Home Jahr 2023 REVIEW | Rezension Brettspiel Wanderlust

REVIEW | Rezension Brettspiel Wanderlust

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Brettspielbox Brettspiele

Beim Liederabend gemeinsam Marshmallows rösten über dem Lagerfeuer, Freundschaftsbänder knüpfen, Brennball spielen, Kanu fahren, Küchendienst schieben und dabei neue Freund finden – das alles kennen wir noch gut aus Ferienlagern.

„Abenteuer im Sommercamp“ ist daher auch der Untertitel des Spieles Wanderlust, das nun bei Game Factory erschienen ist. Und meines Erachtens passt dieser Untertitel auch viel besser zu dem, was das Spiel thematisch transportiert. 

Was kann Wanderlust noch, als das Feeling ehemaliger Ferienlager in uns heraufzubeschwören?

Carina Brachter

Anmerkung: Aktuell gibt es zwei Brettspiele mit dem Titel Wanderlust. Wanderlust II ist von Pektis und wird gerade via Kickstarter finanziert.


SPIELBESCHREIBUNG

Wanderlust ist eine Kombination aus Deckbuilder und Wettrennen.

Das Spielbrett für das zentrale Wettrennen wird variabel aus neun Elementen zusammengestellt. Es entstehen dabei drei Wege, auf denen wir möglichst schnell vorankommen sollten, um Abzeichen und damit Siegpunkte zu gewinnen. Abzeichen erhalten wir, wenn wir mit all unseren drei Figuren bestimmte Wegmarken überschritten haben oder am Ende eines Weges angekommen sind.

Auf den Wegen kommen wir voran, indem wir Handkarten ausspielen. Zu Beginn des Spiels besteht unser persönliches Kartendeck aus 10 Karten. In jedem Spielzug nehmen wir 5 Karten auf die Hand, die wir auch alle ausspielen müssen. Das Startdeck besteht für alle aus den gleichen 10 Basiskarten – im Laufe des Spiels kaufen wir weitere Karten dazu und machen unser Kartendeck dadurch besser und individueller.

Neben dem Basis-Kartendeck werden drei der sieben im Spiel enthaltenen Themendecks je Partie ausgewählt – dies sind „Aktivitäten“, „Freundschaft“, „Kochen“, „Outdoor“, „Gruppenspiele“, „Handarbeit“ und „Wassersport“. Alle diese Decks können wir jeweils miteinander kombinieren.

Die Karten haben unterschiedliche Funktionen. Einige geben uns Energie, neben Energie-Riegel-Chips unser Zahlungsmittel für das Kaufen neuer Karten. Diese erwerben wir aus einer offenen Auslage des Basisdecks oder den jeweils sechs aus den Themendecks offen ausliegenden Karten.

Andere Handkarten geben uns Bewegungsschritte, um mit unseren Figuren auf den jeweiligen Wegen voranzukommen. 

Je nach Themendeck, welches mitspielt, bringen die darin enthaltenen Karten unterschiedliche Fähigkeiten und Möglichkeiten ins Spiel (mehr dazu unter Spielgefühl). Die Decks haben jeweils unterschiedliche Schwerpunkte, aber alle Decks enthalten Karten, die Bewegungsschritte auf den zugehörigen Weg mitbringen. Viele der Karten bringen auch Siegpunkte für die Schlusswertung mit.

Das Spielende ist erreicht, sobald eine:r der Mitspielenden an allen drei Wegen das Ende und damit ein Abzeichen erreicht hat. Danach werden die Werte auf den gesammelten Abzeichen sowie den gekauften Karten im Kartendeck zusammengezählt. Wer die meisten Punkte erzielen konnte, gewinnt Wanderlust



AUTOR: Phil Walker-Harding ■ ILLUSTRATIONEN: Adam Grason
VERLAG: Buffalo Games | Game Factory  ■ ERSCHEINUNGSJAHR: 2023

2-4 Spieler

ab 10 Jahren

ca. 40 Minuten

Spielregeln (ext. Link zu )


SPIELGEFÜHL

Wanderlust ist das ideale Brettspiel, um Neulingen das Prinzip des Deckbuildings näherzubringen. Das Spielprinzip wurde hier auf das Wesentliche reduziert und ist daher sehr zugänglich. Die Regeln sind dabei der perfekte Begleiter, da der Spielablauf und die beinhalteten Komponenten hier sehr übersichtlich und klar dargestellt werden. Die Einstiegshürde ist gering, das Spiel kann einfach erlernt oder anderen vermittelt werden.

Das Ziel klar vor Augen und immer im Blick

Da Wanderlust als Wettrennen ausgelegt ist, läuft das Spiel in einem flotten Spieltempo. Das Spielziel liegt klar vor Augen, alle wollen schnellstmöglich vorankommen. Ein Spielzug geht dabei ganz schnell: 

Fünf Karten aus der Hand gilt es auszuspielen – wahrscheinlich wird man, sofern man Karten mit Bewegungsmöglichkeit hat, diese direkt in Strecke umsetzen. Zusätzlich können wir neue Karten einkaufen. Schnell ist ermittelt, welches Budget wir zur Verfügung haben und was wir uns aus der Auslage leisten können. Da gibt es meist gar nicht so viel nachzudenken. Ein Spiel also, das Grüblern keine Chance lässt!

Gut sortiert und hübsch gestaltet 

Zudem kommt Wanderlust auch noch mit einer sehr schönen Ausstattung und Gestaltung daher.

Die Themendecks sind wohlgeordnet in kleinen Schächtelchen und dort zusammen mit den jeweiligen Abzeichen prima zu verwalten. Die Karten sind matt, was sie empfindlich für Fettfinger macht, sich aber grundsätzlich sehr schön anfühlt. Die Illustrationen sind ansprechend, die Kartentexte verständlich.

Das Spielmaterial ist durch die sieben Kartendecks, die alle jeweils miteinander kombinierbar sind, und das immer wieder variabel zusammenstellbare Spielbrett mit den Wegstrecken sehr abwechslungsreich. Gerade die Themendecks bringen alle einen unterschiedlichen Schwerpunkt mit sich, die immer wieder eine kleine neue Nuance ins Spiel bringen.

Die einzelnen Kartendecks haben diese unterschiedlichen Schwerpunkte:

  • Aktivitäten sorgt dafür, dass wir ausliegende Karten kostenfrei aus der Auslage oder vom Stapel nehmen können.
  • Mit Freundschaft erhalten wir Energie oder dürfen weitere Karten ziehen, die Mitspielenden bekommen aber auch etwas ab.
  • Mit den Gruppenspielen wird es kompetitiv und teilweise können wir unseren Mitspielenden ein wenig schaden.
  • Mit der Handarbeit können wir unsere Materialien anderen Verwendungen zuführen.
  • Kochen bringt uns im Wesentlichen zusätzliche Energie.
  • Outdoor ist darauf ausgelegt, dass wir weitere Karten bekommen oder der Kartendurchlauf schneller geht.
  • Mit Wassersport kommen wir unter bestimmten Bedingungen schneller auf den Wegen voran.

Gleich ist allen Decks, dass sie Karten beinhalten, mit denen man jeweils einen, zwei oder drei Schritte auf dem jeweiligen Themenweg gehen kann. 

Von Lagerfeuern und Freundschaftsbändern

Alle Karten der Themendecks sind sehr schön thematisch gestaltet. Hier findet sich alles, was irgendwie in den Dunstkreis eines Sommercamps passt. Seilrutsche, Töpfern, Marshmallows, Zelten, Freundschaftsbänder, Brennball, Kanufahren – alles Aktivitäten und Gegenstände, bei denen die Mitspielenden melancholisch an ihre eigenen Jugendfahrten zurückdenken. Thematisch ist das alles bestens eingebunden.

Aber: Auch, wenn alle Decks andere Schwerpunkte haben, so ändern sie das grundsätzliche Spiel nicht. Vielleicht kann man das dem Spiel auch ein wenig vorwerfen, denn nach meinem Geschmack hätten die Decks noch mehr Einfluss auf das Spiel nehmen können, um es stärker zu verändern. 

Vielleicht wäre es eine größere Veränderung aber auch zu viel gewesen für ein Spiel, das gut für gemischte Gruppen, Familien oder Wenigspieler geeignet ist – hier reicht die Änderung von Nuancen vermutlich absolut aus.

Am Ende verstopft

Sein größtes Problem hat das Spiel Richtung Spielende: Es gibt keine Elemente, die uns das Deck wieder ausdünnen lassen. Es gibt lediglich Karten, die dafür sorgen, dass der Kartendurchlauf unseres Decks beschleunigt wird – sprich, dass wir Karten vermehrt ablegen und/oder vom Stapel nachziehen dürfen. So kommt es hin und wieder dazu, dass wir locker 10 oder mehr Karten pro Spielzug ausspielen dürfen, aber da ist dann viel „Schrott“ dabei.

Vor allem die Karten, die uns auf Wegen vorwärts kommen lassen, auf denen wir aber längst am Ende angekommen sind, verstopfen unser Deck. Man kann mit ihnen zwar noch weitere Karten einkaufen, mit denen wir immer noch Siegpunkte erhalten können, aber dann haben wir nur noch mehr Karten im Deck. Gerade Anfänger:innen sind dann frustriert und wissen keinen richtigen Ausweg aus dieser Misere. Das kann dann hintenraus ein wenig langatmig werden, wenn alle nur versuchen, auf dem letzten Weg noch anzukommen, aber nichts hilfreiches mehr auf die Kartenhand bekommen.

Spieler:innen mit mehr Erfahrung wissen sicherlich damit umzugehen, aber das muss. Man erst einmal lernen. Mit Wanderlust kann man das…

Forever in love?

Für alle, die Langzeitspielreiz erwarten, hat Wanderlust irgendwann nicht mehr genug zu bieten. Für Vielspieler:innen ist Wanderlust schnell zu langweilig. Hat man alle Themendecks einmal kennengelernt und die unterschiedlichen Kombinationen durchgespielt, bleibt es aber immer noch ein flottes Spiel, das man gut nach Feierabend noch ohne viel Anstrengung „runterspielen“ kann. Mehr will Wanderlust aber auch gar nicht und daher möchte ich es dem Spiel auch nicht vorwerfen.


Zusammenfassung

Wanderlust ist ein tolles Spiel für gemischte Gruppen, Familien oder Wenigspieler – es ist sehr gut ausgestattet, ansprechend gestaltet und hat ein sympathisches Thema, das Platz für liebevolle Jugenderinnerungen lässt. Außerdem ist es sehr zugänglich, flott gespielt und bietet wenig Raum fürs Grübeln.

Es ist sehr gut geeignet, den Spielmechanismus des Deckbuildings kennenzulernen oder zu vermitteln. Kombiniert mit einem Wettrennen hat es ein klar erkennbares Spielziel und damit ein geradliniges Gameplay. Das Spielmaterial mit dem variabel gestaltbaren Rennweg und den sieben enthaltenen Themenschachteln für die Kartendecks bringt zunächst viel Varianz an den Spieltisch. Rundum ein tolles Paket!

Wanderlust hat nur eines nicht: Langzeitspielreiz für Vielspieler, denn diese haben nach einigen Partien hier alles entdeckt und kommen ggf. nur noch bei der Suche nach einem flotten Feierabendspiel hierher zurück. Im Mittel daher die folgende Wertung

  • Sehr zugängliches Rennspiel mit Deckbuilding-Mechanismus zum Kennenlernen
  • Ansprechende Gestaltung und Ausstattung mit sympathischem Thema
  • Hohe Varianz durch variabel verwendbares Spielmaterial
  • Karten für das Ausdünnen des Decks fehlen
  • Themendecks ändern nur kleine Nuancen im Spiel
  • Zu wenig Langzeitspielreiz für Vielspieler

Aus meiner Spielerperspektive: Wanderlust ist ein tolles Gesamtpaket – ich mag das Spiel besonders wegen seines schnellen Ablaufs und des schönen Themas. Die Partien machen mir immer wieder Spaß.

Zum Spielende stört mich das große und aufgeblähte Deck, mit dem geübte Spieler:innen gut umgehen können und entsprechende Maßnahmen ergreifen können. Bei der Zielgruppe, die das Spiel im Visier hat, ist das aber ggf. problematisch – im schlechtesten Fall frustrierend, im besten Fall lehrreich. 

Dennoch kann ich das Spiel aufgrund seiner Zugänglichkeit für Einsteigergruppen sehr empfehlen! 

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