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REVIEW | Rezension Novgorod

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Novgorod von Ostia Spiele wurde in diesem Jahr erfolgreich in der Spieleschmiede finanziert und erschien am 15.10.2020. Hier schildere ich meine Eindrücke zum Spiel nach vier Partien. Die Erweiterungen Neue Bürger und Neue Ziele sowie die im Spiel enthaltene Expertenvariante konnte ich dabei noch nicht ausprobieren.

Außerdem konnte ich das Spiel bislang nur zu zweit spielen – alle getroffenen Aussagen sind daher bitte unter diesen Aspekten zu betrachten. Wie mir das Spiel gefallen hat, erfahrt Ihr im Folgenden.

Carina Brachter


SPIELBESCHREIBUNG

Die Spieler reisen im 15. Jahrhundert als Kaufleute durch verschiedene Hansestädte, produzieren Waren und Luxusgüter, erfüllen Aufträge, verdienen auf diese Weise Geld und Ansehen. Der angesehenste Kaufmann gewinnt das Spiel. 

Das Spiel setzt sich komplett aus 120 Spielkarten zusammen.

Sie stellen u.a. Kontore und Manufakturen dar, aus denen sich das Spielfeld zusammensetzt. Dieses besteht aus 8 Hansestädten, die jeweils aus einem Basiskontor und einer Manufaktur bestehen. Auf diese Weise erfahren wir, welche Waren in der jeweiligen Stadt gehandelt und welche Luxusgüter produziert werden können.

Außerdem sind Auftragskarten enthalten. Auf diesen ist verzeichnet, welche Waren oder Luxusgüter wir in unseren Spielzügen liefern oder produzieren sollen, um Geld und/oder Ansehen zu erhalten.

Jeder Spieler erhält zu Beginn zwei dieser Auftragskarten. Ebenfalls erhält jeder Spieler Kontore von zweien der ausliegenden Städte. Zu diesen Städten kann der Spieler bereits von Anfang an reisen. Weitere Stadtkarten kann jeder Spieler in seinen Spielzügen erwerben, um so nach und nach weiter reisen zu können.

Wie weit ein Spieler reisen kann, hängt auch mit seinem Schiff zusammen und wie weit es bereits ausgebaut ist. Zu Beginn des Spiels hat das Schiff eine Reichweite von zwei Städten. Gegen Bezahlung ist das eigene Schiff bis zu einer Reichweite von fünf ausbaubar.

Außerdem gibt es noch Karrierekarten, die uns einen Bonus je Spielzug bieten. Es ist jedoch auch notwendig, sich hier weiterzuentwickeln, denn sonst ist es nicht möglich, das Spiel zu gewinnen. 

Auch ein paar Bonuskarten gibt es noch, die eine zusätzliche Möglichkeit darstellen, Ansehen zu erringen.

Grundsätzlich sind auch die Geldressourcen und die zu gewinnenden Siegel, die das Ansehen symbolisieren, auf Karten dargestellt. Mit dieser Variante haben wir aber nur testweise begonnen. Daher haben wir mit dem zusätzlich erhältlichen Set aus Münzen und Siegeln gespielt. 

Unsere Spielzüge bestehen darin, dass wir gemäß der Reichweite unseres Schiffes Karten der Stadtkontore ausspielen und auf diese Weise von Stadt zu Stadt reisen. Dort produzieren wir die Waren oder Luxusgüter und erfüllen unsere Aufträge. Anschließend haben wir die Möglichkeit, weitere Schiffsausbauten zu tätigen, zusätzliche Stadtkarten zu kaufen, um weiter reisen zu können oder neue Auftragskarten zu erwerben.

Wenn am Ende einer Runde ein Spieler 30 Siegel oder mehr besitzt, wird noch eine Runde gespielt. Wer dann das meisten Ansehen erringen konnte, ist der Sieger von Novgorod.



AUTOR: Stefan Risthaus ■ GRAFIKER: Fiore GmbH
VERLAG: Ostia Spiele ■ ERSCHEINUNGSJAHR: 2020

2-4 Spieler

ab 10 Jahren

ca. 40-50 Minuten

Spielregeln (ext. Link zu Ostia Spiele)


SPIELGEFÜHL

Novgorod ist in einem typischen Eurogame-Setting angesiedelt. Die grafische Gestaltung und Bildsprache holen klassische Euro-Spieler daher schnell ab. 

Leider ist das nicht bei den Regeln der Fall – auf dieses Thema gehe ich später aber nochmal genauer ein. Denn wer es geschafft hat, sich durch die Regeln zu quälen, der hat sich den Zugang zu einem überraschend komplexen Spiel mit Variabilität und Spieltiefe erarbeitet.

Man benötigt ein paar Runden, um zu erfassen, was zu tun ist. Die erste Partie ist daher auf jeden Fall unter „Lernpartie“ zu verbuchen. Denn man sollte erstmal genau verstehen, wie das Spiel funktioniert: Bilde eine gute Engine aus Wegen und Waren und erwirb die passenden Auftragskarten, dann ist der Weg zum Ruhm geebnet!

Ab der zweiten Partie beginnt man sicher auch damit, die Auslage zu Spielbeginn genauer zu sondieren, bevor man die ersten Stadtkarten auswählt. Die Frage ist nämlich: Wie setzt sich die Auslage diesmal zusammen, wo können sich lukrative Routen ergeben? Denn wir müssen die richtigen Rohstoffe zu den passenden Kontoren bringen und dann die korrekten Lieferungen zusammenstellen, um auch noch unsere Aufträge möglichst schnell und lukrativ zu erfüllen.

Da das Spielfeld variabel zusammengesetzt wird, kann es bei den Spielen durchaus mal alles sehr gut zusammenpassen. In manchen Spielen passen die Auslagen leider nicht so günstig und da ist dann der Planungsaufwand deutlich höher. Dann ist es ratsam, erst einmal ordentlich in weitere Ausbaustufen des Schiffes oder in weitere Stadtkarten zu investieren, um die Reichweite zu erhöhen und die passenden Städte und Kontore leichter zu erreichen.

Hat man aber erst einmal einen gute und passende Engine erarbeitet und auch noch Glück bei den Auftragskarten, läuft die Strategie fast von selber. Am Spielende ergibt sich dann ein reizvolles Wettrennen, denn es ist gut abzusehen, ob der Mitspieler gleich das Spielende einläuten wird. Dann gilt es, noch schnell Aufträge abzuwickeln, um ggf. noch mitzuhalten.

Das Spiel funktioniert sehr gut zu zweit. Interaktion und Konfrontation findet im Wesentlichen bei der offenen Auslage der Auftragskarten und den Bonuskarten statt. Daher ist es vermutlich mit mehr Spielern auch kein anderes oder gar besseres Spiel. Die angegebene Spielzeit liegt zu zweit und bei geübten Spielern vermutlich eher bei guten 30 Minuten. Mit mehr Spielern kommen die angegeben 40-50 Minuten sicher gut hin. Bei der Altersangabe bin ich skeptisch. Mit 10-jährigen würde ich das Spiel noch nicht spielen wollen, dafür ist es ggf. doch zu komplex.

Kommen wir zu den zwei Mankos des Spiels:

  1. Die Regel ist ein richtiger Rausschmeißer. Die Sätze zu lang, die Begrifflichkeiten verwirrend, teilweise werden Symbole nicht erklärt, die Reihenfolge teilweise unlogisch. Auch wenn man sie nach dem Durcharbeiten nochmal konsultieren muss, findet man sich schlecht zurecht. Fettungen, Schlagworte, Aufzählungen…. vieles hätte geholfen, den Einstieg in das Spiel zu erleichtern. Ich würde empfehlen, hier von Seiten des Verlages ein Regelvideo zu erstellen, das macht dem ein oder anderen den Einstieg sicher einfacher.
  2. Die Geldressourcen und die verdienten Siegel, die das Ansehen symbolisieren, sollen im Grundspiel mit Hilfe von Karten gemanagt werden. Dies haben wir zu Beginn auch so gespielt, sind dann aber nach drei Spielzügen sofort auf die Münzen und Siegelchips umgestiegen, die uns zur Verfügung standen. Der Gedanke, alle Elemente des Spiels mit Karten darzustellen ist ja grundsätzlich nicht falsch, jedoch ist diese Variante extrem hemmend für den Spielfluss. Vor lauter Drehen und Wenden der Karten vergisst man, welche Taktik man im Kopf hatte. Wirklich schade. Wer sich für das Spiel interessiert, sollte daher auch in das Münzset investieren. Es lohnt sich!

Zusammenfassung

Novgorod bietet als reines und recht kleines Kartenspiel erstaunliche Komplexität und Spieltiefe. Es ist ein ordentlicher Hirnzwirbler, der durch seinen flexiblen Aufbau immer wieder neuen Spielreiz bietet.

Wer es einmal geschafft hat, sich durch die Regeln zu wühlen, entdeckt ein Strategiespiel für die Handtasche, das sich prima z.B. für den Urlaub eignet, wenn man was Anspruchsvolles auf kleinem Raum mitnehmen möchte. Der Ansatz, auch Karten und Siegel über Karten abzubilden, ist ein grundsätzlich ressourcensparender Ansatz, aber absolut nicht empfehlenswert. Wer sich für Novgorod entscheidet, sollte unbedingt auch im Sinne des guten Spielgefühls in die Münzen und Siegelchips investieren. 

  • Variabilität durch flexiblen Spielplan und immer wieder neue Anordnung von Waren und Manufakturen.
  • Viel Spieltiefe und Komplexität in kleiner Schachtel zum günstigen Preis
  • Expertenvariante inklusive
  • Die Regeln sind eine echte Einstiegshürde. Auch beim Nachschlagen ist die Orientierung schwierig. 
  • Ohne Münzen und Siegelset ist der Verwaltungsaufwand für die Zählung anhand der Karten ein echtes Hemmnis für den Spielfluss

Aus meiner Spielerperspektive:

Ich war erstaunt, dass das Spiel so viel Spieltiefe mitbringt. Es ist der Beweis dafür, dass komplexe Spiele nicht unbedingt einen großen Spielplan benötigen. Daher war ich, nach dem recht anstrengenden Regelstudium, doch sehr positiv vom Spiel überrascht. 

Auch gefällt mir der Aspekt, dass zum Ende des Spiels eine Art Wettrenncharakter entsteht, wer als erster die angestrebten Punkte erzielt. Fehler verzeiht das Spiel nicht so leicht. Man sollte also konzentriert zu Werke gehen, ein Absacker ist das Spiel daher sicher nicht. Ich würde es daher nach Feierabend nicht zwingend auf den Tisch packen, aber hin und wieder kommt es sicher wieder zum Zug. 

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