Home Jahr 2021 REVIEW | Rezension Brettspiel Scout

REVIEW | Rezension Brettspiel Scout

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Neue, gute Kartenspiele sind immer ein Gewinn! Da Scout im Vorfeld der Messe bereits als kleiner Geheimtipp unter den Kartenspielen galt, musste ich mir das einfach näher ansehen. 

Und da es auch hieß, es sei ähnlich wie „Krass kariert“, gab es einen weiteren, guten Grund für einen Test. 

Krass kariert ist leider immer ein wenig zu sehr „unter dem Radar“ geflogen, wobei der Mechanismus doch recht innovativ und für Gerne-Kartenspieler eine schöne Herausforderung darstellte. Was macht nun Scout aus und anders? 

Carina Brachter


SPIELBESCHREIBUNG

Scout nimmt uns mit in den Zirkus. Mittels Handkarten, die Artistinnen und Artisten mit besonderen Begabungen darstellen, spielen wir sog. „Shows“ aus. Diese müssen die Mitspielenden vom Wert her überbieten. Wenn ihre Handkarten das nicht zulassen, müssen sie sich eine bessere Truppen zusammenscouten, die dann dazu führt, wieder höherwertige Shows darbieten zu können. 

Die Besonderheit des Spiels besteht im Handkartenmanagement: 

Jeder startet je nach Anzahl der Mitspielenden mit elf oder zwölf Handkarten, die auf keinen Fall sortiert oder auf der Hand umgesteckt werden dürfen. Sie werden, wie ausgegeben, auf die Hand genommen. Dann schauen wir, ob wir mit dem Blatt so spielen wollen oder es umdrehen – diese Entscheidung steht uns nur zu Beginn des Spieles frei. Die Karten tragen oben und unten Ziffern. Wir entscheiden also bei Spielbeginn, welche Seite „besser“ ist und spielen erst dann los.

Was ist aber „besser“?

Es dürfen immer nur zusammenhängende, auf der Kartenhand nebeneinander stehende Karten ausgespielt werden. Schön ist es daher, wenn unsere Handkarten möglichst viele zusammenhängende Zwillinge, Drillinge oder Straßen aufweisen. Ausgespielt werden dürfen zwar auch einzelne Karten, aber sie müssen ja immer die ausgespielten Karten auf dem Tisch übertreffen. 

Wann tun sie das? 

Einzelne Werte übertreffen sich, wenn die Werte jeweils höher sind. Eine Straße aus zwei Karten kann eine hohe einzelne Karte übertreffen. Eine „kleine Straße“ wird von einer höhenwertigen kleinen Straße oder Zwillingen übertrumpft. Diese wiederum von einem höhenwertigen Zwilling oder einer Straße, die drei Karten lang ist. Diese wiederum von einem Drilling usw.

Wer an der Reihe ist, versucht also, die ausgelegten Karten auf dem Tisch zu überbieten. 

Gelingt dies, dürfen die ausliegenden Karten genommen werden und als Punkte vor sich abgelegt werden.

Gelingt dies nicht, müssen wir „scouten“, d.h. eine der ausliegenden Karten zu unseren nehmen. Diese dürfen wir frei in unsere Kartenhand stecken, um damit einen Zwilling, Drilling oder eine Straße zu bilden. Steht uns noch der Scout & Show-Token zur Verfügung, dürfen wir nach dem Scouten sogar noch selber eine Show ausspielen, aber das dürfen wir pro Runde nur einmal.

Der Mitspielende, aus dessen Auslage wir eine Karte gescoutet haben, erhält einen Punktechip als Belohnung.

Dies geht so lange, bis jemand keine Karten mehr auf der Hand hat oder alle scouten mussten. Danach erfolgt die Auswertung – erbeutete Karten sind Pluspunkte, alle Restkarten auf der Hand werden abgezogen. Die erzielten Punkte nehme ich mir als Zahlenchips. Es werden insgesamt so viele Runden gespielt, wie es Mitspieler:innen gibt – wer danach die meisten Punkte erzielt hat, gewinnt Scout.



AUTOR: Kei Kajino ■ ARTWORK: Jun Sasaki, Rie Komatsuzaki
VERLAG: Oink Games ■ ERSCHEINUNGSJAHR: 2021

2-5 Spieler

ab 9 Jahren

ca. 20 Minuten

Spielregeln (ext. Link zu Oink Games)


SPIELGEFÜHL

Stichspiel mit Verwandtschaft – ganz klar!

Scout ist ein wirklich gelungenes, abstraktes Kartenspiel, eine Art Stichspiel, was aber ohne „Bedienen“ und „Trumpf“ auskommt. Es holt also auch die ab, die bei den typischen Begriffen von Stichspielen lieber abtauchen.   

Es ist „Krass kariert“ sehr ähnlich, aber auch das bessere von beiden. Wenn Ihr daher Krass kariert kennt und mögt, schaut Euch auf jeden Fall Scout an. Wer Krass kariert nicht kennt, dem empfehle ich direkt den Start mit Scout. Warum? Zum Unterschied der beiden Spiele gehe ich am Ende noch genauer ein.

Wo liegt der Kniff – was ist das Besondere?

Der Kniff besteht darin, dass wir unsere Kartenhand während des Spiels optimieren müssen. Am Anfang ist bereits vorausschauende Planung notwendig. In der ersten und meistens auch zweiten Runde ist die Lernkurve daher noch sehr hoch. Was beim Erklären noch sehr abstrakt klingt, muss zunächst angewandt und erfahren werden. Dann weiß man schnell, worauf man künftig achten muss. Die ersten Runden kann man daher auch mal leicht mit Minuspunkten beenden und mit neuen Spieler:innen daher besser erstmal zwei Lernpartien durchgehen, bevor man in die ernsthaften Zählung einsteigt.

In diesen Lernpartien wird dann schnell klar: Spiele ich die 3 zwischen den beiden 6en erstmal weg, habe ich dann nen prima Zwilling auf der Hand. Ist der erstmal ausgespielt, werden aus der 6 und 7 links davon und aus der 8 rechts davon eine super Straße, die drei Karten lang ist. Der Schlachtplan steht daher schnell fest: Weg mit der 3, damit die Engine starten kann. 

Personal – ich brauche besseres Personal!

Klappt es dann mal nicht so wie geplant, dann sollte ich immer ein genaues Auge drauf haben, welche Show mir gerade auf dem Tisch geboten wird! Es ist durchaus ratsam, nicht erst dann über scouten und die Aufwertung der eigenen Handkarten nachzudenken, wenn die Not groß ist, ich also nicht mehr ausspielen kann. Ich sollte frühzeitig die Augen offen halten und Karten an Land ziehen, die meine vorhandenen Zwillinge zu Drillingen oder kurze Straßen zu langen Straßen werden lassen. Und zwar dann, wenn sie auf dem Tisch liegen. Ob sie gegen Ende des Spiels auftauchen werden, ist ja nicht garantiert.

Hier genieße ich dann auch eine große Flexibilität, denn jede der Karten auf dem Tisch, die ich scouten kann, kann ich frei meinen Handkarten hinzufügen. Dabei kann ich nicht nur die Stelle wählen, an der ich sie einstecke, sondern auch noch die Seite und somit den Zahlenwert, den ich von ihr nutze. Hierbei ist nicht immer „hoch = gut“. Eine Karte mit den Werten 1 und 8 nutze ich beispielsweise lieber als 1, wenn ich aus einer Straße mit den Werten 2, 3 und 4 eine Viererstraße machen kann.

Eine wirklich große Show muss her!

Hinzu kommt, dass es gegen Ende des Spiels immer wichtiger wird, andere übertrumpfen zu können. Einzelne Karten werde ich gegen Spielende kaum noch los und das ist doch so wichtig, denn die Restkarten auf meiner Hand sind Minuspunkte. Gegen Spielende ist es daher ratsam, möglichst lange zusammenhängende Kartenreihen auf der Hand zu haben, um vorher gespielte Showauslagen noch übertrumpfen zu können und die Mitspielenden mit einem jähen Spielende überraschen zu können. Das kann dann schonmal ziemlich emotional werden…

Brauchen wir diesen Zirkus?

Scout ist dabei ein völlig abstraktes Spiel. Das Zirkusthema ist ein netter Versuch, ein abstraktes Kartenspiel in einen thematischen Zusammenhang zu kleiden, bei dem Versuch bleibt es aber! Jede Karte trägt zwar den Namen des jeweiligen Artisten, allerdings führte dies bei uns in machen Runden eher zu einer Art Prominentenraten. Die Vornamen wurden beim Ausspielen der Karten mit den Nachnamen berühmter Persönlichkeiten ergänzt und Dopplungen in den jeweiligen nachfolgenden Runden sollten tunlichst vermieden werden… Aber genug davon.

Ich finde es gut, dass die Karten nicht auch noch mit Trapezkünstlerinnen oder Trampolinspringern verziert wurden, denn das hätte die Karten überladen und vom Spiel abgelenkt. 

Funktionales

Scout funktioniert auch gut in kleiner Runde, ich würde es aber immer lieber mit drei oder vier Spieler:innen spielen. Die Regeln für das Spiel zu Zweit sind ein wenig anders, aber das passt gut und man muss nicht viel ändern. Die Spielregel hat uns an der ein oder anderen Stelle ein wenig Mühe gekostet – von der mikroskopischen Schrift bis hin zu zwei, drei missverständlichen Formulierungen. Sonst kann man gegen das Spielmaterial in der praktischen kleinen Oink-Schachtel nichts sagen. Die Qualität der Karten und Token ist gut und das Spiel schnell und einfach mitgenommen.

Krass kariert – wie eng ist die Verwandtschaft?

Kommen wir nochmal zurück auf den Vergleich mit Krass kariert: Regeln und der Spielablauf ähneln sich sehr. Allerdings lässt Scout einem mehr Freiräume als Krass kariert. Hier stehen uns nur zwei Karten zur Verfügung, die wir während des Spiels zur Optimierung unserer Kartenhand verwenden dürfen. Diese dürfen wir uns nicht selber aussuchen, da sie uns bei Spielbeginn zugeteilt werden und offen ausliegen.

Krass kariert hat zudem noch drei Sonderkarten im Angebot, die das Spiel noch ein wenig unberechenbarer machen. Scout kommt ohne diese Elemente aus, so dass das Spiel ein wenig kontrollierbarer macht – zumindest hat man das Gefühl. 

Krass kariert steht aber dazu, dass es ein abstraktes Spiel ist und setzt nicht ein unnützes Thema auf. Grundsätzlich würde ich Scout bevorzugen, da ich die Flexibilität hier zu würdigen weiß und gerne nutze. Es fixt genau die Punkte, die mich bei Krass kariert immer ein wenig gestört haben.


Zusammenfassung

Scout ist ein schönes Kartenspiel in kleiner Schachtel, optimal zum Mitnehmen und gut geeignet für alle, die nicht allzu schwere Kartenspiele mögen. Der Kniff, dass Handkarten nicht umgesteckt werden dürfen und man sie durch das gezielte Ausspielen und Scouten neuer Karten optimieren muss, macht den besonderen Reiz und die Herausforderung aus. Diese und der Wunsch, das immer besser hinzubekommen, macht einen schönen Wiederspielreiz aus, der zwar auch zu Zweit funktioniert, aber am besten in Runden ab drei Spieler:innen funktioniert.

  • Einmal das Spielprinzip verinnerlicht, bietet Scout ein schönes flottes Spieltempo
  • Herausfordernd, aber nicht überfordernd
  • Wertiges Spielmaterial 
  • Aufgesetztes Thema hätte es nicht gebraucht
  • Frustrierend: Gefälle zwischen Neueinsteigern und Fortgeschrittenen
  • Für Linkshänder sind die Karten nicht optimal beschriftet
  • Karten nicht Linkshändergeeignet

Aus meiner Spielerperspektive: Scout ist ein Gewinn! Krass kariert habe ich immer schon gerne gespielt, aber die fehlende Flexibilität bei der Gestaltung meines Spiels hat mich dabei manchmal gestört. Mit Scout habe ich diese deutlich mehr selbst in der Hand und bin meines eigenen Glückes Schmied. Außerdem finde ich es gut, dass ich Scout jetzt auch zu Zweit spielen kann, was bei Krass kariert nicht möglich war. Absolute Pluspunkte, die mich in meiner Spielwahl künftig klar beeinflussen werden.

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