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REVIEW | Rezension Brettspiel Tea Garden

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Tee ist mehr als ein Getränk – er ist Symbol für Ruhe, Präzision und jahrhundertealte Handwerkskunst. Im Brettspiel Tea Garden von Tomáš Holek folgen wir dem Ruf des Kaisers und machen uns auf den Weg in die Täler des Jangtse-Flusses. Doch statt entspannter Teezeremonien erwartet uns ein strategischer Wettstreit: Wer meistert den Anbau, die Verarbeitung und den Handel mit Tee am besten? Zwischen Kartenmanagement, Ressourcenoptimierung und Bonusleisten entfaltet sich ein ruhiges, aber tiefes Eurogame. Ob das auch emotional zündet, zeigt unsere Rezension.

Christoph


Tea Garden ist ein strategisches Brettspiel das über fünf Runden gespielt wird. Im Zentrum steht ein kartenbasierter Aktionsmechanismus: Zu Beginn jeder Runde zieht jede Person vier Aktionskarten von ihrem persönlichen Deck. Diese Karten können einzeln oder in Kombination ausgespielt werden, um eine von fünf Hauptaktionen auszuführen. Die Summe der Kartenwerte bestimmt die Aktionsstärke. Die oberste ausgespielte Karte kann zudem eine Nebenaktion ermöglichen.

Die fünf Hauptaktionen sind:

  • Neue Aktionskarten kaufen: Über ein zentrales Kartenauswahlfeld können neue Karten erworben und dem eigenen Deck hinzugefügt werden. Die Auswahl hängt von der ausgespielten Aktionsstärke sowie von bestimmten Symbolen (z. B. Teekannen) ab. Jede neue Karte ist gleichzeitig eine Verbesserung des Decks und zählt am Spielende als Siegpunkt.
  • Plantagen errichten: Auf einer gemeinsamen Karte werden neue Plantagen in verschiedenen Regionen gebaut. Die Regionen unterscheiden sich durch die Qualität des produzierten Tees. Neue Plantagen müssen an bestehende angrenzen. Für jede weitere neue Plantage steigt die benötigte Aktionsstärke.
  • Handel treiben: Über Karawanen können Teeblätter gegen Boni und Siegpunkte eingetauscht werden. Für den Handel wird eine bestimmte Menge Tee bestimmter Qualität benötigt.
  • Tee fermentieren: Teeblätter können in fermentierte Teesorten (und damit sind sie haltbar) umgewandelt werden. Die Anzahl hängt von der Aktionsstärke ab.
  • Ernten außer der Reihe: Eine bestimmte Anzahl von Plantagen kann aktiviert werden, um frischen Tee zu produzieren. Die geernteten Teeblätter werden entsprechend ihrer Qualität in passende Vorräte einsortiert.

Ergänzend gibt es drei Nebenaktionen:

  • Flussfahrt: Bewegung auf einer zentralen Flussleiste, die weitere Aktionen oder Boni freischalten kann.
  • Teeschalen-Produktion: Fortschritt auf einer Produktionsleiste mit verschiedenen Belohnungen.
  • Besuch der Universität: Aufstieg auf einer Forschungsleiste mit langfristigen Vorteilen.

Nebenaktionen werden nur ausgeführt, wenn das entsprechende Symbol auf der obersten ausgespielten Karte sichtbar ist.

Am Ende jeder Runde wird automatisch geerntet: Jede Plantage liefert zwei frische Teeblätter einer qualitätsabhängigen Sorte.

Drei Hauptaktionen können ohne Einschränkung durchgeführt werden. Für das Ausführen der vierten Hauptaktion in einer Runde müssen zusätzliche Ressourcen bezahlt werden (zwei frische und ein fermentiertes Teeblatt). Karten, die nicht ausgespielt wurden, dürfen auf der Hand behalten und in der nächsten Runde eingesetzt werden.

Brettspiel Regeln

Spielregeln (ext. Link zu HUCH!)


Tea Garden entfaltet sein Spielerlebnis mit ruhiger Eleganz – aber auch mit einer deutlichen strategischen Tiefe. Der Spielverlauf beginnt oft gemächlich: Zu Beginn verfügen alle über ein identisches Kartendeck, eine einzige Plantage und nur begrenzte Optionen. Doch genau daraus entsteht der Reiz: Schon in Runde eins beginnt das Nachdenken darüber, wie man das eigene System effizienter macht.

Der Fokus liegt klar auf der Optimierung. Jeder Spielzug ist ein kleines Puzzle: Welche Karten in welcher Reihenfolge spiele ich? Welche Stärke der Aktionen will ich erzielen? Und verzichte ich auf eine Nebenaktion, um mir eine starke Hauptaktion zu sichern – oder umgekehrt? Dieses ständige Abwägen sorgt für eine hohe Konzentration am Tisch. Gleichzeitig gibt es viele Wege zum Ziel: Wer möchte, investiert in den Handel, verbessert seine Plantagen oder konzentriert sich auf die Bonusleisten.

Die Interaktion mit den Mitspielenden bleibt eher indirekt. Zwar beeinflussen sich die Spielerinnen und Spieler über die Kartenauslage oder begehrte Bonuspositionen, aber direkte Konfrontation gibt es kaum. Dadurch entsteht ein eher ruhiges Spielgefühl – das manche als meditativ, andere als solitär empfinden könnten.

Im weiteren Verlauf entsteht ein deutliches Entwicklungserlebnis. Neue Karten verstärken das eigene Deck, die Teeproduktion wächst, die Bonusleisten eröffnen neue Optionen. Die vierte Aktion in einer Runde wird zu einem taktischen Element: Kann ich mir die Extrakosten leisten – und lohnt sich das? Dieses „Wachstum im Kleinen“ führt zu einem belohnenden Gefühl, wenn die eigene Strategie zu greifen beginnt.

Allerdings kann sich das Spiel im späteren Verlauf auch verzetteln. Viele Bonusaktionen, Symbolkombinationen und Leistenfortschritte führen dazu, dass ein einzelner Zug mehrere Teilaktionen auslöst. Das kann Grübelzeit verursachen und die Hauptaktion mitunter in den Hintergrund drängen. Besonders in Vollbesetzung und vor allem auch in der letzten Runde wird das Spiel durch die verschiedenen Kettenzüge deutlich langsamer und gelegentlich unübersichtlich. Ein weiterer Kritikpunkt sehe ich in der Unübersichtlichkeit des Spielbretts und in der Kartenauslage, bei der es gerade am Anfang Ungewissheiten in der Symbolik gibt.

Das Thema – Teeanbau in der chinesischen Provinz Yunnan – ist atmosphärisch, bleibt aber auf der mechanischen Ebene eher abstrakt. Zwar passt die Optik, und die Idee der Teeproduktion inklusive Fermentation ist nachvollziehbar eingebettet, doch viele Aktionen wie „Universität“ oder „Schifffahrt“ bestehen funktional aus Fortschritt auf einer Leiste mit Symbolen – hier entsteht keine erzählerische Tiefe. Wer eine thematische Immersion sucht, findet sie eher punktuell, etwa beim Ernten oder Veredeln von Teeblättern.

Trotz dieser Einschränkungen überzeugt Tea Garden mit einem soliden Eurogame-Design, das durch das innovative Kartensystem frischen Wind bringt. Die Entscheidung, Kartenstärke und Symbolik miteinander zu verweben, sorgt für Spannung und ein dauerhaft präsentes Dilemma im Kopf. Besonders für Fans von ruhigen, planungsintensiven Spielen mit langfristiger Strategie entfaltet das Spiel ein tiefes, herausforderndes Erlebnis – mit einer klaren Tendenz zur grüblerischen Optimierung.

  • Kartensystem mit Mehrfachnutzung
  • Viele Wege zum Sieg, gute strategische Tiefe
  • Hochwertige Ausstattung, atmosphärisches Setting
  • Symbolik und Kartenkosten brauchen Eingewöhnung
  • Thema bleibt trotz schönem Design abstrakt
  • Kettenzüge mit vielen Boni können überfordern

Tea Garden ist ein modernes Eurogame, das sich ganz der strategischen Optimierung verschrieben hat – mit einem ungewöhnlichen Aktionsmechanismus, der mehr Entscheidungstiefe bringt, als man auf den ersten Blick vermuten würde. Das Spiel ist kein emotionales Erlebnis, aber ein tiefes Puzzle, das wachsam gespielt werden will und durch seine elegante Kartenmechanik glänzt.

Wer Wert auf Planung, Timing und effiziente Ressourcenverwertung legt, wird sich hier sehr wohlfühlen. Thematische Tiefe darf man nicht erwarten – wohl aber ein Eurogame, das sauber konstruiert ist, gut skaliert und auch nach mehreren Partien neue Optionen offenbart.

AUTOR: Tomáš Holek
ARTIST: Barbora Srp Žižková
VERLAG:
albi | HUCH
ERSCHEINUNGSJAHR: 2024

2-4 Spielende

12 Jahre

90-120 Min.

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