In diesem Jahr sind bereits viele optisch herausragende Spiele erschienen. Neben dem zuletzt von mir rezensierten Tang Garden und dem lang erwarteten Everdell hatte ich auch Dive unter den optischen Highlights einsortiert. Hält das Spiel, was die Optik verspricht?
Carina Brachter
SPIELBESCHREIBUNG
Mit Dive tauchen die Spieler:innen in die Tiefen des Ozeans auf der Suche nach einem im Meer versunkenen heiligen Stein.
Das „Meer“ befindet sich in Form von 36 transparenten Folienkarten aufgestapelt auf einem Kartonrahmen in der Spielmitte. Für einen neutralen Untergrund wird empfohlen, den beiliegenden weißen Karton unterzulegen. Die Folienkarten sind mit allerlei Meeresgetier und Pflanzen illustriert. Spielrelevant sind aber nur die darauf abgebildeten Schildkröten, Haie und Rochen.
Alle Spieler:innen erhalten eine Tauchtafel, einen Sichtschirm sowie sog. „Luftmarker“. Diese tragen die Werte 1 bis 5 und haben eine neutrale und einen „Hai-Seite“. Mit Hilfe dieser Marker wird nun jede Runde eine Schätzung darüber abgegeben, auf welcher Ebene im Meer man nun Haie, Schildkröten und Rochen vermutet. Die Einschätzung nehmen alle Spieler auf ihrem Tableau hinter dem Sichtschirm vor.
Vermutet man eine Schildkröte auf einer Ebene, versucht man einen oder mehrere Marker mit hohen Werten auf der jeweiligen Ebene zu platzieren. Wer auf der Schildkrötenebene die höchste Punktzahl aufweist, erhält dafür Pluspunkte, die auf der Wertungsleiste abgetragen werden. Große Sprünge auf der Wertungsleiste erhält, wer den Rochen richtig einschätzt. Wer das schafft und die höchsten Werte auf der Ebene aufweisen kann, darf zum nächsten Spieler aufschließen.
Ebenen mit Haien müssen mit Markern auf der Haiseite markiert werden. Erkennt man die Gefahr richtig, darf man weiter tauchen. Wenn nicht, ist der Ausflug in die Tiefe vorbei. Für jede richtig eingeschätzte Ebene erhalten die Spieler:innen dann auch noch Punkte. Wer als erstes die 23-Punkte-Marke oder mehr erreicht, gewinnt Dive.
Das Spiel bietet zudem eine vereinfachte Variante für Kinder ab sechs sowie noch eine Variante mit Gefährten, die einmal pro Partie eingesetzt werden können und individuelle Fähigkeiten einbringen. Eine Automa-Version ermöglicht, Dive alleine zu spielen oder das Spiel mit Vielen ein wenig zu erschweren.
AUTOR: Anthony Perone, Romain Caterdjian ■ ILLUSTRATIONEN: Alexandre Bonvalot
VERLAG: Sit Down | Pegasus Spiele ■ ERSCHEINUNGSJAHR: 2021
1-4 Spieler
ab 8 Jahren
ca. 30 Minuten
Spielregeln (ext. Link zu Pegasus)
SPIELGEFÜHL
What a Beauty!
Alle Spielelemente von Dive sind sehr liebevoll gestaltet und hochwertig produziert. Da gibt es nichts zu meckern! Die innovative Spielidee mit den sich überlagernden Folien, auf denen man möglichst gut erkennen soll, in welcher Ebene sich förderliche oder hinderliche Begegnungen machen lassen, ist optimal in diese Meeres-Atmosphäre eingebettet. Auch das Regelheft ist übersichtlich gestaltet und gut verständlich. Außerdem begeistert mich hier auch das Inlay. Ich liebe es einfach, wenn alles seinen Platz hat!
Fussel, Katzen, Krümel, Chipsfinger…
Allerdings bringt das Spielmaterial neben seiner Schönheit ein paar Schwierigkeiten mit sich, denen man sich bewusst sein sollte! Die Folien sind ein ziemlicher Staubmagnet! Auch Haustierhalter dürften hier eine besondere Freude erleben, sofern der tierische Begleiter Haare mit sich trägt…
Und die Folien sind empfindlich. Die Ebenen sollten vor Beginn einer neuen Partie gemischt werden, bevor sie in den Rahmen eingelegt werden – was aufgrund der Größe und Beschaffenheit bereits schwierig genug ist. Aber wehe, es ist ein Krümel dazwischengeraten – das zerkratzt die Folien natürlich auf Dauer. Und darüber, was fettige Finger hier anrichten können, wollen wir hier mal besser ganz den Mantel des Schweigens decken…
Gucken, legen, vergleichen – und wieder von vorn…
Das Spielgefühl von Dive ist recht meachanisch. In jeder Runde schauen alle gebannt auf das Folienmeer – einige schauen möglichst schräg auf die Oberfläche, andere bevorzugen die direkte Draufsicht.
Jede:r puzzelt hinter dem eigenen Sichtschirm recht still und stumm die Luftmarker auf das Spieltableau. Sind alle damit fertig, dann werden die obersten Lagen der Folien ausgewertet.
Dies bedeutet, dass Folie für Folie aus dem Meer abgehoben und ausgewertet wird. Alle dürfen gemeinsam schauen, ob sie die richtige Einschätzung abgegeben haben. Was haben die Mitspieler:innen, habe ich beim Kampf um die Schildkrötenwertung die höhere Punktzahl? Habe ich sogar den Hai übersehen? Mehr als diese Interaktion gibt es in der Grundvariante des Spiels nicht zu entdecken.
Die Gefährten können helfen
Mit den sog. „Gefährten“ kommen noch ein paar interaktive Elemente ins Spiel: Die Riesenschildkröte beispielsweise ermöglicht, dass man während eines Spielzugs im Spiel doppelte Punkte für grüne Schildkröten erhält. Mit den Delfinen kann man von den richtigen Einschätzungen eines Mitspielers profitieren. Der Riesenkraken legt sich auf die Folien und verdeckt alles, was darunter ist.
Das sind ganz nette Elemente, aber alle bisherigen Mitspieler:innen waren extrem verwundert, dass dieser Effekt immer nur EINMAL während der gesamten Partie genutzt werden darf. Das war uns eindeutig zu wenig und da der Nutzwert der Gefährten meist auch extrem gering ausfällt, hätte man diese auch weglassen können. Soweit das einhellige Urteil.
Knick in der Optik
Nicht jedem fällt es leicht, die Ebenen richtig einzuschätzen. Für Personen, die Schwierigkeiten mit räumlichem Sehen haben, dürfte das Spiel gar nichts sein. Aber auch so verrenken sich die Spieler:innen schonmal gerne die Hälse, um den richtigen Blickwinkel einnehmen zu können. Der Regel-Tipp, ggf. eine Taschenlampe im Spiel zu verwenden, kann sehr hilfreich sein. Andererseits können Lichtquellen auch sehr hinderlich sein, da sie zu Spiegelungen führen. Den Königsweg muss jeder selber finden.
Gerade in den Ebenen drei oder vier wird es ganz schön schwer, genau einzuschätzen, was da auf die Taucher:innen zukommt. Und die Löcher in einigen Folien führen ebenfalls manchmal in die Irre. Aber das macht ja dann auch den Reiz aus!
Weiter tauchen oder lieber Luft schnappen?
Hier kommt dann der Push your luck-Effekt von Dive ins Spiel, der die Spieler:innen zu Entscheidungen zwingt: Traue ich mir die richtige Einschätzung der Ebene noch zu? Ist das wirklich in Ebene 3 der Rochen, der mich auf der Wertungsleiste ganz schön nach vorne katapultieren würde?
Aber auch, wenn ich mich falsch entscheiden sollte, passiert nicht wirklich etwas dramatisches. Die Konsequenz ist, dass weitere Ebenen für mich nicht mehr zählen. Niemand bezahlt es mit dem Leben, wenn ein Hai übersehen wird…
Familientauchen
Das Spiel ist auch aufgrund der harmlosen Konsequenzen eher gut für Familien geeignet. Das schöne Material, die Gefährten, das spricht sicher auch viele Kinder an. Kennt man das Spiel ein wenig, weiß man auch, ob auf der Folie mit dem Wal zusätzlich eine Schildkröte rumschwimmt oder nicht. Der hier hilfreiche Memoryeffekt kommt sicherlich auch Kindern zu Gute. Daher sehe ich das Einsatzgebiet des Spiels auch ganz klar im Familiensektor.
Solo und mit weiteren Varianten habe ich das Spiel nicht ausprobiert.
Zusammenfassung
Das Spielmaterial, die Innovation, die gesamte Gestaltung – all das ist top bei Dive. Ein Spiel fürs Auge – unbenommen.
Allerdings will der Funke beim Spielen nicht immer so richtig überspringen. Die meisten Teile des Spiels, beispielsweise die Einschätzung der Ebenen und das Ablegen der Marker, findet relativ unkommunikativ und hinter dem Sichtschirm satt. Der Einsatz der Gefährten bringt hier auch nur wenig Pepp.
Grundsätzlich ist Dive ein einfaches, schnell gespieltes Familienspiel. Alle, die Spaß an den Folienelementen haben und sich an der Optik des Spiels erfreuen können, finden mit Dive eine schöne Familienunterhaltung. Vielspieler sind hier eher unterfordert.
- Tolles Design und sehr schönes Spielmaterial
- Innovative Spielmaterialien
- Einfacher Zugang, überschaubare Regeln
- Folien sind empfindlich und verschmutzen leicht
- Wenig Interaktion und Kommunikation
- Gefährten bringen wenig Zusatznutzen
Aus meiner Spielerperspektive:
Das Spiel hat mich leider etwas enttäuscht, weil ich mir durch die Optik vermutlich zu viel versprochen hatte. Ginge es nur um meine Einschätzung, Käme es über ein „Den anderen zu Liebe“ nicht hinaus.
Zum Spiel selbst: Mir liegt es sogar, bei guter Beleuchtung die Ebenen richtig einzuschätzen, allerdings kommt bei mir nur wenig Spielspaß dabei auf. Ich hatte daher große Hoffnungen, dass die Gefährten ein wenig mehr Abwechslung ins Spiel bringen, aber das war auch nicht der Fall. Schade.
Zweiter Meinung: Christoph
Mit lag der Prototyp – jedoch mit fertigen Folien – vor. Daher kann ich nur die Folien und nicht den Rest des Materials beurteilen.
Das Spiel selbt vermittelt schon den Eindruck des hinabtauchens in die Tiefe. Eine gute Ausleuchtung des Tisches ist sehr hilfreich, da die Folien – auch in Abhängigkeit vom Verschmutzungsgrad – das Licht unterschiedlich reflektieren. Gut, dass kann man vielleicht noch mit Realitätsnähe herausreden.
Aber je schwerer sichtbar, desto größer wird der Glücksspielanteil in Dive. Und das kam nicht bei allen Mitspielern gut an. Ebenso die Verwendung der Gefährten, die bei der ein oder anderen Partie für erheblich Unfrieden am Spieltisch gesorgt haben.
Spiel man das Spiel jedoch ohne, so ergibt sich nach 1-2 Partien nicht mehr viel Neues und das Spiel schaukelt so vor sich hin, wie ein Ruderboot bei ruhiger See.
Ich wollte Dive mögen und vielleicht war meine persönlichen Erwartungen viel zu hoch. Aber Dive hat leider bei mir kein Dauerfeuer entzündet.
Kann ich nur unterschreiben, war enttäuscht vom Spiel. Aber das Material ist schön und liebevoll gestaltet