Den Skandal um Watergate habe ich nicht miterlebt. Zumindest nicht bewußt, denn in der Zeit war ich wenige Monate bzw. 2 Jahre alt.
Nichts desto trotz ist mir der Film die Unbestechlichen mit Robert Redford und Dustin Hoffman sehr lebhaft in Erinnerung geblieben, in dem der Fall aus der Brille der beiden Reporter der Washington Post geschildert wird. Sehr zu empfehlen.
Nun haben sich Matthias Cramer und Frosted Games diesem Fall in der quadratischen historischen Reihe (13 Tage, Hochverrat und 1828) angenommen und ein packendes 2 Personenspiel daraus gemacht.
Wer mehr zu dem Fall wissen will, kann sich in der umfangreichen Anleitung dazu noch informieren.
SPIELBESCHREIBUNG
In dem Watergate-Skandalspiel gibt es zwei Parteien: Nixon und die Reporter. Der Spielplan stellt eine Vielzahl an vernetzten Ablageflächen für Plättchen bzw. Beweismarker in drei Farben (blau = Scheck, gelb = Watergatekomplex, grün = Transkripte/Tonbandaufnahmen). Nixon zieht aus einem Beutel drei dieser Beweismarker und darf sie sich ansehen. Anschließend werden diese verdeckt auf die Mitte der Rechercheleiste (Seite des Spielplans) der beiden Spieler gelegt. Auf dieser liegen auch je ein Momentum- und ein Initiativemarker. Jeder Spieler erhält zudem noch einen Momentumanzeiger und ein Deck an Karten (20). Von diesen zieht er 4 oder 5 Karten (je nach Lage des Initiativemarkers).
Reihum spielen nun die Spieler eine dieser Karten aus. Mit den Karten können zwei Effekte ausgelöst werden. Mit dem Einflussteil (=oben) wird einer der Marker (Momentum oder Initiative) bzw. eines der Beweismarkerplättchen auf der Rechercheleiste bewegt. Dabei muss der Reporter bzgl. der Farbe mit Nixon sprechen. Gibt es kein verdecktes Plättchen der entsprechenden Farbe, so muss sich der Reporter einen anderen Gegenstand suchen, auf den er Einfluss nehmen möchte. Nach dem Versetzen der Marker wird die Karte auf den Ablagestapel gelegt.
Alternativ kann auch der Aktionsteil gewählt werden. Dann muss der Text auf der Karte befolgt werden. Je nach Karte (Reporter / Mitverschwörer = Ablagestapel oder Ereignis = aus dem Spiel) wird mit den Karten nach Nutzung verfahren. Sind alle Karten ausgespielt, so werden die Beweismarker entsprechend ihrer Lage verteilt bzw. das Momentum und die Initiative an die Spieler vergeben.
Dieses spielen wir so lange, bis Nixon den fünften Momentummarker erhält oder es den Reportern gelingt eine Beweiskette von zwei der sieben Informanten zu Nixon über die Beweisplättchen zu legen.
AUTOR: Matthias Cramer ■ GRAFIKER: Klemens Franz
VERLAG: Frosted Games ■ ERSCHEINUNGSJAHR: 2019
2 Spieler
ab 12 Jahren
ca. 30-60 Minuten
Spielregeln (ext. Link zu Frosted Games)
SPIELGEFÜHL
Die spannende Frage bei thematischen Spielen ist immer, wie tief konnte das Thema umgesetzt werden. Aber dazu kommen wir später.
Zunächst einmal sollte man sich als Spieler die gesamten Karten ansehen, denn das Spiel lebt davon, dass man seine Karten kennt. Zum Glück sind es nur 20 Karten, die jeder Spieler hat, so dass man sich mit diesen vorher relativ gut vertraut machen kann.
Das Spiel spielt sich – wenn man damit vertraut ist – erstaunlich flott, ist aber nicht unbedingt einfach zu spielen, da man sich häufig in verschiedenen Dilemmas befindet.
Dabei ist es ein hin und her zwischen den Kontrahenten, bei denen man das Ziehen und Zerren um die Wahrheit bzw. das Vertuschen sehr gut spüren kann. Das Spiel ist somit kein Friede-Freude-Eierkuchenspiel, sondern kann mitunter recht böse sein. Da gilt es Nerven bewahren und sich nicht ärgern, sondern auf die jeweils nächste Gelegenheit warten, um seinen richtigen Zug zusetzen.
Wie im echten Leben zieht sich die Schlinge um den Präsidenten immer mehr zu, der sich aber mit Händen und Füßen mit allen Mitteln gegen seine Enttarnung wehrt.
Dabei ist keine Rolle im Vorteil, auch wenn man emotional das Gefühl hat, dass Nixon stärker ist. Aber vielleicht ist er auf der „falschen Seite“ stehend nur bösartiger zu spielen.
Beide Rollen spielen sich auch komplett anders. Das Spielen der Redakteure erinnert an das emsige Tun von Ameisen, die sich an vielen Stellen abplagen, um die Beweisketten zu schließen, während Nixon eher subtiler unterwegs ist und stärker draufhaut, um Wege zu verschließen.
Zurück zur Ausgangsfrage, wie thematisch das Spiel ist, muss man dieses eindeutig bejahen. Das ist wirklich sehr gelungen. Auch wenn es eigentlich abstrakt angelegt ist, so merkt man die Abstrakheit nicht vordergründig.
Ergänzend ist dem Spiel im Rahmen der Anleitung eine historische Schilderung der damaligen Verhältnisse über 11 Seiten beigefügt. Somit kann man auch noch etwas für seine Bildung tun und vor allem den geschichtlichen Kontext besser einzusortieren.
Zu kritisieren gibt es wenig. An der ein oder anderen Stelle könnte das Glückselement durch das Ziehen der Karten zu hoch im Weg stehen und warum man auf der Rechercheleiste die Nummerierung von 1-5 nicht in Spielerrichtung beschriftet hat, weiß ich auch nicht.
Zusammenfassung
Sehr schöne geschichtliche Umsetzung des Watergateskandals in ein Spiel rund um das Recherchieren und gegenteilige Vertuschen von Tatsachen. Thematisch sehr dicht, trotz seiner abstrakten Anlage in einem asymmetrisch verlaufendem Kennerspiel angelegt.
- Spielt sich sehr flott
- Hohe thematische Dichte
- Hoher Schlagabtausch zwischen den Kontrahenten
- Gute Anlage der jeweiligen Rollen
- Nichts für schwache Nerven
- Spieler sollten / müssen auf dem gleichen Wissensstand bzgl. der Karten sein.
- manchmal ein wenig störendes Glückslement bei den Karten
Aus meiner Spielerperspektive: Wer sich bei asynchronen 2 Personenspielern wiederfindet und seine Emotionen im Griff hat, dem ist das Spiel absolut zu empfehlen. Wow, das Spiel hat es echt in sich und dürfte für viele erfahrene Spieler eine wirkliche Herausforderung sein. Das Spiel ist allerdings nicht komplett glücksbefreit.
Freu ich mich schon sehr es auf der BerlinCon spielen zu können
Mit „asynchron“ (=nicht gleichzeitig) meinst du „asymmetrisch“ (=ungleichmäßig)?
ja, vollkommen richtig.