Freitag, November 15, 2024
StartJahr2023REVIEW | Rezension Brettspiel Punktestadt

REVIEW | Rezension Brettspiel Punktestadt

Brettspielbox Brettspiele

Es gibt schöne Nachrichten! Die Brettspiele Punktesalat und Splendor haben ein Baby bekommen! Es heißt Punktestadt und ist – stereotyp gedacht – aufgrund der Farbgebung der Schachtel vermutlich ein Junge. Der Kleine hat viel von seinen Eltern und ich kann schonmal sagen: Er hat einen guten Charakter! 

Was genau der Kleine alles draufhat, lest Ihr im Folgenden.

Carina Brachter


SPIELBESCHREIBUNG

Bei Punktestadt bilden wir zunächst einen Kartenstapel, dessen Zusammensetzung je nach Spieler:innenanzahl zusammengesetzt wird. Die Karten der Stufe 3 kommen dabei nach ganz unten, die Karten der Stufe 1 bilden den oberen Teil. Eine praktische Übersicht hilft dabei, die entsprechende Anzahl an Karten schnell zu ermitteln.

Dann bilden wir aus den Karten die Marktauslage, ein 4×4-Raster, in der Tischmitte. Zudem legen wir die Bürgerplättchen bereit, deren Anzahl sich ebenfalls an der Zahl der Mitspielenden orientiert. Jede:r erhält dann noch ein Universal-Startkarte, die als Joker-Ressource eingesetzt werden kann. 

Im eigenen Spielzug darf ich zwei orthogonal benachbarte Karten aus dem Raster nehmen oder alternativ zwei vom Stapel. Zu Beginn liegen alle Karten mit ihrer Ressourcenseite aus. Werden sie weggenommen, werden Karten nachgelegt – dann aber immer auf der entgegengesetzten Nutzungsseite der Karten: Alle Karten tragen auf der anderen Seite die Abbildung eines Gebäudes sowie die Kosten, die ich zum Bau dieses Gebäudes benötige. Nehme ich ein Gebäude aus dem Raster, muss ich dessen Kosten in Form von Ressourcen auch zur Verfügung haben, denn ich muss es auch direkt in meine Auslage bauen.

Wir benötigen also Ressourcen, um die Gebäude bezahlen zu können. Bauen wir Gebäude in unsere Auslage, tragen sie aber auch permanente Ressourcen, die wir dann künftig immer nutzen können. Auf diese Weise kommen immer weitere Gebäude und Ressourcen hinzu und wir können uns immer teurere und wertvollere Gebäude kaufen. Einige bringen neben den permanenten Ressourcen auch Siegpunkte, manche nur Siegpunkte und andere haben den Sinn, dass wir uns beim Erwerb sog. Bürgerplättchen auswählen dürfen, die für bestimmte Karten oder Kombinationen in unserer Auslage am Ende des Spiels Siegpunkte einbringen.

Das Spiel endet, wenn der Kartenstapel aufgebraucht ist und das Raster nicht mehr aufgefüllt werden kann. Dann werden die Punkte ausgezählt und es gewinnt Punktestadt, wer die meisten Siegpunkte erzielen konnte.



AUTOR: Molly Johnson, Robert Melvin, Shawn Stankewich ■ ILLUSTRATIONEN: Dylan Mangini
VERLAG: AEG | Skellig Games ■ ERSCHEINUNGSJAHR: 2023

spieler

1-4 Spieler

alter

ab 10 Jahren

zeit

ca. 15-30 Minuten

Spielregeln (Download – Deutsch)


SPIELGEFÜHL

Früher war mehr Gemüse. Jetzt tummeln wir uns zwischen lauter Gebäuden – vom Imbisswagen bis hin zur Universität – und bauen uns unsere punkteträchtigste Stadt. Und während sich Punktesalat durch eine extrem niedrige Einstiegshürde auszeichnete, müssen wir bei Punktestadt die grauen Zellen schon ein wenig mehr strapazieren, um hier erfolgreich zu sein.

Punktestadt ist komplexer als Punktesalat, es ist das next level dazu. Allein dadurch, dass man immer überlegen muss, welche Kombination auf dem Tisch sinnvoll ist und wie man das Gebäude, das man sich nehmen möchte, finanzieren kann, ist hier mehr Nachdenken angesagt. Auf diese Weise verliert das Spiel gegenüber seinem Vorgänger auch an Spieltempo. Dennoch ist es noch lange kein Brainburner.

Verwandtschaftsverhältnisse

Der Spielablauf ist nach wie vor sehr zugänglich und fluffig: Man nimmt sich zwei Karten. Punkt. Weitere Möglichkeiten habe ich nicht. Quasi nebenbei und ganz natürlich entsteht vor mir eine kleine Siedlung, die mir zunächst möglichst permanente Ressourcen bringen soll, die ich dann wiederum in teurere und punkteträchtigere Gebäude für eine ganze Stadt investieren kann. Diese Gebäude kommen nach und nach durch den Kartenstapel ins Spiel, so dass sich eine langsame, aber kontinuierliche Steigerung der Anforderungen ergibt.

Nicht zuletzt diese Ähnlichkeit zu Splendor macht das Spielgeschehen elegant und interessant. Auch bei Splendorbauen wir uns durch Karten, die wir kaufen, einen Pool an permanenten Zahlungsmitteln auf, mit denen wir immer bessere und teurere Karten aus der Auslage kaufen können. Beide Spiele erfahren dadurch einen sanften Anstieg in der Komplexität. Und bei beiden entwickelt sich durch die grundsätzlich geringen Entscheidungsmöglichkeiten ein flottes Spieltempo. 

Lebewohl, ihr Pläne

Auch Punktestadt verlangt von uns immer recht schnelle Entscheidungen. Langes Hinsparen auf ein bestimmtes Gebäude ist meist nicht möglich, denn im Raster ist viel Bewegung! In Vollbesetzung macht Pläne schmieden wenig Sinn. Da sollte man besser gar nicht mit bestimmten Kartenkombinationen liebäugeln, denn die sind vermutlich eh verschwunden, bevor ich wieder an der Reihe bin. Manchmal stecken im Kartentausch aber auch wieder neue Chancen… Im Spiel zu zweit tut sich im Raster natürlich weniger. Da kann man schonmal auf ein Gebäude sparen, damit man es sich in der übernächsten Runde nehmen kann.

Punkte, Punkte, Punkte

Warum will ich eigentlich bestimmte Gebäude haben? Zum einen möchte ich mich bei den permanenten Ressourcen ggf. breit aufstellen oder Schwerpunkte bilden. Zum anderen gibt es die Bürgerplättchen. Ohne die wird Siegen schwer. Hierüber kann man richtig viele Punkte bei der finalen Abrechnung erzielen und daher sollte man sie nicht außer Acht lassen. Auch wenn die Mitspielenden Bürgerplättchen erhalten, kann man versuchen, diese beim Punktesammeln aufzuhalten – aber erst, wenn man im Spiel ein wenig fortgeschritten ist. Dann kann es ganz schön gemein werden, wenn einem die Sammelobjekte immer vor der Nase weggenommen werden. Interaktion ist also garantiert. Je erfahrenere Spielende am Tisch sitzen, umso mehr.

Es geht aber auch anders: In einem Spiel zu viert war ich anfangs noch sehr unglücklich damit, kaum permanente Ressourcen zur Verfügung zu haben, hatte aber bei Spielende etliche Bürgerplättchen und habe damit hoch gewonnen. 

Schade nur, dass die Bürgerplättchen nirgendwo in der Spielregel erläutert sind. Alle, die Punktesalat kennen, werden hier im Verständnis sicher keine Schwierigkeit haben. Neulinge in der Themenwelt ggf. schon.

Kann es denn so schwer sein?

Das einzig wirklich schwierige am Spiel ist das korrekte Nachlegen der Karten. Nimmt man eine Ressourcenkarten, wird an diese Stelle im Raster eine Karte auf der Gebäudeseite nachgelegt und umgekehrt. Man sollte eigentlich meinen, dass man sich das doch kurz merken kann, wie die Karten lagen, bevor man nur Sekunden später die Karten nachlegt. Doch nein! Wie war das noch? Vergessen… Aus diesem Grund liegen dem Spiel wohlweislich zwei Token bei, die man schnell in die Lücken werfen kann, um einen Merker zu schaffen, was man dort hinlegen muss. Doch auch diese werden manchmal vergessen. Verrückt, welch geringe Leistung so ein Hirn doch hat… Das scheint aber häufiger auch bei Testspielen der Fall gewesen zu sein, denn die Regel empfiehlt, die Token einfach wie eine Münze zu werfen, falls man vergessen hat, wie die Karten lagen – ein schön pragmatischer Ansatz.

Dieser Verwaltungsaufwand mit den Karten nervt manchmal ein bisschen, da das Nachlegen doch oft mit der Planung der eigenen nächsten Entscheidung zusammenfällt, aber wirklich schlimm ist das jetzt auch nicht. 

Der flexible Stadtplaner

Schön an Punktestadt ist die Variabilität des Spielmaterials, die wirklich jede Partie anders gestaltet. Zum einen ist lobend hervorzuheben, dass die Übersicht für den Spielaufbau sehr hilfreich dabei ist, das Material für das Spiel je nach Spielendenanzahl zusammenzustellen. 

In jeder Partie kommen damit auch andere Karten und andere Ressourcenschwerpunkte ins Spiel. Auch die Bürgerplättchen variieren. Und dadurch, dass die Karten zwei Verwendungsmöglichkeiten haben, ist immer alles im Fluss, ein wenig unberechenbar zwar, aber letztendlich auch überraschend. Man muss damit arbeiten, was man bekommt. Wer mit einer vorgefertigten Strategie ins Spiel geht, agiert zu starr. Auslage ansehen, eigene Ressourcen abwägen, Möglichkeiten ausloten, Karten nehmen. Von der Hand in den Mund sozusagen. Und immer flexibel bleiben. So gewinnt man Punktestadt.

Wie man es dreht und wendet

Eine wichtige Regel im Spiel ist es, dass man in reinen Ressourcenreihen oder -spalten immer eine Karte auf die Gebäudeseite drehen darf. Abgesehen davon, dass man sonst nur schlecht ins Spiel starten könnte, führt dies zu mehr Optionen und zu mehr Chancengleichheit. Manchmal wäre es auch wünschenswert, wenn man auch in reinen Gebäudereihen und -spalten auch eine der Karten wieder auf die Ressourcenseite drehen dürfte. Dies ist allerdings nicht erlaubt, da man ja auch immer Ressourcen vom Stapel nachziehen darf. 

Psychedelischer Joker

Ein Wort noch zur Gestaltung: Die Gestaltung des Covers sowie der Gebäudeseiten der Karte, die Token – alles gefällt mir sehr gut. Besonders diese recht cleanen Gebäude sind wirklich hübsch. Drehen wir die Karten auf die Ressourcenseite, wird es schon recht wild. Für die Unterscheidbarkeit zur Gebäudeseite wurde hier eine Menge getan, aber clean ist dann hier nur noch wenig. In Knallfarben-Gestaltung kann man die Ressourcen zwar gut unterscheiden, aber die großen Ressourcensymbole auf etwas zurückgenommenem Hintergrund hätten es für mich auch getan. Der Knaller ist der Joker – die Universalressource. Über diesen wurde der gesamte Farbtopf gegossen. Inhaltlich stimmig, aber beinah kopfschmerzfördernd in der Betrachtung…


Zusammenfassung

Punktestadt ist der Nachfolger des leichteren Punktesalat. Es führt die einfache Zugänglichkeit und das flotte Spieltempo in seinen Grundzügen fort, ist aber ein wenig anspruchsvoller und beinhaltet den Aufbau einer Ressourcen-Engine als zentrales Spielelement. Auf diese Weise können wir es uns leisten, vor uns eine Stadt aus kleinen und später auch großen Gebäuden entstehen zu lassen, die uns Punkte bringen. Auch über sog. Bürgerplättchen lassen sich Punkte generieren, die wir nicht außer Acht lassen sollten.

In einigen Punkte ähnelt Punktestadt Splendor, was aber kein Nachteil ist. Alle, die Spaß an Punktesalat und Splendor finden, machen mit Punktestadt nichts falsch. Punktestadt ist ein schnelles Spiel für alle – für Wenigspieler schön zugänglich, für Vielspieler als angenehmer Füller.

  • Schnell zu verstehen und flott zu spielen
  • Sanfte und verträglich ansteigende Komplexität während des Spiels
  • Hübsche Gestaltung der Gebäudekarten und gute Unterscheidbarkeit in der Symbolsprache
  • Etwas Verwaltungsaufwand beim Nachlegen der Karten, was aber durch Hilfsmittel unterstützt wird
  • Erläuterung der Bürgerplättchen fehlt in der Spielregel

Aus meiner Spielerperspektive: Ich mag an Punktestadt, dass es sich so angenehm spielt. Zum einen flott aufgebaut und gespielt, zum anderen ist immer irgendetwas möglich und jedes Spiel gestaltet sich ein wenig anders. Das Spielerlebnis ist daher immer abwechslungsreich und verlangt Flexibilität im Umgang mit den Möglichkeiten. Da ich das „etwas Mehr“ an Komplexität schätze, würde ich es eher aus dem Schrank holen, als Punktesalat. Auf den Tisch kommt es sicher noch oft. 

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