Spielgefühle können sich mit Erweiterungen ändern… Ich weiß noch ziemlich genau, wie ich vor Jahren im Hamburger „Würfel und Zucker“ saß und dort endlich mal Railroad ink ausprobieren konnte. Es hatten doch bereits so viele davon geschwärmt! Leider hat mich das Spiel damals gar nicht abgeholt. Irgendwie passte da nie was so richtig zusammen und es war eine recht frustrierende Partie für mich.
Mit den neuen Ausgaben wollte ich es doch nochmal wissen und siehe da: Die neuen Challenge-Ausgaben gefallen mir nun deutlich besser und auf einmal klappt es auch (meistens) mit dem Schienen- und Straßenbau! Warum? Das versuche ich jetzt mal herzuleiten.
Carina Brachter
SPIELBESCHREIBUNG
Die Regeln des Grundspiels in den Farben Tiefblau (Link) und Knallrot (Link) sind hier verlinkt.
Hier die Unterschiede:
Die Editionen Blattgrün und Sonnengelb enthalten im Gegensatz zu den ersten Editionen Spielmaterial für nur vier Spieler:innen, zusätzlich aber noch Aufgabenkarten. Sechs Aufgabenkarten beziehen sich auf die Grundvariante, die sich über sieben Runden erstreckt. Optional können zu jeder Partie drei dieser Aufgabenkarten gezogen und offen ausgelegt werden. Wer als erstes eine Aufgabe schafft, erhält die höchste aufgedruckte Punktzahl (4), und überträgt diese auf die eigene Spieltafel. Danach werden die absteigenden Punktezahlen (2 und 1) vergeben.
Die Edition Blattgrün enthält zu den vier weißen Grundwürfeln zwei Waldwürfel und zwei Pfadwürfel, die jeweils in eigenständigen Erweiterungen genutzt werden können. Bei den Erweiterungen kann auch mit Aufgabenkarten gespielt werden. Eine der ausliegenden Aufgabenkarten wird dabei durch eine der Erweiterungsaufgabenkarten ersetzt.
Die Edition Sonnengelb enthält neben den vier Grundwürfeln zwei Wüstenwürfel und zwei Canyonwürfel. Auch hier sind Aufgabenkarten enthalten, die bei den Erweiterungen nutzbar sind.
Wird mit den Erweiterungen gespielt, geht eine Partie meist nur über sechs Runden.
Weitere Änderungen:
- Auf den Spieltableaus sind Spezialgebäude abgedruckt, die zusätzliche Funktionen und Bonusoptionen mit sich bringen, sofern man hier die entsprechenden Eintragungen durchführt.
- Der Würfel mit den Bahnhöfen als Verbindungsstücke enthält auf allen Seiten Bahnhöfe, so dass mehr Verbindungsoptionen zur Verfügung stehen. Es gibt außerdem weitere neue Optionen wie Doppelwege – insgesamt sechs zusätzliche Streckenteile im Vergleich zum Grundspiel.
AUTOR: Hjalmar Hach, Lorenzo Silva ■ ILLUSTRATION: Marta Tranquilli
VERLAG: Horrible Guild ■ ERSCHEINUNGSJAHR: 2021
1-4 Spieler
ab 8 Jahren
ca. 30 Minuten
Spielregeln (ext. Link zu )
SPIELGEFÜHL
Schicke Karosserie
Das Spielmaterial von Railroad Ink Challenge kommt wieder in den bekannten kompakten Boxen mit Magnetverschluss daher. Auch, wenn jetzt nur noch Spielmaterial für jeweils vier Spieler:innen enthalten ist, so ist doch wieder an der Qualität nichts auszusetzen. Nur die Stifte malen ein wenig zu dick und der schöne Schriftzug darauf färbt ganz schnell ab.
Natürlich kann man anmerken, dass es völlig überzogen ist, für jede Erweiterung eine neue Box kaufen zu müssen. Da das System der Würfel aber angepasst und überarbeitet wurde, mussten auch neue Spielpläne her. Da ist dann die große Schachtel für die beiden neuen Editionen nachvollziehbarer. Und wenn man erst auf diesem Level neu in die Railroad-Welt einsteigt, braucht man dann eh die gesamte Box.
Zahlreiche andere Erweiterungen, die in kleinen und deutlich günstigeren Boxen vertrieben werden, sind angekündigt und bieten vermutlich für viele Jahre Abwechslung im Setting.
Gemeinsam einsam
Doch nun zum Spielgefühl: Railroad ink ist ein sehr solitäres Spiel. Das war es in der Grundform und ist es auch jetzt weiterhin. Es wird gewürfelt und dann verschwinden alle Spielenden hinter ihren Sichtschirmen, bis alle vermelden, dass sie fertig sind. Dann erfolgt der nächste Wurf und die nächste Eintragungsrunde in stiller Konzentration.
Mit den Aufgabenkarten kommt nun die im Untertitel genannte Challenge ins Spiel. Es handelt sich weniger um Interaktion, sondern eher um ein Wettrennen, wer als erstes die Aufgabe erledigt und die meisten Punkte dafür einstreicht. Das Wettrennen bleibt dabei aber wenig kalkulierbar, denn hinter dem Sichtschutz der Mitspielerinnen und Mitspieler erkennt man ja nicht, wann diese denn vermutlich so weit sein werden. Es bleibt ein Wettrennen auf Distanz und im Nebel.
Viel mehr Wege führen zum Ziel
Die beiden neuen Editionen bringen deutlich mehr Varianz auf den Spielplan. Die erweiterten Wege und Verbindungsstücke machen die Streckenführung deutlich komplizierter, bringen aber auch viel mehr Flexibilität in die Sache. Diese Flexibilität spürt man deutlich, wenn man zum Vergleich nochmal eine Grundvariante spielt. Hier fand ich es immer recht geradlinig und das Verbinden von einzelnen Strecken funktionierte häufig nicht so recht.
Mir liegt die neue Flexibilität. Ich empfinde sie als sehr bereichernd, so dass mir das Spiel somit deutlich mehr Freude bringt, als die Grundvariante.
Natürlich ist die Streckenführung auch komplizierter geworden und wenn man nicht von Anfang an daran festhält, an einer zusammenhängenden Strecke zu bauen und an mehreren Ecken beginnt, kann man grandios scheitern.
Challenge accepted
Die Karten und der Challenge-Charakter sorgen für zusätzliche Herausforderung bei der Gestaltung des Streckennetzes. Gerade, weil ich nicht kalkulieren kann, ob meine Mitspieler:innen bereits kurz vor der Vollendung einer Aufgabe stehen, setze ich mich selber unter Druck, möglichst schnell auf den Punkt zu kommen. Bei ähnlichem Talent im Schienen- und Straßenbau kann das Erreichen der Höchstpunktzahl hier schonmal spielentscheidend sein.
Deutlich mehr Möglichkeiten
Hinzu kommen die Punkte, die man noch durch das Errichten von Bahnhöfen in der Nähe von Häusern bekommen kann. Die Industriegebäude haben die charmante Eigenschaft, dass sie uns das doppelte Eintragen eines der weißen Würfel ermöglichen. Zusammen mit den Würfeln aus den Erweiterungen und einer selbstgewählten Kreuzung kann man dann in einer Runde schon mal auf acht Felder kommen, in die man etwas eintragen darf. Da wächst der Streckenplan und es ist klar, warum man hier um eine Runde im Vergleich zur Grundvariante verkürzen muss.
Railroad Ink Challenge bietet aufgrund seiner Varianz und der unterschiedlichen Kombinationsmöglichkeiten einen wirklich hohen Wiederspielreiz. Natürlich kommt der eigene Optimierungswille dann auch noch erschwerend hinzu: Das kann ich besser! Und los geht es in die nächste Partie – aber ACHTUNG: Ich kann natürlich nicht beurteilen, ob auch die, die das Spiel bereits in der Grundvariante totgespielt haben, hier genauso großen Reiz finden. Mich hat die Challenge-Variante wirklich in ihren Bann gezogen. In den ersten Tagen kam sie mehrmals täglich auf den Tisch.
Zu den einzelnen Erweiterungen:
- Wald (Edition Blattgrün)
Kategorie einfach: Hier punktet das größte und zweitgrößte Waldgebiet. Die Erweiterung ist gut zu integrieren und recht einfach umzusetzen. - Pfad (Edition Blattgrün)
Kategorie schwer: Zusätzlich zu Schienen und Straßen kommen auch noch Wanderwege ins Spiel, die sich automatisch mit Bahnhöfen verbinden. Hier punktet das Netz aus verbundenen Bahnhöfen. Das Spielfeld sieht am Ende aus wie ein Spinnennetz. Hier muss man sich sehr konzentrieren, die Übersicht zu bewahren. - Wüste (Edition Sonnengelb)
Kategorie einfach: Kakteen kommen ins Spiel, die neben Oasen platziert werden sollten. Wird ein Dürresymbol gewürfelt und die Kakteen werden nicht ausreichend durch die Oasen mit Wasser versorgt, sterben sie leider ab und bringen keine Punkte mehr. - Canyon (Edition Sonnengelb)
Kategorie schwer: Canyon werden als Zickzacklinien auf die Ränder der Felder eingezeichnet. Strecken müssen dabei Brückenpunkte passieren, von denen es nur zwölf gibt. Auch hier ist ordentlich Konzentration gefordert.
Zusammenfassung
Railroad Ink Challenge bietet für alle alten Hasen im Railroad-Universum – wie es der Untertitel verspricht – neue Herausforderungen. Aber auch für Neulinge bieten die beiden Editionen Blattgrün und Sonnengelb einen anspruchsvollen Einstieg in den professionellen Straßen- und Schienenbau. Da die beiden Editionen das vollständige Spielmaterial für den Neueinstieg mitbringen, ist das auch kein Problem. Die alten Fassungen kann man gut überspringen.
Aber aufgepasst: Railroad Ink ist kein Roll & Write für Neulinge. Es richtet sich an Fortgeschrittene und erfordert ein Mindestmaß an räumlichem Vorstellungsvermögen. Das kann man aber auch üben…
Vielleicht ist es aber der richtige Zeitpunkt, in die Welt von Railroad Ink einzusteigen, denn in Kürze werden noch viele kleine Erweiterungen erscheinen, die zukünftig noch mehr Abwechslung bringen sollen.
- Mehr Flexibilität und Varianz im Vergleich zu den Grundversionen
- Hoher Wiederspielreiz durch die neuen Kombinationsmöglichkeiten mit Würfeln und Karten sowie den eigenen Wunsch nach Optimierung
- Nächste Stufe für alle, die sich nach neuen Herausforderungen im gleichen Spieluniversum sehnen
- Die schwierigen Erweiterungen Pfad und Canyon erfordern Konzentration und sind nicht „gerade mal so“ gespielt
- Sehr solitäres Spielgeschehen
- Ein Fest für Grübler…
Aus meiner Spielerperspektive:
Die neuen Editionen von Railroad Ink Challenge machen gar nicht so viel anders, ändern für mich das Spiel aber ganz essentiell! Die Varianz und Flexibilität sind die Pluspunkte, die für mich die entscheidende Wendung von Frust zu Lust gebracht haben.
Ich freue mich auf die ganzen kleinen Erweiterungen, die angekündigt sind. Da muss man dann auch nicht immer das ganze Spiel neu kaufen. Werde sicher die ein oder andere ausprobieren.