die Monster nicht gerne auf sich einschlagen und richten bei uns auch ordentlich Schaden an. Deshalb ist es sehr wichtig, wohin wir den Schaden platzieren. Denn, durch das Platzieren der Marker decken wir Bonusschaden oder Fähigkeiten ab, die nicht mehr gegen uns genutzt werden können.

Im Laufe des Spiels werden wir oft vom Abenteuerbuch aufgefordert eine Questkarte zu nehmen. Diese fügen wir unserem Vorrat hinzu, wodurch wir Zugriff auf ein Schlüsselwort haben und somit weitere Auswahlmöglichen haben. Während einer Erkundung, werden wir häufig aufgefordert etwas zu tun oder nicht zu tun, wenn wir ein bestimmtes Quest-Schlüsselwort haben oder nicht haben. Diese Karten sind somit eine Art festzuhalten, was wir als Crew schon erlebt haben und wie die Geschichte nun weiter geht.

Das Spiel endet, wenn der Ereignisstapel zum dritten Mal durchgespielt worden ist. Das gibt uns in der Regel 54 Runden, bis wir dann zu einem vordefinierten Punkt im Abenteuerbuch springen und das Finale vorlesen. Auch dort gibt es aber wieder viele Möglichkeiten, die auch davon abhängen, was wir im Laufe der Kampagne gemacht haben. Und so lesen wir dann das Ende vor, welches wir erreicht haben. Zum Schluss gibt es noch eine Punktewertung mit der wir unsere Leistung mit anderen Kampagnen vergleichen können.



AUTOR: Ryan Laukat ■ ILLUSTRATIONEN: Ryan Laukat
VERLAG: Red Raven Games ■ ERSCHEINUNGSJAHR: 2021

1-4 Spieler

ab 14 Jahren

ca. 60 – 1200 Minuten

Spielregeln (ext. Link zu Red Raven Games )


SPIELGEFÜHL

Das Regelbuch sagt uns, dass wir versuchen sollen, so viele „Totems“ wie möglich zu bekommen, bevor der Ereignisstapel zum dritten Mal aufgebraucht ist. Somit begeben wir uns auf Quests, holen uns neue Karten, um die Crew zu stärken, und bekämpfen viele Monster, alles in der Hoffnung so viele Totems wie möglich zu finden. Es gibt über 200 Quests und 200 Orte, die wir erkunden können. Einige davon bringen Totems, und viele nicht. Es liegt völlig an uns, herumzufahren und sie zu finden.

Hier beginnen für mich der außergewöhnliche Teil von Sleeping Gods. Anfangs werden wir neben Ort 2 platziert, aber wir erhalten fast absolut keine Anleitung, was als nächstes zu tun ist. Es gibt kein „Starter“-Szenario, keine „erstes Spiel“-Empfehlungen. Sollten wir bei Ort 2 anfangen, um zu erkunden? Sollen wir lieber nach Westen segeln und die City of Ashes erkunden? Oder nach Süden und am Hafen von Pig Ribs vorbeischauen? Vielleicht sehen wir und lieber mal in Hunter’s Haven um?

Und diese radikale Freiheit ist, einfach gesagt, atemberaubend. Sleeping Gods erlaubt es uns, einfach ins Meer zu plumpsen und herumzuwandern. Vielleicht finden wir dieses Mal eine coole Kanone und suchen nach Möglichkeiten, sie zu benutzen. Beim nächsten Mal arbeiten wir daran, jemanden zu heilen, der zu Unrecht vergiftet wurde. Wir ziehen einfach los und machen Sachen! Und es wird entweder eine coole Quest gestartet oder es gibt wahrscheinlich Informationen zu einer Quest, auf die wir später zurückkommen und bestehen können.

Das Abenteuerbuch ist erstklassig geschrieben und ich denke, dass das Worldbuilding dieses Spiels leicht zur Spitzenklasse bei Brettspielen gehört. Die Geschichten sind einzigartig und bewegend und halfen uns dabei, uns in die Welt hineinzuversetzen und die Entscheidung bewusst zu treffen. Zwar gab es auch Fehler im Abenteuerbuch (z.B. war die falsche Kartennummer angegeben), aber diese waren so selten und haben uns nicht daran gehindert, tief in die Geschichte einzutauchen.

Sleeping Gods ist ein anspruchsvolles Spiel ist. Spielmechanisch nicht besonders schwer, verlangt viel von einem. Das fängt beim Platz auf dem Tisch an und hört bei der Zeit auf. Die Spielzeit ist mit bis zu 20h angegeben und unsere erste Kampagne hat auch so lange gedauert. Es gibt zwar Speichermöglichkeiten, aber wir konnten zum Glück vermeiden, das Spiel wieder einpacken zu müssen.

Auch wichtig ist das Mitschreiben und Dokumentieren des Erlebten. Für uns war es unmöglich alles im Kopf zu behalten: d.h. wo wir schon waren, was wir wo bekommen haben und was wir wo noch erledigen wollten. Es wird für folgende Kampagnen auch von offizieller Seite empfohlen, die Notizen aus früheren Spielen zu nutzen, um ggf. andere Optionen auszuprobieren. Wir haben aber erst im Verlauf der zweiten Kampagne gemerkt, dass unsere Mitschrift alles andere als ausreichend waren. Lieber etwas gründlicher als zu oberflächlich, spart in Folgekampagnen Zeit.

Leider ist es für uns manchmal schwer den Überblick über die aktuelle Runde zu behalten. Das Erkunden und Kämpfen kann recht langwierig sein. Oft fragten wir uns, ob wir jetzt schon die zweite Aktion gemacht haben oder erst die Erste. Zum Schluss haben wir ein nicht genutztes Plättchen dafür missbraucht, damit wir den Überblick behalten.


Zusammenfassung

Kampagnenspiele haben es nicht leicht. Sie müssen die (zeitlichen) Kosten rechtfertigen, sie anstelle anderer Spiele zu spielen. Mit immer mehr Spielen, die täglich nach unserer Aufmerksamkeit schreien, wird die Verpflichtung ein Kampagnenspiel anzufangen immer abschreckender. Vor allem, wenn es bereits viele herausragende Kampagnenspiele gibt.

Sleeping Gods bietet eine grundlegende Abkehr von typischen Kampagnen-Brettspielen bietet. Es umfasst ein radikales Maß an Offenheit und Entscheidungsfreiheit der Spieler und schafft eine echte Brettspiel-Sandbox, wie ich sie noch nie zuvor erfolgreich implementiert gesehen habe. Es erschafft eine offene Welt, in der wir herumstreifen, kämpfen und versuchen, Totems zu sammeln. Dabei fahren wir über einen weitläufigen, wunderschönen Atlas, praktisch ohne Meta-Anleitung aus dem Spiel selbst, was wir tun sollten.

  • Immersive Geschichte
  • Fast unerschöpfliches Entdeckungspotential
  • Kein roter Faden dem wir folgen müssen
  • Brauch sehr viel Platz und Zeit
  • Unübersichtliche Spielzüge
  • Wertung passt nicht ins Spielerlebnis

Aus meiner Spielerperspektive: Es hat mir viel Spaß gemacht in die Welt von Sleeping Gods einzutauchen und sie zu entdecken. Auch wenn jetzt erst mal wieder was anderes auf den Tisch kommt, freue ich mich schon wieder darauf weitere unentdeckte Möglichkeiten zu finden.

Absolut empfehlenswert.

2 COMMENTS

  1. Klasse Rezension, vielen Dank dafür. Nun schmerzt die lange Wartezeit auf den Schwerkraft Verlag nur noch um so mehr.

    • Ja, ich kann aber die Wartezeit wirklich gut nachvollziehen. Das ist wirklich ein riesiges Projekt und die Texte sind auch wirklich nicht einfach!

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