Sonntag, November 17, 2024
StartJahr2023REVIEW | Rezension Brettspiel Corduba

REVIEW | Rezension Brettspiel Corduba

Im Jahr 27 v. Chr. werden wir als Vertreter einer der einflussreichsten Familien Roms in diesem Brettspiel entsendet, um Corduba als Kolonie wieder zu Glanz und Gloria zu verhelfen, bitte gewinnträchtig für die eigene Familie und natürlich für Rom!
Drei Dekaden lässt Rom uns hierfür Zeit, solang fühlt sich dieses Brettspiel auch an, inkl. einer leichten Hirnschmelze.

Björn Schwarzmüller


SPIELBESCHREIBUNG

Runtergebrochen entscheiden wir uns jede Runde, ob wir ein Gebäude bauen oder ein Gebäude nutzen wollen, natürlich ist es aber noch viel mehr – Corduba zeigt uns auf dem Hauptspielplan die Stadt in drei Bezirken (Pars Servorum, Pars Plebeius und Pars Patricius). In jedem dieser Stadtteile können wir Gebäude in Form von Polyominos einpuzzeln gegen Abgabe von Ressourcen und dem Einsatz von Arbeitern. Die Gebäude bieten nach dem Bau ein Einsatzfeld für etliche unterschiedliche Gebäudeaktionen. In jeden Stadtteil können bis zu 18 verschiedene Gebäude gebaut werden, was uns Ansehen im jeweiligen Stadtteil gibt und gleichzeitig auch auf unterschiedliche Weise den Bau der Gebäude erleichtert. Nach dem Bau sind die Gebäude von allen nutzbar. Daneben können wir noch Monumente bauen, uns Ressourcen besorgen oder Soldaten anheuern. Dabei müssen wir auch darauf achten, dass wir bei unseren Arbeitern beliebt sind und für Harmonie sorgen. Sollten wir dies am Ende einer Runde nicht schaffen, müssen wir Ressourcen oder Geld dafür abgeben und wenn wir dies nicht können, dann kommt es zu Unruhen, die Gebäude und Stadtteilbonusse blockieren. Die Entscheidung, wo es zu Unruhen kommt, liegt nicht bei uns, sondern bei unseren Mitspielern oder besser Gegenspielern. Alle haben ein Interesse daran, dass diese Unruhen sich nicht (zu weit) ausdehnen, sonst verlieren wir alle das Spiel. 

Am Ende einer Dekade fordert Rom Tribut. Was sich zum einen in Soldaten und Opfergaben und zum anderen aus einer zu Beginn der Dekade zufällig entschiedenen Ressource widerspiegelt. Wer nicht liefern kann erzeugt Unruhen, die Besten erhalten Belohnungen und dürfen Senatoren entsenden – Eben jene Senatoren entscheiden über den Sieg bei Corduba. Am Ende der dritten Dekaden, wenn Rom ein letztes Mal zufriedengestellt wurde, gewinnt nämlich, wer die meisten Senatoren entsendet hat. Klingt doch simpel, oder?



AUTOR: Manuel Martinez Aranda ■ GRAFIKER: Jesús Gutiérrez Llorente
VERLAG: Skellig Games (dt. Version), Ediciones MasQueOca (org. Version)
■ ERSCHEINUNGSJAHR: 2023

spieler

1-4 Spieler

alter

ab 14 Jahren

zeit

ca. 45 Minuten / Spielenden

Spielregeln (ext. Link zu Skellig)


SPIELGEFÜHL

„Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt“ beschreibt Corduba aus meiner Sicht am besten. Dieses Expertenspiel hat einen simplen Grundmechanismus mit der Entscheidung entweder ein Plättchen zu legen oder Worker einzusetzen. Das sind zwei sehr befriedigende Mechanismen, die nicht neu sind, auch nicht in der Kombination, aber doch ein tolles Gefühl hinterlassen können.

In den Spielfluss zu kommen ist trotz dieses Grundprinzips nicht leicht. Neben den Überlegungen in welchen Stadtteil ich etwas bauen oder nutzen will und der sehr strategischen Überlegung, wie ich einen Senator entsenden kann, was das einzige Ziel für den Sieg ist, muss das Spiel extrem taktisch gespielt werden und erzeugt dabei in Summe unfassbare Downtime. Förderlich ist dabei nicht gerade, die über Spielanleitung, Glossar und je Spieler eigene Spielerhilfe verteilten Regeln. Wir sind indirekt in jeder Runde davon abhängig, was unsere vorherigen Mitspielenden tun. Beispiel – Jedes Gebäude darf nur einmal in jeden Stadtteil gebaut werden. Jeder Stadtteil gibt andere Erleichterung für den Bau des Gebäudes (weniger Arbeiter, Ressourcen oder Geld). Sollte ein Spieler vor uns dieses Gebäude bauen, müssen wir kurzfristig umdenken. Dann geht es los auf der sehr großen Spielerhilfe zu schauen, welches Gebäude könnte ich stattdessen bauen, habe ich dafür die richtigen Ressourcen, ist es überhaupt noch verfügbar, brauche ich das Aktionsfeld später und kann ich es überhaupt regelkonform im jeweiligen Stadtteil einpuzzeln?

Durch die Größe des Spielfeldes und der zusätzlichen Auslagen inkl. dem persönlichen Tableau sowie der eher blassen Farbwahl des gesamten Spielmaterials, ist man ständig dabei entweder die Spielerhilfe zu konsultieren oder hat das Glossar oder die Anleitung in der Hand und schaut auf den Gebäudeauslagen der Stadtteile nach, ob jenes gerade auserkorene Gebäude noch baubar ist oder nicht bereits gelegt ist. Selbst beim Einsatz von Arbeitern geht der Blick ständig übers Spielfeld, auf der Suche nach besagtem Gebäude und ob es noch nutzbar ist oder nicht.

Das Spiel verlangt von einem eigentlich eine enorm vorausschauende Planung und gleichzeitig muss man sich sehr taktisch und teilweise sehr plötzlich entscheiden. Gerade bei vier Spielern sind daraus enorme Downtimes entstanden. Die Interaktion entsteht, wenn wir gemeinsam Rom Tribut zahlen müssen oder wenn es Unruhe zu verteilen gilt und wir dies gegen unsere Mitspielenden einsetzen können. Das Spiel bestraft dabei an einigen Stellen sehr. Selbst wenn alle Spielenden große Mengen Tribut zahlen. Der, der am wenigsten gibt, wird immer bestraft. Im schlimmsten Fall muss man sogar einen gesetzten Senator wieder entfernen. In meinen Spielen hatten die Siegenden im Schnitt zwischen 8 bis 11 Senatoren am Ende. Der Verlust eines Senators ist damit spielentscheidend. Mit Beginn der letzten Dekade kann meist schon abgesehen werden, wer das Spiel wahrscheinlich nicht mehr gewinnen kann. Es passieren auch nur noch wenige Überraschungen, selbst bei knappen Siegen.

Das ist aus meiner Sicht kein Nachteil, weil es kein Glück im Spiel gibt, ist dies auf Planung und Taktik, mit allen o.g. Einschränkungen zurückzuführen. Aus diesem Spiel lernen und beim nächsten Mal besser sein ist hier die Devise.

Ein Wort zur Anleitung – Die Redaktion für Corduba hat sich für einen, aus meiner Sicht, für das Spiel nicht guten Aufbau entschieden. Faktisch startet es mit der Zusammenfassung und dem Spielziel, danach erfolgt aber nicht die vertiefenden Details, sondern es folgt die Beschreibung der Spielkomponenten, gefolgt von der Erklärung des Spielfelds, der Spielertableaus und den zusätzlichen Tableaus. Ein Teil der zusätzlichen Tableaus wird im Anschluss detaillierter erläutert, der Rest erst später, bzw. die Infos hierzu finden sich auf der Spielerhilfe wieder. Auf Seite 14 kommt dann endlich der Spielaufbau inkl. Spielertableaus. Die Gebäude finden sich nur auf der Spielhilfe mit Erklärung wieder. Auf einigen Karten werden die Namen der Gebäude inkl. kleinen farblichen Symbol genannt, auf der Spielerhilfe sind diese aber nur mit Symbol, Farbe und Form des Polyominos, nicht aber dem Namen abgebildet. Gute Augen sind also von Vorteil. Die benötigen Regeln und Hilfen sind damit für die Komplexität des Spiels nicht zielführend zusammengebracht und erhöhen die Downtime damit nochmals unnötigerweise.

Die Spieldauer ist mit 45 Minuten pro Spieler angegeben laut Verlag. Nach meinen gesamten Spielen für diese Rezension kann ich sagen, die Spieldauer liegt ohne Regelerklärung, eher bei 70 bis 80 Minuten pro Spieler, selbst wenn alle Beteiligten das Brettspiel bereits gut kennen. Das liegt an zwei bereits o.g. Punkten – Struktur der Anleitung(en) und taktische Neuentscheidungen, falls geplantes nicht umgesetzt werden kann. Die Regelerklärung von rund 45-60 Minuten würde noch on Top kommen. Ich habe die Spielenden danach immer gefragt, ob und wann das Gefühl, der Gedanke, aufgekommen ist, dass das Spiel jetzt ruhig zu Ende gehen könnte. Es war meistens 45 bis 60 Minuten vor dem eigentlichen Spielende. Es ist zu lang, für das was es ist.


Zusammenfassung

Sehr schöne Kombination bekannter und beliebter Spielmechanismen, mit zu hoher Spiel- und Downtime und einer Anleitung mit deutlichem Verbesserungspotential.

  • Plättchen legen trifft Worker-Placement
  • Strategie und Taktik Herausforderung
  • Thema ist spürbar
  • Viel zu hohe Spieldauer
  • „verstreute“ Anleitung 
  • Zu hohe Downtime
  • Unübersichtliches Spielfeld

Aus meiner Spielerperspektive: „Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt“ – Ich mag Corduba sehr, weil es viel von dem bedient, was ich an Spielen so sehr mag – Plättchen legen, Worker-Placement, vorausschauendes Planen, Hirnschmelze ohne Kopfschmerzen. Ich mag es nicht, weil es mich nervt, ständig den Spieltisch, die Spielhilfe und mein persönliches Tableau zu durchforsten, ob meine Idee gerade umsetzbar ist und es nur Zeit und Spielspaß kostet und es zu lange damit dauert, für das was es dann am Ende nur ist – Ein gutes Brettspiel.

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