Manche Brettspiele ergehen sich in langen Einleitungstexten, um uns aufwendig und mit gewählten Worten in eine Geschichte oder ein Setting einzulullen. Gerade bei abstrakten Spielen ist das häufig extrem an den Haaren herbeigezogen und passt oft hinten und vorne nicht.
Da lobe ich es mir, wenn ein abstraktes Spiel darauf einfach mal verzichtet und es auch im Spielziel ohne großes Aufheben auf den Punkt bringt: „Wer die meisten Punkte hat, gewinnt Tangram City.“ – Also, nicht lange fackeln und dann mal ran an den Bauplan…
Carina
In Tangram City erhält jeder Mitspielende ein 7×7-Felder großes Stadttableau und legt es auf eine der beiden Seiten vor sich aus. Ebenso bekommen alle eines der gleichen Sets aus Bauplättchen. Außerdem erhalten alle 6 dreieckige Brunnenplättchen.
Jemand wird zum Startspieler ernannt. Die Karten werden gemischt und vier davon nach einem vorgegebenen Prinzip verteilt, das sich aus der Anzahl der Mitspielenden ergibt. Mindestens eine Karte liegt offen aus. Die anderen Karten geben den Spielenden, denen sie zugeteilt wurden, eine geheime Information über ein Bauteil, das diese Runde auf jeden Fall verbaut werden wird.
Die Karten zeigen immer ein bestimmtes Bauteil, welches alle Mitspielenden gleichzeitig nehmen und auf ihrem Stadttableau einpuzzeln. Begonnen wird mit der offen ausliegenden Karte, dann werden die anderen Karten nach und nach aufgedeckt und die Bauteile entsprechend angelegt. Wir können aber auch freiwillig darauf verzichten.
Wurden alle vier Karten aufgedeckt, dürfen alle noch eines der Brunnenplättchen anlegen. Danach wird auf dem Tableau jedes Spielenden das größte komplett bebaute Rechteck gewertet – pro Feld ein Punkt. Die Summe tragen wir auf dem Wertungstrack ab.
Nach jeder der sechs Runden wird ermittelt, wie viele schwarze und wie viele grüne Felder auf der entstehenden Stadt zu sehen sind. Die Werte markieren wir auf der Zählleiste oberhalb des Tableaus, um zu kontrollieren, wie sich die beiden Farben in Balance halten.
In der letzten Runde werden nur noch drei Karten ausgespielt, die entsprechenden Bauteile ggf. noch verpuzzelt, der Brunnen angelegt und nochmal das größte Rechteck gewertet. Ebenso werden die beiden Werte der grünen und der schwarzen Leiste verglichen – je näher diese beieinander liegen, desto mehr Punkte erhält man. Ebenso erhält noch einen Bonus, wer sein gesamtes Tableau vollgepuzzelt hat. Und wie eingangs bereits erwähnt, gewinnt Tangram City, wer dann insgesamt die meisten Punkte erzielen konnte.
Brettspiel Regeln
Spielregeln (ext. Link zu HUCH!)
Balance und Harmonie – das sind die beiden großen Schlagworte, mit denen das Plättchenlegespiel Tangram Cityüberschrieben ist. Ein Plättchenlegespiel, das zur Abwechslung mal mit Tangramteilen und nicht mit den üblichen Tetrisplättchen daherkommt. Und das erfordert mehr Umdenken, als man zunächst glaubt! Bei manchen Teilen muss man dreimal überlegen, bevor man versteht, wie man das vernünftig einbauen kann. Menschen, die bereits häufiger Spiele mit Tangramteilen erlebt haben, sind hier deutlich im Vorteil. Andere sind länger damit beschäftigt, den richtigen Platz für ihre Teile zu finden. Allerdings gelingt der Umgang damit nach ein paar Partien und ein wenig Übung problemlos und die Puzzleaufgabe ist gut lösbar.
Mal um die „Ecke“ denken
Der größte Unterschied beim Bauen mit Tangramteilen ist, dass man hier häufig ein eher ausgefranstes und sehr mit offenen Ecken versehenes Puzzlegeschehen auf seinem Tableau vorfindet. Daran muss man sich gewöhnen. Es ist nämlich beim Tangram eher vorteilhaft, wenn man experimentell baut. Man bekommt das Feld schon trotzdem irgendwie geschlossen.
Der Kniff des Spiels besteht darin, dass wir zwar „ausgefranster“ bauen müssen, es bei den Wertungen aber immer darauf ankommt, dass man ein großes Rechteck erstellt, dessen Felder uns Punkte einbringen. Das Rechteck ist bei Tangram der natürliche Feind des Puzzelns und seine geraden Seiten sind hier eher hinderlich als hilfreich.
Und das ist der erste Aspekt der Balance in Tangram City: Wir müssen die Balance finden zwischen den fiesen Ecken und Kanten der Tangramteile und den geraden Seiten eines punkteträchtigen Rechtecks.
Nebenbauplatz
Es ist ein schöner Kniff, dass in den einzelnen Runden durch die unterschiedliche Verteilung der Karten immer ein Teil der Informationen für alle offen ausliegt und andere Informationen nur einem Teil der Gruppe zur Verfügung stehen. Man hätte ja auch einfach wie bei My City eine Karte nach der anderen aufdecken können, aber man hat hier einen pfiffigeren Weg gewählt.
Man sieht gegen Ende des Spiels ohnehin gut, welche Teile noch eingebaut werden müssen – so kann man ein bisschen vorplanen. Manch einer spielt neben dem Tableau bereits ein Schattenkabinett vor, legt Teile bereit und weiß dann genau, wo sie hinsollen, wenn sie denn dann aufgedeckt werden.
Ggf. kann man auch an der Bauweise der Mitspielenden erkennen, was als nächsten kommt:
- Entweder erkennt man es daran, dass auf den Feldern der Mitspielenden noch bestimmte „Formen“ frei bleiben.
- Oder sehr originell: Manche nehmen die entsprechenden Plättchen, die auf ihren „geheimen“ Karten abgebildet sind, schonmal in die Hand – ein ganz fieser Impuls, der gerne zu Lachern am Tisch führt, wenn andere ihn entlarven.
Eine gute Idee im Spieldesign war es, dass man die letzten drei Plättchen in beliebiger Reihenfolge einbauen kann, denn sonst hätte man bei Spielende zu wenig Flexibilität und zu viele Bauzwänge.
In perfekter Harmonie
Der zweite Aspekt der Harmonie und Balance in Tangram City ist der Ausgleich zwischen Stadt (schwarzen Plättchen) und Gärten (grünen Plättchen). Das führt allerdings dazu, dass alle ständig leise vor sich hinzählen. Und das meist mehrfach, weil man sich immer wieder vertut und von vorne beginnen muss.
Die Idee, dass man hier ebenfalls ausgeglichen handeln muss, macht es einem schwer, manche Plättchen einfach auf die andere Seite zu drehen – dann passen sie besser für den Plan und die übrigen Plättchen, aber nicht für die benötigte Geländeart! Die 20 Punkte bei Spielende für die perfekte Balance sind aber auch nicht zu verachten…
Keine Herausforderung = kein Spielreiz (mehr)?
Die Motivation von Tangram City besteht darin, die Puzzleaufgabe einmal perfekt zu schaffen – danach erlischt bei vielen der Reiz, es nochmal zu spielen. Erstaunlicherweise gelingt es einigen aber bereits in der ersten Partie, das Tableau optimal zu füllen und dabei auch noch ziemlich gute Balance zwischen den Farben zu schaffen, so dass das Spiel für einige keine große Herausforderung darstellt.
Wie bereits erwähnt, bekommt man das Tableau besser komplett bepuzzelt, wenn man eher experimentell baut und auch mal Lücken lässt. Die werfen einen am Anfang der Partie ggf. zurück, was man am Ende aber aufholt, indem man 49 Punkte für das Rechteck sowie 15 Punkte extra als Bonus erhält. Fast jeden katapultieren diese 64 Punkte an die Spitze des Wertungstracks.
Und sonst so?
- Es macht nur wenig Unterschied, ob man das Spiel zu zweit oder zu fünft spielt. Interaktion findet keine statt. Den Blick hebt man nur, um zu sehen, was auf der nächsten aufgedeckten Karte zu sehen ist. In großer Runde kann allerdings Downtime entstehen, wenn Spielende Schwierigkeiten mit den Tangramformen haben und es mehrmals probieren müssen, wo der optimale Platz zum Anlegen ist.
- Taktischer Tipp fürs Puzzeln: Rechtzeitig mal ein Plättchen weglassen und auf den Einbau verzichten, denn es bringt keine Nachteile oder Minuspunkte.
- Praktisch, aber zu fiddelig sind die Zählsteine: Sowohl die Zähler in den Spielerfarben, als auch die beiden Marker „Haus“ und „Baum“, die die Häufigkeit der beiden Farben auf dem Board anzeigen.
- Die Gestaltung des Spiels ist eher funktional als in irgendeiner positiven oder negativen Weise auffallend. Die Darstellung der Landschaften ist gut und unterscheidbar gelungen. Die Gestaltung der Karten ist seltsam – dieser hellblaue Hintergrund mit diesen seltsamen Wölkchen irritiert mich in jeder Partie…
- Gute, kurze und zugängliche Regeln – allerdings mit einer Unklarheit in Bezug auf die Berechnung der finalen Balance: Liege ich beispielsweise am Ende bei 19 und 24 und es heißt: „vergleiche den Abstand zwischen deinen beiden Markern“. Zählt man die freien Felder auf den Leisten zwischen den beiden Markern oder errechnet man die Differenz. Das war uns nicht ganz klar, wie das zu werten ist. 5 Punkte können ggf. über Sieg und Niederlage entscheiden.
- In jeder Partie baut garantiert jemand ein falsches Plättchen ein – das passiert immer, auch, wenn man zu Beginn extra darauf hinweist.
- Einfaches und sehr zugängliches Plättchenlegespiel mit kurzen Regeln und niedriger Einstiegshürde
- Tangramteile sind eine schöne Abwechslung zu den bekannten Tetristeilen
- Kann bis zu fünf Personen mit wenig Downtime (ohne Grübler!) gleichzeitig gespielt werden
- Tangramteile sind gewöhnungsbedürftig
- Sehr fiddelige Marker für die Wertungs- und Balanceleisten
- Spielziele sind recht einfach schaffbar und das steigert den Wiederspielreiz nicht
Tangram City ist ein Plättchenlegespiel, das im Gegensatz zu den meisten seiner Artgenossen mit Tangramteilen arbeitet. Dies erfordert ein wenig Eingewöhnung, ist aber grundsätzlich gut schaffbar. Das Spiel ist sehr zugänglich und auch für Einsteiger gut geeignet. Das Spiel bietet wenig Interaktion – jeder baut konzentriert vor sich hin und versucht die Aufgaben des Spiels gut zu erfüllen: Eine möglichst große rechteckige Fläche in die Abrechnung bringen und dabei die Stadtbereiche und die Gärten gleichgroß gestalten.
Tangram City ist eine nette Puzzelei, bei der man auf einiges achten muss, das aber niemanden überfordert. Es ist schnell verstanden, flott gespielt und auch ohne große Downtime (wenn keine Grübler dabei sind) zu fünft spielbar. Wer einmal das perfekte Ergebnis geschafft hat, wird aber den Wiederspielreiz ein wenig vermissen.