Als Lost Cities Fan der ersten Stunde war ich immer skeptisch, als das Spielsystem auf weitere Spiele übertragen wurde und beileibe nicht jede Umsetzung hat mir gefallen. Die erfolgreiche Marke hat in den letzten Jahren so einigen Zuwachs erlebt, nun also auch ein Roll & Write.
Stimmt, das fehlte doch noch! Es wurde auch Zeit, denn hat nicht jedes halbwegs erfolgreiche Spiel in den letzten Jahren ein solches als Reihenergänzung bekommen?
Neugierig war ich dann natürlich schon, ob das Flair vom ursprünglichen Lost Cities auf ein Roll & Write übertragen werden kann. Also schauen wir uns das mal an…
Carina Brachter
SPIELBESCHREIBUNG
In „Lost Cities Roll & Write“ übernehmen wir die Rollen von Expeditionsleitern. Sechs unterschiedliche Expeditionen stehen zur Verfügung, repräsentiert durch sechs Leisten auf den Spielblättern.
Alle Spieler:innen erhalten eines dieser Blätter und einen Stift. Wer beginnt, würfelt mit allen sechs Würfeln. Drei davon sind Farbwürfel mit je sechs Seiten, drei Würfel tragen die Zahlenwerte von 0 bis 9. Wer gewürfelt hat, darf aus dem Würfelergebnis eine Kombination aus einem Farb- und einem Zahlenwürfel wählen. Die gewählte Farbe legt fest, in welcher der Expeditionsreihen auf dem Spielblatt die gewählte Zahl eingetragen werden darf.
Alle anderen Spieler:innen dürfen aus den übrig gebliebenen Würfeln ebenfalls einen Kombination aussuchen und auf ihrem Spielblatt eintragen.
Zu beachten ist dabei, dass die Zahlen immer nur aufsteigend eingetragen werden dürfen. Es ist aber auch erlaubt, die gleiche Zahl einzutragen, die zuvor eingetragen wurde. Je weiter man in den Reihen aufsteigt, umso mehr Punkte erhält man bei Spielende. Die Leiste auf der linken Seite des Spielblattes zeigt dabei an, wie viele Punkte man erhält.
Ggf. ist es möglich, vor dem Eintragen der ersten Zahl in einer Reihe ein Verdopplungsfeld anzukreuzen. Am Ende des Spiels zählen die Punkte dieser Reihe doppelt, auch, wenn es ggf. nur negative Punkte für diese Reihe gibt!
Zudem sind noch Zusatzpunkte durch das Sammeln von Artefakten oder das erste Überschreiten von bestimmten Kontrollpunkten (Brücken) zu erzielen. Auch das Ablehnen von Würfeln oder Passen muss auf einer separaten Leiste angekreuzt werden. Hält sich das im Rahmen, erhält man dafür bei Spielende auch noch Punkte, doch übertreibt man es, ist man „erschöpft“ und fällt bei der Wertung dieser Leiste auf Null zurück.
Das Spiel endet, sobald alle Kontrollpunkte überschritten wurden oder alle Spieler:innen „erschöpft“ sind. Danach werden alle Punkte zusammengerechnet und es gewinnt, wer die meisten Punkte erzielen konnte.
AUTOR: Rainer Knizia ■ ILLUSTRATION: Bernd Wagenfeld
VERLAG: Kosmos ■ ERSCHEINUNGSJAHR: 2021
2-4 Spieler
ab 8 Jahren
ca. 30 Minuten
Spielregeln (ext. Link zu Kosmos)
SPIELGEFÜHL
Wer das ursprüngliche Lost Cities kennt, weiß, um was es in der Lost Cities-Welt geht – möglichst lukrative Expeditionen durchführen. Wer Lost Cities nicht kennt, fragt sich, was genau wir hier tun („Warum heißt das Lost Cities“?) Der Flavourtext ist dabei keine große Hilfe, denn hier wird lediglich vom „Punktejagd im Dschungel“ gesprochen. Wie sich das mit den Wetten, also den Verdopplungen, verhält und was das für einen Hintergrund hat, fällt hier weitestgehend unter den Tisch. Thematisch kommt hier daher nur wenig vom Expeditionsflair bei den Spielenden an.
Die Mechanik steht im Vordergrund
Die Geschichte ist hier also völlig zweitrangig oder wird als bekannt vorausgesetzt. Vermutlich geht der Verlag davon aus, dass bei diesem Spiel im Wesentlichen Fans der Marke zugreifen. Vor dem Hintergrund, dass man die Geschichte kennt, bettet sich das Roll & Write in den bereits bekannten Kontext gut ein: Wir wollen eine möglichst lange Reihe bei den einzelnen Expeditionen realisieren, damit unsere Mühen möglichst viel Ertrag für uns bringen.
Leichter, aber etwas schleppender Einstieg:
Das Spiel ist schnell verstanden. Es lässt sich auch gut neuen Mitspielern erklären und schon geht es los:
Am Anfang des Spiels scheuen wir noch davor zurück, bereits mit Werten von 3 oder höher in eine Expeditionsreihe zu starten. Was, wenn wir zu hoch gepokert haben und uns unser Mut nachher auf die Füße fällt? Wir also nur noch kleine Zahlenwerte in der Reihe bekommen und wir im Bereich der Minuspunkte hängen bleiben…
Wie eiern also zu Beginn noch ziemlich rum. Es zeigte sich aber in den meisten Partien, dass man in den Reihen erfolgreicher weiterkommt, wenn man nicht gar so weit unten anfängt. Mit einer 4 zu beginnen, ist meist effizienter, als auf kleine Werte zu warten.
Meist kann nur der aktiv Würfelnde eine gute Farb-/Zahlenkombination abgreifen. Bei den anderen Spieler:innen sieht es oft so aus, dass sie erstmal passen und dies in der entsprechenden Reihe markieren. Spielt man in voller Besetzung von fünf Personen, ist man mit der ersten Wahl auch sehr selten dran. Der „Pegel“ in der Erschöpfungsleiste steigt dann schnell an, zumal, wenn zu Beginn des Spiels viele hohe Zahlenwerte gewürfelt werden.
Soll ichs machen oder lass ichs lieber sein?
Neben der Entscheidung, welchen Zahlenwert wir eintragen, stehen wir immer wieder vor der Frage: Beginne ich noch eine weitere Expedition? Das ist spieltechnisch schön gelöst, denn man muss mit den Expeditionen mindestens vier Felder weit kommen, damit man im positiven Bereich landet. Hier greift dann der Effekt, der so unnachahmlich ist für das ursprüngliche Lost Cities: Riskier ichs oder lass ichs lieber… Während man beim ursprünglichen Spiel noch eine Kartenhand hat, auf der man einschätzen oder im besten Falle ausrechnen kann, ob die Expedition ergiebig sein wird, ist man hier auf Gedeih und Verderb dem Würfelglück ausgeliefert.
Im Gegensatz zur Kartenvariante des Spiels würde ich beim Roll & Write aber immer dazu raten, noch eine weitere Expedition zu beginnen, da man sich auf diese Weise sehr viel Spielraum dazu erkauft, um noch Würfelergebnisse verwenden zu können.
Booster sinnvoll nutzen und den Gegner nicht aus den Augen lassen
Ein schöner Kniff zum schnellen Vorwärtskommen sind die Beschleunigungsfelder. Trägt man hierauf eine Zahl ein, darf man in einer anderen Reihe noch eine weitere Zahl eintragen. Ist dort wieder ein solches Feld, kann man schon mal eine kleine Kettenreaktion erzeugen. Die Felder mit Beschleunigungspfeil sollte man daher klug nutzen, denn schnell hat man auf diese Weise zwei, drei Einträge mehr als die Mitspieler:innen. Daher der Tipp: Es bietet sich daher immer an, in den drei rechten Spalten zu beginnen, da sich hier die meisten Felder mit Pfeilen befinden.
Bei all seinem Tun sollte man dann auch die Mitspieler:innen nicht aus den Augen lassen: Ein schönes interaktives Element sind die Brücken, mit denen man noch zusätzliche Punkte abstauben kann. Schaffe ich es hier als erstes, den Kontrollpunkt zu überschreiten? Kann jemand anderes durch Nutzung einer bestimmten Würfelkombination schneller dorthin gelangen? Dann sollte ich dieses Vorhaben vereiteln und mir die Würfel selber unter den Nagel reißen…
Zusammenfassung
Lost Cities Roll & Write ist ein solides Spiel für zwischendurch. Es macht dabei nichts neu und lässt mit seiner thematischen Einbettung Menschen ohne Bezug zur Reihe sogar irritiert zurück.
Auf der anderen Seite macht es dennoch Spaß und weiß zu unterhalten. Es lässt einen viele kleine Entscheidungen treffen, bietet emotionale Momente, Interaktion und hin und wieder schöne Belohnungseffekte. Am ehesten empfehle ich es aber in kleinen Runden, da man dann häufiger aktiv aus dem Würfelergebnis aussuchen kann. Sonst wird es schonmal ziemlich frustrierend.
Lost Cities Roll & Write ist ein typischer Vertreter seines Genres mit schönen kleinen Kniffen. Wer davon nicht genug bekommen kann und diese immer wieder gerne spielt, macht hier nichts falsch.
- Solides Spiel für Zwischendurch
- Schnell gelernt und einfach zu vermitteln
- Farben sind auch durch Symbole auf den Würfeln und dem Spielblatt dargestellt => daher auch für Menschen mit Farbsehstörungen geeignet
- Macht wenig neu
- Thematische Einbettung fehlt
Aus meiner Spielerperspektive: Ich habe das Genre Roll & Write ja immer noch nicht „über“ und spiele daher Lost Cities Roll & Write gerne. Ich sehe es aber vor dem Hintergrund des mir bekannten Basisspiels und daher hat es für mich den entsprechenden thematischen Bezug, den ich schon immer ein wenig brauche.
Grundsätzlich würde ich es nur in kleiner Runde spielen. Mit vielen Spielern ist man zu selten mit Aussuchen der Würfel dran und kann weniger Einfluss auf das Spielgeschehen ausüben.