Dienstag, Dezember 17, 2024
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Brettspielbox on Tour: Carolingi / Sebastian Freudenberg

Brettspielbox on Tour – Interview von Björn mit dem Autoren Sebastian Freudenberg im Würfel & Zucker in Hamburg zu seinem Erstlingswerk Carolingi.

Im neugegründeten Verlag Sea Cove Games von Uli Blennemann und Peter Eggert erscheint ab 2024 das Brettspiel Carolingi von Sebastian Freudenberg und Christoph Cantzler. Carolingi bringt die Spielenden ins 9. Jhd. in die Zeit der Nachfahren von Karl dem Großen, welche wir als Spielende repräsentieren. In einer Kombination aus Area Control und Aktionsauswahl Mechanismus wollen wir dem Reich Frieden bringen, müssen dafür, neben unseren Mitspielenden, auch den Erhalt des eigenen Einflusses im Blick behalten. Zeichnungen, Handlungen und Geschehnisse im Spiel sind dabei sehr genau an den historischen Hintergründen ausgerichtet.

Bereits auf der SPIEL 23 in Essen hatte ich Carolingi mit Sebastian Freudenberg in der kompetitiven Variante spielen können. Ein kurzer Austausch auf der Messe führte dann im weiteren Verlauf zu einer Einladung im Dezember nach Hamburg. Im Brettspiel-Cafe Würfel & Zucker spielten wir in einer illustren Runde eine Partie Carolingi, diesmal in der semi-kooperativen Variante. Vor meinem Ersteindruck zum Spiel, steht aber der Autor selbst, daher sind hier:

10 Fragen an…Sebastian Freudenberg, Autor von Carolingi

  1. Wer ist Sebastian Freudenberg und was macht ihn als Person aus?

Ich wurde 1969 in Hamburg geboren. Geschichte war immer schon meine Leidenschaft, Latein kam hinzu und damit ein besonderes Interesse an Antike und Mittelalter. Nach dem Studium habe ich meine Doktorarbeit in frühmittelalterlicher Wirtschafts- und Sozialgeschichte geschrieben – also über die Karolingerzeit! Ich bin verheiratet und habe zwei Söhne.

  1. Du bist Geschichtslehrer. Wie bringst Du Geschichte deinen Schülerinnen und Schülern näher?

Für mich ist Geschichte immer eine Erzählung von Vergangenheit. DIE Vergangenheit gibt es nicht. Das bedeutet, dass es wichtig ist, sich selbst und anderen klarzumachen, mit welchen eigenen Interessen man auf Geschichte sieht. Im Zentrum meines Unterrichts steht daher die Leitfrage: Was will ich eigentlich von Geschichte wissen? Welche Fakten habe ich dafür verwendet, welche nicht? Welche erklärenden Zusammenhänge möchte ich herausstellen?

Das geht schon – natürlich mit angemessenen Methoden – in der 6. Klasse und zieht sich bis ins Abitur.

  1. Haben Spiele aus deiner Sicht auch einen Bildungsauftrag und setzt du Spiele im Unterricht ein?

Ob Spiele einen Bildungsauftrag haben, ist eine sehr spannende, sehr umstrittene Frage. Ich setze mich gerade schriftlich damit auseinander und plane, meine Gedanken bei BoardGame-Historian online zu stellen. Deswegen lasse ich es hier beim Cliffhanger. Nur so viel: Einen Bildungs-„Auftrag“ haben Spiele meiner Meinung nach nicht, wohl aber einen Bildungs-Effekt. Und sich dem zu stellen, das ist durchaus ein Auftrag an die Spieleautor:innen historischer Spiele.

Im Unterricht setze ich Spiele insofern ein, dass ich meine Schülerinnen und Schüler auffordere, spät im Jahr, wenn die Arbeiten geschrieben sind, das Gelernte in einem Spiel umzusetzen. Dabei kommen meistens Variationen von Monopoly oder Mensch-Ärgere-Dich-Nicht heraus, aber tatsächlich ist auch Carolingi aus Denkanstößen entstanden, die ich bei einer solchen Gelegenheit erfahren habe.

  1. Karl der Große, entstammt aus dem Geschlecht der Karolinger, eine der prägenden Figuren der deutschen Geschichte und auch deine Dissertation findet sich im gleichen zeitlichen Rahmen von 750-900 n. Chr. wieder. Welchen Reiz übt die Zeit der Karolinger auf Dich aus, dass Du sogar ein Spiel mit diesem Thema entwickelst?

Die Karolingerzeit ist die Zeit, in der unser heutiges Europa entsteht. Geographisch mit seinem bis heute spürbaren Bruch zwischen dem Europa westlich und dem östlich der Elbe. Aber auch gesellschaftspolitisch setzt sich hier etwas durch, das an Aktualität nichts eingebüßt hat: Wie sollen die Völker Europas zusammenleben? Gibt es eine Ordnung, in die sich alle in Freiheit und Selbstbestimmung einordnen können, oder sind wir verdammt, immer weiter Krieg zu führen? Karl „der Große“ und Ludwig der Fromme haben darauf Antworten gefunden, auch wenn ihre Mittel uns bei heutiger Betrachtung befremden können. Sie haben zusammen mit der katholischen Kirche eine Sozialmoral entwickelt, die wir heute in dieser Form zwar – ich sage zum Glück – überwunden haben, die aber den Anfang des Prozesses darstellen, der unseren Kontinent zu dem gemacht hat, was er heute ist, auch und gerade in Abgrenzung zu anderen Erdteilen ausmacht. Im Zentrum steht dabei die Überzeugung, dass durch Gerechtigkeit und Solidarität eine Gemeinschaft geschaffen werden kann, die zum Guten beiträgt. Wenn das nichts ist!

  1. Wie hat sich der Entwicklungsprozess deines Spiels Carolingi gestaltet?

Zu dieser Frage habe ich bei Boardgamegeek, Carolingi, mehrere Blogeinträge geschrieben, auf die ich im Detail in dieser Stelle gern verweisen möchte. Nur so viel: Es war ein laaaanger Prozess, der mich als Neuling aber mit interessanten Menschen zusammengebracht hat.

  1. Wenn ich keine Ahnung von den Karolingern habe, komme ich dennoch gut ins Spiel? Für wen ist es aus deiner Sicht geeignet und was ist der besondere Kniff an deinem Spiel?

Niemand muss die Karolinger kennen, um Carolingi spielen zu können. Es beruht auf einem recht herkömmlichen Area-Control-Setting, hat aber Mechanismen, die den Kern frühmittelalterlicher Herrschaftspraxis abbilden: Jeder Spieler legt pro Runde zwei Aktionstafeln ab, mit denen er seinen Gefolgsleuten am Hof, aber auch im Verborgenen sowie auch den Ländern Befehle erteilen kann. Der Clou? Du weißt zwar, was Du diese Runde machen willst, aber nicht, wann Deine Befehle ausgeführt werden. Das entscheidet das Schicksal: Die Tafeln kommen in einen Losbeutel (Rad der Fortuna) und werden nacheinander gezogen. Auf diese Weise werden die Karolinger immer wieder vor die Entscheidung gestellt, schnell, aber riskant, oder sicher, aber langsam vorzugehen. Clou Nummer 2: Das Spiel zwingt, einerseits die eigenen Pläne zu verfolgen, andererseits aber von Anfang an die anderen genau im Blick zu behalten, um rechtzeitig erkennen zu können, wer demnächst für sich den Vorrang beanspruchen und Europa den Frieden zurückgeben kann. Das Handling ist sehr einfach. Es entstehen praktisch keine Null-Zeiten für Spieler, die nicht am Zug sind.

  1. Die Spieler schlüpfen in die Rollen der Enkel Karls des Großen – dieser hatte drei Enkel. Warum ist das Spiel dennoch für 2-6 Spielende ebenso gut geeignet?

Er hatte erst drei und dann vier – das war das Problem bei dem Erbfolgeplan, den Ludwig schon sehr früh nach seinem Amtsantritt ausgeklügelt und mit seinen drei Söhnen abgesprochen hatte. Und dann kam Karl der Kahle als Nummer 4 und musste mit bedacht werden. Das gab natürlich Ärger. Warum auch 5 und 6 Spieler? Die Karolingersippe war weit verzweigt. Da war noch Tassilo von Bayern, der mitmischte und ein Onkel in Italien. Das Zweierspiel ist eine Konzession an die Realität, in der es schwer ist, immer mindestens drei Leute zusammen zu bekommen, wenn man Lust auf Carolingi hat. Es ist sogar eine Solo-Version in der Mache, die dann aber von Karl Martell erzählt.

  1. Wenn es keine Limits gäbe, welches Spiel hättest Du dann entwickelt?

Carolingi, so wie es ist. Es gab keine Limits außer Christophs und meinem Anspruch, ein historisches Spiel mit dynamischem Handling und großer Strategietiefe zu entwerfen. Das war schwierig, und deswegen hat es so lange gedauert.

  1. Was ist dein Spielfavorit eines anderen Autors/ Autorin und warum?

Das kommt jetzt vielleicht komisch rüber, aber mein Favorit ist und bleibt Schach und mehr noch das japanische Brettspiel Go: Die Verbindung von Einfachheit und Tiefe ist für mich einfach unvergleichlich.

  1. Welche Frage würdest Du Dir selbst gerne stellen und unseren Lesern beantworten?

Wieso spielen nicht alle ständig Carolingi?

Crowdfunding Kampagne zu Carolingi

Derzeit kann man Carolingi sowohl auf Gamefound wie auch in der Spieleschmiede unterstützen. Das Spiel wird es auch wieder in einer Holzbox geben, wie man es von einigen eggertspiele-Brettspielen kannte.

Spielbeschreibung und Ersteindruck Carolingi

Ich kann hier nur aus zwei Partien in zwei unterschiedlichen Spielmodi berichten, daher ist es nur ein erster Eindruck ohne tiefergehende Spielerfahrung oder Analyse.

Die Grundmechanik, sich in jedem Zug für zwei Aktionen entscheiden zu müssen und diese dann auch für den Rest der Runde nicht mehr zur Verfügung zu haben, kombiniert mit dem Risiko, wann die Steine aus dem Beutel gezogen werden, hat es (positiv) in sich und sorgt gleichzeitig für eine kurze Downtime.

Die Entwicklung des eigenen Einflussbereichs, die gleichzeitige Überlegung, wie weitere Aktionsplättchen erhalten werden können, um sich flexibler aufzustellen und dabei die Mitspielenden im Blick zu behalten, macht das Spiel für mich sehr spannend. In der semi-kooperativen Variante, wo es darum geht Gefahren für das Reich gemeinsam einzudämmen, damit nicht alle verlieren, in Kombination mit der Abwägung, wieviel gebe ich bzw. verhindere ich und wieviel lasse ich andere agieren, haben den Spielspaß für mich nochmal gesteigert.

Das Material mit seiner hohen Qualität, die historischen Zeichnungen und die gesamte Aufmachung sind wirklich sehr gelungen. Siegen kann, wer am Ende der Partie die meisten Siegbedingungen erfüllt hat, oder vorzeitig, wer die Friedenstafel ins Spiel bringt und am Ende seines Zuges beweisen kann, dass er drei Siegbedingungen erfüllt hat.

Ersteindruck ist daher sehr gut – Eine ausführliche Rezension folgt nach Erscheinen des Spiels.

INFOS zu Carolingi

  • Autoren: Sebastian Freundenberg und Christoph Cantzler
  • Illustrationen: Harald Lieske
  • Verlag: Sea Cove Games
  • Erscheinungsjahr: 2024
  • Für 2-6 Spielende
  • Ab 12+ Jahren
  • Dauer: 75+ Minuten 
  • Link zu den Regeln

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