Freitag, Dezember 5, 2025
StartJahr2024Atlantis Exodus - REVIEW | Rezension Brettspiel

Atlantis Exodus – REVIEW | Rezension Brettspiel

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Die Sage von Atlantis bietet viel Raum, darum Geschichten oder Spiele zu ranken. Auch im Brettspiel Atlantis Exodus wird die berühmte Sage aufgegriffen – allerdings geht hier Atlantis nicht so einfach Knall auf Fall von heute auf morgen unter. Im Gegenteil – wir haben 5 Jahre Zeit, uns gesittet darauf vorzubereiten und unseren Rück- bzw. Umzug geordnet und planvoll anzugehen. 

Beim Umzug ist das Wichtigste, das Wissen des Volkes zu bewahren. Daher haben wir sogar noch die Zeit, ein paar Leutchen vor der Evakuierung in die Ausbildung zu schicken. Wie das funktioniert, lest Ihr im Folgenden. 

Carina


Atlantis Exodus spielen wir über 5 „Jahre“, in denen wir jeweils drei Runden spielen. Jedes Jahr beginnt damit, dass wir mit unseren Markern die Reihenfolge der mitspielenden Personen festlegen. Anschließend setzen wir in Phase 1 in Zugreihenfolge unsere Könige auf dem Spielplan ein. 

Der Spielplan besteht im Wesentlichen aus einem Rondell mit drei Scheiben, wovon die oberen zwei beweglich sind. Sie bilden ein durch Mauern durchzogenes Netz aus Wegen, das wir im Laufe des „Jahres“ herunterschreiten. In jeder Ebene haben wir auf diese Weise die Option, aus 4 erreichbaren Feldern die auszuwählen, auf die wir in den drei Runden unsere Könige platzieren. Setzen wir unseren König ein, können wir beispielsweise Siedlerfiguren, Bücher, Goldmünzen, Schiffe oder Gebäude erhalten, die wir zu uns nehmen dürfen. Siedler, Schiffe und Gebäude platzieren wir dann auf unseren eigenen Tableaus. 

In der folgenden Phase 2 dürfen alle zwei der nun näher ausgeführten Aktionen ausführen:

  • Einen Siedler mit den verfügbaren Büchern und Goldmünzen eine Stufe ausbilden und auf unserem Spieltableau entsprechend eine Stufe weitersetzen.
  • Einen Siedler wegschicken und auf eine Werkstatt, eine Unterkunft oder ein Schiff in Sicherheit bringen. 
  • Einen Schritt mit unserem Hohepriester auf der den Spielplan umspannenden Apotheosis-Leiste voranschreiten und im besten Falle einen Bonus erhalten.
  • Eine Wissenskarte nehmen.
  • Eine Einflusskarte ausspielen. 

Siedler gibt es in drei unterschiedlichen Kategorien: Wissenschaftler, Intellektuelle und Arbeiter. Je nach Kategorie können sie unterschiedliche Ausbildungswege auf unserem Tableau durchlaufen. Hierfür sind Bücher und Goldmünzen abzugeben. Die Siedler erhalten dann eine Berufsbezeichnung und bringen, wenn wir uns entscheiden, sie wegzuschicken, einen Entsendebonus, der meist aus Siegpunkten und Schritten auf der Apotheosis-Leiste besteht. 

Siedler schicken wir auf Schiffe, in Unterkünfte oder Werkstätten auf unserem Tableau. Dort bringen sie uns in den Siedlungswertungen, die nach der zweiten, vierten und fünften Runde stattfinden, ggf. Punkte ein. Wir erhalten Punkte, sofern wir in der gewerteten Reihe über mehr Siedler einer bestimmten Kategorie verfügen, als Mitspielende. 

In der Schlusswertung von Atlantis Exodus bringen und Siedler, die wir nicht rechtzeitig wegschicken konnten, Minuspunkte ein. Pluspunkte erhalten wir dadurch, dass wir in unserem neuen Siedlungsgebiet Reihen und Spalten mit Häusern wir Unterkünften oder Werkstätten gefüllt haben. Auch Monumente, die wir auf unserem Weg über die Apotheosis-Leiste erhalten haben, bringen ggf. ebenfalls weitere Punkte ein. Ebenso Wissenskarten, deren Bedingungen wir erfüllen konnte. Wer die meisten Punkte erzielen konnte, gewinnt Atlantis Exodus.

Brettspiel Regeln

Spielregeln (ext. Link zu dlp games)


Atlantis Exodus ist nichts für den chilligen Feierabend. Wenn man das Spiel, den Spielplan und die ganzen Komponenten und Symbole vor sich sieht, weiß man schon, dass man da eher im Expertenbereich unterwegs ist. Hier muss man schon hellwach sein, denn das Spiel verlangt von den mitspielenden Personen eine Menge Denk- und Planungsarbeit. Und die ist wirklich reizvoll, verliert sich allerdings manchmal in Kleinteiligkeit. 

Vorausschauende Planung

Die Planungsarbeit ergibt sich aus dem Rondell des Spielplans. Die Gestaltung des Plans ist erfreulicherweise unverbraucht und die Idee, dass er sich dreht und ändert, ist interessant. Letztendlich sind es aber nur Workerplacement-Felder in einem Rondell. Wer in der ersten der drei Runden seinen König auf ein Feld platziert, setzt damit die Weichen für die kommenden beiden Runden. Denn das muss allen klar sein: Wenn ich mich auf der einen Seite platziere, werde ich im weiteren Verlauf der Runden einige Felder des Spielplans nicht mehr erreichen können. 

Diese Planungsaufgabe ist interessant, aber anspruchsvoll. Und deshalb sind die Denkphasen zu Beginn eines neuen „Jahres“ die längsten. Alle sondieren den Spielplan, der sich vor jedem neuen Jahr, das wir spielen, verschiebt, und plant die optimale Route durch das Gewirr der Plättchen, Figuren und Wege. In den ersten Partien ist der Anblick der Möglichkeiten und des Materials überfordernd, mit jeder Partie wird die Orientierung aber besser. 

Aus der Wegeplanung ergibt sich auch die Schlussfolgerung, wie wichtig es mir ist, früh an der Reihe zu sein. Daher starren wir alle gemeinsam auf den Spielplan, bis sich jeder aus seiner Denkphase löst und sich als „startklar“ meldet.

Regelwerk mit Hürden

Grundsätzlich sind die Optionen, die das Spiel bietet, klar. Der Ablauf eines Jahres passt auch sehr gut auf die kleinen Übersichtskarten, die uns den Ablauf erleichtern. Dennoch gilt es eine ganze Menge zu beachten bei Atlantis Exodus. Und dafür muss man sich erstmal durch das Regelwerk kämpfen. Die Spielregeln schreckten uns mehrmals ab, uns mit dem Spiel auseinanderzusetzen. Die Schrift ist sehr klein, der Text wenig aufgelockert, die Textblöcke sind sehr lang – die Spielregel lädt auf jeden Fall nicht zum Lesen ein. Daher hat es lange gedauert, bis das Spiel seinen Weg auf unseren Tisch gefunden hat. Und es dauert auch ein paar Partien, bis die Regeln sitzen. Es empfiehlt sich nicht, zwischen den Partien viel Zeit verstreichen zu lassen, denn sonst muss man vieles nachschlagen und findet es nicht wirklich wieder. Außerdem ergaben sich für mich in einigen Situationen Interpretationsspielräume, wo ich mir klärende Beispiele gewünscht hätte. 

Phasenablauf

Worüber ich zunächst gestolpert bin, ist Folgendes: Spielen zuerst alle Phase 1 und danach alle die Phase 2? Letztlich haben wir alle Hinweise entsprechend gedeutet und auch so gespielt. Diese Regelung hilft sicherlich, die Downtime zu verringern. Im Denkprozess für die Spielenden wäre es allerdings hilfreicher, dass jeder für sich erstmal beide Phasen hintereinander abwickelt und erst dann die nächste mitspielende Person an der Reihe ist. Da einige Prozesse sehr kleinteilig sind, vergisst man schnell, etwas zu erledigen oder verrennt sich. Spielt man beide Phasen hintereinander, spielt man ggf. flüssiger und ist mehr bei sich. Schließlich wählt man einen Platz auf dem Rondell meist deshalb aus, weil die Aktion dort eine Handlung nach sich zieht – z.B. Ich hole mir Bücher, um damit einen Siedler auszubilden. Es fühlt sich seltsam an, in diesem gedanklichen Prozess stoppen zu müssen.

Nicht falsch abbiegen

Wir haben einige Partien benötigt, um gut in das Spiel hineinzukommen. Der Weg bis dahin war bisweilen steinig. Es gab Partien mit 40 Punkten Unterschied und die frustrieren. Wenn man den Einstieg in die Partie ein bisschen verpasst und ggf. im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Spielplan die „falsche Abbiegung“ nimmt, kann es blöd laufen. Es gibt Züge, da kann man eine ganze Menge tun und freut sich über eine Kettenreaktion, die man in Gang setzen kann. Aber es gibt auch Züge, da nimmst du dir drei Bücher und denkst: „Wow, das war es jetzt?“ Obwohl: Bücher sind wichtig! Wenn du nicht genügend oder die falschen Bücher hast, dann bist du aufgeschmissen. Dann kannst du so viel Geld oder Gunstmarker haben, wie du willst, du kommst nicht recht voran. Ich hätte es gut gefunden, wenn man in der Aktionsphase selbst noch mehr Möglichkeiten gehabt hätte, an Bücher zu kommen. 

Es stehen uns knackige 15 Züge zur Verfügung, in denen wir unsere Aktionen durchführen können – da muss schon vieles passen, damit wir letztlich erfolgreich sind. 

Lieber im kleinen Kreis

Je mehr Personen mitspielen, desto mehr Felder werden zudem besetzt. Zu zweit und zu dritt geht Atlantis Exodus gut, aber zu viert würde ich es nicht spielen wollen. Zum einen muss man bereits zu zweit klar mit 90 Minuten Spielzeit rechnen. Zu dritt verlängert sich die Spielzeit ca. um weitere 20 Minuten. Zu viert würde es mir zu lange dauern und zum anderen würden mir zu viele Mitspielenden im Weg rumstehen. Je mehr mitspielen, desto schwieriger wird es, seinen Weg sinnvoll zu planen. Wenn es schlecht läuft, und die Mitspielenden vor einem dran sind und Plätze im Bereich besetzten, den man selber betreten kann, hat man von vier möglichen Aktionsfeldern in seinem Spielzug nur noch zwei zur Auswahl. Und dann sicher nicht mehr die, die man wollte…

Beim Spiel zu Zweit sind zwar Felder durch neutrale Figuren besetzt, aber der Unterschied besteht darin, dass man von Beginn des Jahres an weiß, wo diese stehen und kann dieses Wissen in seine Planungen einbeziehen kann. Im Spiel mit mehr Personen ist es immer eine Überraschung, was noch übrigbleiben wird. Zu viert besteht zwar die Möglichkeit, sich irgendwo dazuzusetzen – aber: ist dort die Auslage bereits entnommen, dann bekommt man nichts mehr. 

Was es sonst noch zu sagen gibt:

  • Ich finde die Farbgebung der Siedlerfiguren ungeschickt. Zum einen kann ich bei künstlichem Licht die lila und braunen Figuren kaum auseinanderhalten. Zum anderen hätte ich es anders gelöst und die Gelehrten nicht in „weiß“ und die Arbeiter in „braun“ gestaltet. 
  • Thematisch hinkt der „geplante Untergang“ von Atlantis ein wenig. Aber gedanklich finde ich es schön, dass die Menschen noch ausgebildet werden. Höhere Ausbildung = größeres Wissen = mehr Punkte – das macht Sinn. 
  • Warum benennt man die Dinge so kompliziert? Warum die Apo-dingeskirchen-Leiste so heißt, wie sie heißt, wird nirgendwo erklärt. Dann nennt sie doch so, dass man sich die Bezeichnung merken kann. 
  • Manche Dinge im Spiel – wie z.B. die Säulenkarten – benötigen viel Investment, bevor sie ihre Wirkung entfalten. Vermutlich hatte ich noch nicht genug Partien, aber bislang würde ich sagen: Lieber auf direkterem Weg punkten, als in diesen Schlenker zu investieren.
  • Positiv: Das Spiel bietet die Option des Aufholens. Durch die Siedlungswertungen ergeben sich dreimal im Spiel neue Konstellationen, die Chancen eröffnen. 
  • Gut gelungen ist auch die Startreihenfolge-Regelung: Der letzte des letzten Jahres darf entscheiden, welchen Platz und welchen Bonus er oder sie für das neue Jahr erhält. Auf diese Weise hat man noch die Chance, wieder in eine bessere Ausgangslage für die nächste Runde zu kommen.
  • Es gibt für so ein strategisches Spiel erstaunlich viele Glücksaspekte: Gute und weniger gute Gunstkarten. Durch manche Gebäude kann man bereits ausgebildete Siedler aus dem Säckchen ziehen – auch hier gibt es mit Glück klare Vorteile. Die Auslage der Unterkünfte oder die Auslage der Werkstätten auf dem Spielplan kann günstig oder sehr ungünstig verlaufen. Schiffe mit den „falschen“ Symbolen werden auf den Spielplan ausgelegt.
  • Schiffe sind nicht zu unterschätzen. Da die Besatzung in jeder Siedlungswertung zählt, sollte man sie nicht aus den Augen lassen – im doppelten Sinne: Man darf zum einen nicht vergessen, diese zu bauen und zu besetzen und zum anderen darf man die dortige Besatzung in der Wertungsphase nicht vergessen, hinzuzurechnen.
  • Wertiges Spielmaterial, üppige Ausstattung, volle Schachtel
  • Interessanter Rondell-Workerplacement-Mechanismus
  • Variables Spielmaterial gestaltet jede Partie anders
  • Wenig einladendes Regelwerk und es fehlt uns ein Schnell-Einstieg-Zusammenfassung, um nach längerer Zeit schneller ins Spiel zu finden 
  • Eher nichts für die große Runde
  • Erfordert Einarbeitung und ein paar Partien zum Kennenlernen und Durchdringen

 Atlantis Exodus ist ein Spiel auf Expertenniveau, das man erstmal kennenlernen und durchdringen muss. Anfangs ist man noch ein wenig überfordert von der Fülle des Spielmaterials und die Orientierung auf dem Spielplan erfordert Konzentration und Hirnschmalz. 

Die Planungsaufgabe, die uns Atlantis Exodus stellt, ist herausfordernd, aber reizvoll – besonders durch die Gestaltung des Spielplans, der von uns die (grobe) Planung von drei Runden in einem verlangt.

Das Spielt erscheint in Teilen kleinteilig, gibt uns aber gleichzeitig auch viele Optionen. Durch das variable Spielmaterial ist jeder Spielaufbau individuell und anders. 

Man benötigt aber ein wenig Durchhaltevermögen, bis man sich durch die wenig einladende Spielregel sowie die ersten Kennenlernpartien gearbeitet hat, bis man Atlantis Exodus flüssig spielen kann.

AUTOR: Konstantinos Karagiannis & George Halkia
ARTIST: Dennis Lohausen/atelier198
VERLAG:
dlp games
ERSCHEINUNGSJAHR: 2024

1-4 Spielende

14 Jahre

90 Min.

1 Kommentar

  1. Sehr gutes Spiel. Für uns gab es da jetzt such keimne „Hürden mit dem Regelwerk“, wir sind damit problemfrei ins Spiel gestartet. Auch fanden wir niicht das es mehrere Spiele braucht um den Kern des Spiels zu entdecken, das Rondell gut zu nutzen. Kurzum, auch wenn die Regeln aufwendig und es diverse Einzelregelungen gibt, spielt es sich doch erstsunlich flüssig.
    Die Regelkritik kann ich so nicht bestätigen.

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