Home Jahr 2020 REVIEW | Rezension Brettspiel Tawantinsuyu

REVIEW | Rezension Brettspiel Tawantinsuyu

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Die sog. „T-Spiele“ sind berühmt für ihre nahezu unaussprechlichen Titel und ihren komplexen Anspruch. Auch Tawantinsuyu setzt diese Tradition zuverlässig fort. Doch mit ein bisschen Übung lassen sich nicht nur die Spiele beherrschen, sondern auch die Titel ohne Stolpern aussprechen!

Und mit ein bisschen Übung, Willen und Aufwand lässt sich dieses komplexe Spiel übrigens auch online spielen – man braucht nur den Willen dazu und rund sechs Stunden Zeit….

Carina Brachter


SPIELBESCHREIBUNG

Der Spielablauf dieses komplexen Expertenspiels lässt sich hier nur in Grundzügen darstellen:

Die Spieler:innen bewerben sich mit ihren Taten beim großen Sapa Inka Pachacuti. Wer es schafft, die anderen auszustechen und sich besonders ruhmreich hervorzutun, hat gute Chancen auf dessen Nachfolge. 

Tawantinsuyu wird über drei Runden gespielt, die jeweils mit einem Fest und einer Wertungsphase enden. Am Spielende folgt nach dem dritten Fest noch eine Schlusswertung. Wer dann die meisten Punkte sammeln konnte, gewinnt.

Der Spielplan zeigt in der Mitte den Coricancha-Tempel. Hier schreiten die Hohepriesterfigur der jeweiligen Spieler:innen entlang und haben diverse Aktionsmöglichkeiten. Der Priester kann Verehrungen oder Darbietungen durchführen, um auf der Tempelleiste aufzusteigen. Eroberungen und der Einsatz von Armeekarten führen zu Belohnungen und mehr Einfluss in den Regionen. Ebenso können sog. Erneuerungen durchgeführt werden, um Krieger oder erschöpfte Läden zu reaktivieren. 

Weiterhin findet man auf dem Spielplan den terrassenförmigen Hügel zu Füßen des Tempels sowie die vier Regionen, in denen man Einfluss gewinnen kann (und auf deren Namensnennung wir hier besser verzichten wollen). Hier gilt es, im Laufe des Spiels die meisten eigenen Markierungssteine optimal zu positionieren, um bei Wertungen durch Mehrheiten zu punkten.

Die Spieler:innen haben zahlreiche Möglichkeiten, Ruhm und Ehre zu mehren: Auf den Terassen des Tempels können durch den Einsatz von Arbeitern Kartoffeln und Mais angebaut werden, Götterstatuten oder Läden erbaut werden, in denen Waren produziert werden können. Hier können auch die berühmten Teppiche gewoben werden, von denen die Spieler:innen möglichst viele unterschiedliche Muster sammeln wollen, um am Spielende möglichst viele Punkte zu erhalten.

Zwischen den einzelnen Terrassen des Hügels können die Spieler:innen zudem Treppen bauen, die es günstiger machen, den Hügel herabzusteigen und ebenfalls Ruhm einbringen.

Im Dorf oder bei den Nomaden können schließlich weitere Arbeiter für die nächste Runde rekrutiert werden. Ist das Dorf leer, wird eines der drei Feste ausgelöst. 

Die Arbeiter verfügen zudem je nach Farbe über unterschiedliche Fähigkeiten. Per se ermöglicht das Positionieren gleichfarbiger Arbeiter nebeneinander, dass man mehr Aktionen nutzen kann. Die fünf Farben der Arbeiter stehen zudem noch für Sonderfähigkeiten, die Zusatzaktionen oder andere Vorteile triggern.

Das Spiel verfügt auch über eine Solovariante, die ich aber nicht getestet habe.



AUTOR: Dávid Turczi ■ GRAFIKER: Jakub Skop, Michael Dlugaj, Alexander Zawanda, Zbigniew Umgelter
VERLAG: Board&Dice|Giant Roc ■ ERSCHEINUNGSJAHR: 2020

1-4 Spieler

ab 12 Jahren

ca. 60-120 Minuten

Spielregeln (ext. Link zu )


SPIELGEFÜHL

Tawantinsuyu ist keine leichte Kost, so viel sollte klar sein. Mit einem BGG-Weight von knapp über 4 befindet es sich klar im Expertenbereich. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrags rangiert es gleichauf mit Tekhenu, allerdings finde ich es vom Spielablauf durchaus eingängiger und weniger fehleranfällig. Bei Tekhenu haben wir immer wieder eine Phase vergessen und sind mit der Alterung der Würfel durcheinander geraten. Das lähmte bisweilen ein wenig den Spielfluss. 

Tawantinsuyu punktet hier durch Geradlinigkeit und durch die umfangreiche Spielerhilfe (DIN A4!), die Gold wert ist und im Spielablauf für „normale“ Fragestellungen immer weiterhelfen kann. Aber zugegebenermaßen muss man auch nach einigen Partien hier immer nochmal einen Blick riskieren. Das empfand ich allerdings nie als hinderlich. 

Vom Spielablauf her ist klar geregelt: Entweder setze ich einen Arbeiter ein und führe die Aktionen aus, die ich damit auslöse, oder ich entscheide mich für zwei Inkaaktionen. Soweit, so klar.

Wichtig ist, erst einmal zu verstehen, wie man die Kosten berechnet, um die Arbeiter auf den unterschiedlichen Ebenen einzusetzen. Diese Grundregel muss zunächst verinnerlicht werden. Das ist aber auf der Spielerhilfe visuell gut erklärt und kann immer wieder kurz nachgeschaut werden, bis die Regel sitzt.

Beim Einsetzen der Arbeiter auf dem Hügel sind zahlreiche Optionen abzuwägen, die es in sich haben. Welche Farbe haben die mir zur Verfügung stehenden Arbeiter, welchen davon setze ich wo ein, welche Aktionsfelder kann ich mit meinen Darbietungskarten besetzen und mit meinem Vorrat an Kartoffeln überhaupt bezahlen/erreichen, triggere ich Zusatzaktionen und wenn ja, was bringen sie mir ein?

„Da raucht der Kopf“

Da raucht der Kopf und führt anfänglich gerne schon mal zu Analysis Paralysis, da man meist zahlreiche Optionen durchspielen muss, um die optimale Lösung zu finden. Und da sich der Spielplan nach und nach mit Arbeitern füllt, trägt das nicht zwingend zur Übersichtlichkeit bei. Hier sollte man einen klaren Kopf behalten. Mit etwas Übung wird die Orientierung deutlich besser.

Nach einigen Partien ergeben sich dann Strategien, die es einfacher machen, bestimmte Ziele zu verfolgen und Entscheidungen zu treffen. 

Drei Strategien haben sich bisher als lukrativ erwiesen: Fokussierung auf einen schnellen Aufstieg auf der Tempelleiste, Eroberung und Mehrheiten in den Regionen oder die sog. Teppichstrategie, die drauf ausgelegt ist, möglichst viele unterschiedliche Muster bei Spielende aufweisen zu können. 

Je nach Spielverlauf kann diese spielentscheidend sein. Da die Teppichmuster in unterschiedlicher Menge vorkommen, ist hier natürlich auch ein Quäntchen Glück notwendig, dass man zur richtigen Zeit das wichtige, noch benötigte Muster aufdeckt. 

Die Feste und damit die Zwischenwertungen werden ausgelöst, wenn im Dorf kein Arbeiter mehr vorhanden ist. Dies ist ein schöner Kniff, der die Spiellänge beeinflusst. Man kann bewusst Beschleunigungen herbeiführen, wenn es für einen günstig erscheint oder durch den Verzicht auf das Nachziehen der Arbeiter die Spielzeit auch deutlich ausdehnen. Sind alle Spieler:innen bereit, auf „langes Spiel“ zu spielen, kann es dauern. In unseren Testspielen haben wir die minimale Spielzeit von 60 Minuten noch nie erreicht und lagen immer deutlich darüber. Beeindruckend fand ich, dass man das Spiel auch online mit Mitspieler:innen spielen kann, die das Spiel auch vorliegen haben. Dies hat uns aber auch, inklusive Erklärzeit, eine epische Spielzeit von sechs Stunden beschert. Es ist aber durch die nummerierten Karten durchaus machbar und macht es auch in Corona-Zeiten möglich, das Spiel so einmal zu viert zu spielen.

Dem Spiel sollte man auch zu Gute halten, dass Rückstände gut aufgeholt werden können. Rund 40 Punkte sind durch verschiedene Kniffe gut und gerne wieder aufholbar. Wichtig ist es auch, am Ende des Spiels nochmal die letzten Schritte im Tempel zu machen, da diese oft ausschlaggebend für den Sieg sind.

Dem, der sich in das Spiel einarbeiten möchte, sei an dieser Stelle sehr das Erklärvideo von „Unter Meepeln“ empfohlen. 


Zusammenfassung

Tawantinsuyu ist genau das richtige für Spieler, die nicht vor Eurogames auf Expert:innenniveau zurückschrecken. Wer das mag, wird Tawantinsuyu lieben. 

Das Spiel bietet viele taktische Möglichkeiten und hohen Wiederspielreiz, da jede Partie anders verläuft und man unterschiedliche Strategien ausprobieren kann. Sicherlich verlangt das ein wenig Übung, aber das Spiel ist ja kein Snack, sondern ordentlich Ballaststoff fürs Gehirn. 

…sofern man die Zeit und einen freien Kopf dafür hat.

  • Anspruchsvolles Eurogame mit zahlreichen taktischen Möglichkeiten und hohem Wiederspielreiz 
  • Übersichtliche und gute Spielhilfe
  • Tawantinsuyu erfordert zum Start eine intensive Einarbeitung und ein wenig Übung
  • Der Spielplan kann schnell unübersichtlich werden 
  • Mehr Beispiele hätten der Regel gutgetan

Aus meiner Spielerperspektive: Tawantinsuyu gefällt mir wirklich gut. Besonders die vielen unterschiedlichen taktischen Möglichkeiten machen jede neue Partie wieder interessant. Klar ist es kein Absacker und kommt daher allein aus zeitlichen Gründen nicht so oft auf den Tisch. Es hat aber bereits jetzt einen festen Platz in der Sammlung, obwohl es nicht mit sich drehenden Zahnrädern oder Sonnenobelisken daherkommt.

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