Lasst euch mal mit mir auf diese Stimmung ein:
Der Duft nach frisch gebackenem Brot entsteigt dem heimeligen Herd, während vor der Höhle der Wind pfeift und sich der kleine Waschbär seine warmen Socken überstreift. Zusammen mit der bunten Kuscheldecke und einem neuen Buch aus dem gut bestückten Bücherregal lässt sich das unangenehme Wetter vor der Haustüre schnell vergessen. Während der Schaukelstuhl leise knarrt, nascht der kleine Waschbär ein Stück vom Apfelkuchen, den er aus der gut gefüllten Speisekammer stibitzt hat. Soooo lässt es sich doch aushalten! Davon träumt doch jeder kleine Waschbär und auch alle anderen Tiere vom Ahorntal!
Doch: Es ist bislang nur ein Traum! Noch ist Frühling und wir sollten bereits heute mit den Vorbereitungen für den nächsten Winter beginnen, damit es auch so gemütlich werden kann, wie wir es uns erträumen…
Carina Brachter
SPIELBESCHREIBUNG
Die Tiere vom Ahorntal wird über acht Runden gespielt.
Zu Beginn wählen wir, ob wir die Hasen, die Stachelschweine, die Waschbären, die Füchse oder die Eichhörnchen spielen wollen, nehmen uns die vier Spielfiguren, unser Tableau mit unserem Unterschlupf, unsere Häuser sowie unsere farbigen Familienwürfel.
Auf dem Spielplan finden sich unterschiedliche Orte, auf denen wir in den Runden unsere Spielfiguren einsetzen dürfen. Hier kann man Waren bekommen, tauschen, Ideenkarten erhalten oder in der Werkstatt Verbesserungen herstellen. Ob wir die jeweilige Aktion dort aber auch ausführen dürfen, entscheiden Würfel, die wir dort platzieren müssen.
Bevor wir unsere Figuren einsetzen, würfeln wir lediglich unsere zwei individuellen Familienwürfel, setzen dann unsere Figuren ein und erst danach werden die vier Dorfwürfel gewürfelt, die wir alle verwenden dürfen.
Nacheinander sind dann alle Spieler:innen an der Reihe und setzen ihre individuellen und die Dorfwürfel ein, um mit ihnen die Aktion auf den Feldern mit den eingesetzten Spielfiguren auszulösen. Können wir die Bedingung für ein Feld, auf der unsere Spielfigur steht, mit dem Würfelergebnis nicht erreichen, bekommen wir einen Trostpflaster-Chip, mit dem wir in folgenden Runden die Würfelergebnisse manipulieren dürfen.
Können wir Würfel passend zur Bedingung einsetzen, erhalten wir den gewünschten Effekt. Meist sind dies Waren – Holz, Stein, Obst, Pilze, Wolle und Getreide – aber es können auch Münzen oder Geschichten sein.
Mit diesen Waren wiederum können wir die Ideen, die wir als Karten auf der Hand halten, zum Leben erwecken. Wir geben die Waren ab und spielen die Karten in unsere Auslage. Auch Verbesserungen, die wir in der Werkstatt herstellen können, zahlen wir mit Waren. Diese Karten werden ebenfalls ausgelegt, können aber teilweise auch von anderen Spielern mitbenutzt werden. Hier platzieren wir dann eines unserer Häuser.
Spielen wir Häuser frei, erhalten wir dafür bei Spielende Punkte, ebenso für realisierte Ideen und Verbesserungskarten. Ggf. ergeben die Kombinationen von Ideenkarten weitere Punkte, ebenso darauf gelagerte Warenmarker. Durch die Verbesserungen können wir schließlich sogar Punkte für die bei den Mitspielenden ausliegenden Ideenkarten erhalten.
Die Punkte tragen wir bei Spielende auf unserer individuellen Siegpunktleiste ab, die sich auf der Rückseite unserer Unterschlupfkarte befindet. Wer die meisten Punkte erzielen konnte, gewinnt Die Tiere vom Ahorntal.
Das Spiel kann auch in einer verkürzten Variante über sechs Runden oder als Solospiel gespielt werden.
AUTOR: Roberta Taylor ■ ILLUSTRATION/GRAFIK: Shawna J.C. Tenney, Joshua Cappel
VERLAG: Board Game Circus ■ ERSCHEINUNGSJAHR: 2022
1-5 Spieler
ab 8 Jahren
ca. 45 Minuten
Spielregeln (ext. Link zu )
SPIELGEFÜHL
Hygge, das Brettspiel
Die Tiere von Ahorntal wirkt wie ein warmer Mantel Gemütlichkeit, in den wir beim Spielen eingehüllt werden. Hier tut einem niemand etwas zu leide, man ist nur von hübschen Dingen umgeben und in die Quere kommen kann einem nur die eigene fehlerhafte Planung.
Das Spiel ist die Umsetzung dessen, was die Skandinavier als Hygge bezeichnen. „Im Wesentlichen bedeutet [Hygge] eine gemütliche, herzliche Atmosphäre, in der man das Gute des Lebens zusammen mit lieben Leuten genießt.“ Genau das macht Die Tiere vom Ahorntal: Es schafft eine sehr angenehme Komfortzone, in die wir uns für die Zeit des Spieles flüchten können. Wer Spiele mit viel Interaktion und Auseinandersetzung sucht, ist hier gänzlich falsch. Im Ahorntal bewerfen wir uns höchstens gegenseitig mal mit Wattebällchen – mit sehr leichten, weichen und leicht angewärmten Wattebällchen!
WUN-DER-HÜBSCH!
Herausragend ist bei Die Tiere vom Ahorntal die durch und durch wunderbare Gestaltung. Die Ideenkarten sind schon mit den „normalen“ Gegenständen entzückend (diese Stricksocken!), aber die enthaltenen Karten mit diversen Brettspielen sind für uns Brettspiel-Nerds natürlich ein besonderes Highlight. Die bedruckten Holzfiguren sind – bis auf die Ohren der Eichhörnchen – super und auch die Unterschlupfkarten verströmen ein heimeliges Flair. Die Warenmarker in Pappqualität sind absolut ausreichend, aber wer eine Ausgabe mit Deluxe-Komponenten sein eigen nennen kann, wird hier seine helle Freude haben. Bei der Liebe zum Detail wurde aber auch praktisch gedacht – die individuelle Punkteleiste auf der Rückseite des Unterschlupfs für die Abrechnung bei Spielende oder der Startspielermarker „Wurm“ für den Frühen Vogel sind Beispiele dafür.
Nun aber genug geschwärmt! Was kann das Spiel?
Spielerisch hat Die Tiere vom Ahorntal auch einiges zu bieten: Der Kniff, dass man nur ein Drittel des Würfelergebnisses kennt, bevor man seine Figuren auf dem Spielfeld einsetzt, ist das Härteste am ganzen Spiel. Und sehr reizvoll.
Da heißt es grübeln und planen und überlegen: Wo setze ich meine Figuren ein? Welche Ideen möchte ich als erstes realisieren? Wo kann ich am ehesten die benötigten Waren erhalten? Soll ich mich sicherheitshalber auf ein Feld setzen, wo ich tauschen kann? Muss ich versuchen, eine Ware zu erhalten, die in der folgenden Jahreszeit nicht zur Verfügung steht? Welche Ideenkarte könnte ich mir aus der offenen Auslage schnappen? Gibt es eine spannende Verbesserungskarte, die mir weiterhelfen kann?
Uff!! Die Planungsphase des Einsetzens der Spielfiguren verläuft wohlweislich gleichzeitig, denn sie kann bisweilen etwas dauern und ist sehr solistisch. Da die Felder allen zur Verfügung stehen, nehmen wir uns hier aber nichts weg.
Danach wird gewürfelt und alle starren gespannt auf das Würfelergebnis der gemeinsamen Dorfwürfel: Sind die Werte dabei, die ich so dringend benötige oder zumindest durch den Einsatz meiner Trostpflaster-Chips auf den richtigen Wert manipulieren kann? Wenn nein: Autsch. Frustrierende Runden können auch mal vorkommen…
Schaffe, schaffe, Ideen baue!
Die nun folgende Phase spielen alle nacheinander. Wir setzen die Würfel ein, manipulieren mit den Trostpflastern, fahren Erträge ein, realisieren Ideen oder bauen Verbesserungen, um unserem Traum von komfortablen Winter näher zu kommen. In den ersten ein, zwei Runden geht das nur recht schleppend, aber mit mehr und mehr Trostpflastern liegen schnell zahlreiche Warenchips vor uns, mit denen wir Handlungsspielraum erhalten. Es ist dann schön zu sehen, womit wir unseren Unterschlupf ausbauen und schöner machen können. Sobald wir uns Kerzen und warme Socken leisen können, wir es doch gleich viel gemütlicher!
In kleiner Spielerrunde ist das alles wunderbar und kommt auch von der angegebenen Zeit von 40 bis 45 Minuten ganz gut hin. In einer Acht-Runden-Partie zu fünft kann die Downtime in dieser Phase aber mörderisch lang werden. Und die Spielzeit auf über zwei Stunden anwachsen. Das würde ich ganz klar auch nie wieder machen.
Grenzgänger
Die Altersangabe „ab 8“ halte ich für „sportlich“ gewählt. Sicherlich begeistert Kinder das Aussehen des Spiels und die Komponenten haben einen hohen Aufforderungscharakter. Das Spiel ist grundsätzlich auch nicht schwer! Allerdings erfordert es im Kern ein hohes Maß an Planung und Vorausdenken, um erfolgreich zu sein. Es ist daher nicht so einfach zu meistern wie es vom Äußeren her den Anschein hat.
Das Einsetzen der Figuren fordert von uns, dass wir unseren gesamten folgenden Spielzug vorausdenken und effizient planen, Eventualitäten einkalkulieren und die Folgen bestimmter Ereignisse vorausahnen sollten. Daher handelt es sich hier m.E. nicht um ein lupenreines Familienspiel. Mit ein bisschen Übung und Erfahrungswerten wächst man sicher in das Spiel hinein. Leichtes Kennerniveau setze ich für Die Tiere im Ahorntal eher voraus.
Wer kommt heute zu Besuch?
Das Spiel bringt durch die immer unterschiedlichen Kartenauslagen eine hohe Varianz mit. Dies betrifft nicht nur die Ideen und Verbesserungskarten. Auch die Rundenkarten, die die Jahreszeiten symbolisieren, bringen immer wieder andere Kombinationen an Waren oder Möglichkeiten, aber auch Erfordernissen für die Würfelbedingungen mit sich. Zudem gibt es noch die Besucherkarten, von denen ich bisher nicht gesprochen habe, um es einfach zu halten. In jeder Runde kommt in Form einer ausliegenden Karte ein Besucher ins Tal, der an einem Einsetzfeld neue Möglichkeiten bringt oder zusätzliche Boni oder Ereignisse triggert. Auch dies fördert die Varianz des Spiels, welches somit immer ein wenig anders verläuft. Wiederspielreiz ist somit auf jeden Fall gegeben.
Schade ist, dass die Besucherkarten nicht nochmal gesondert in der Regel erläutert werden. In einigen wenigen Fällen bleiben hier Unklarheiten, die einer genaueren Erläuterung bedurft hätten.
Am Ende noch einige Anmerkungen in Stichworten:
- Ein wenig unglücklich ist es, dass die Karten für die Verbesserungen an einer Längsseite des Spielplans ausgelegt werden. Durch den enthaltenen Text sind sie für Spieler auf der anderen Tischseite oft schwer zu erkennen. Eine bessere Idee hätte ich aber auch nicht…
- Ich würde allen Spieler:innen zu Beginn ein Trostpflaster mit auf den Weg geben. Gerade die erste Runde kann sonst recht frustrierend verlaufen, wenn die Würfelergebnisse so gar nicht passen wollen…
- Sehr gut ist es, dass man zwischen einem langen und einem kurzen Spiel wählen kann.
- Die Features Schubkarre und Almanach, die man sich über die Verbesserungen holen kann, sind supernützlich! Wer hier früh im Spiel zuschlagen kann, sollte das tun!
- Wofür ist eigentlich die Burgscheibe gedacht? Hier sollen die Dorfwürfel abgelegt werden – sollen sie darauf herumgereicht werden? Das hat sich mir nicht erschlossen…
Aber denkt immer daran: Füllt rechtzeitig Eure Speisekammer, legt Brettspiele bereit und richtet alles behaglich her – denn „winter is coming“!
Zusammenfassung
Die Tiere von Ahorntal ist ein herausragend schön gestaltetes Spiel in absoluter Wohlfühlatmosphäre. Diese ergibt sich nicht nur durch die liebevolle Gestaltung und die schönen Details, sondern auch durch belohnende Spielzüge und kaum spürbare Interaktion. Die meisten Spielelemente sind dabei kartengesteuert, so dass jede Partie Varianz mit sich bringt.
Auch wenn Die Tiere vom Ahorntal kindgerecht gestaltet ist, empfinde ich es nicht als klassisches Familienspiel, da eine Menge Planungsaufwand erforderlich ist, um hier erfolgreich zu sein. Spielzüge müssen gut durchdacht und vorausgeplant werden, zumal das Würfelglück auch eine große Rolle spielt und unsere Planung ganz schön durcheinanderwirbeln kann.
- Herausragende Gestaltung und Material
- Erzeugt ein angenehmes Spielgefühl durch belohnende Mechanismen und Aufbaucharakter
- Interessanter Kniff beim Einsetzen unserer Worker und Würfel
- Hohe Variabilität durch kartengesteuertes Spielmaterial
- Hohe Downtime in großer Runde
- Glückselemente können frustrieren
- Kinder sollten in den ersten Partien begleitet und beraten werden
Aus meiner Spielerperspektive: Mir gefällt Die Tiere vom Ahorntal richtig gut – der neue Kniff des Einsetzens der Spielfiguren und Würfel gefällt mir gut, ebenso die planerischen Komponenten. Über den Look und die Gestaltung des Spiels brauchen wir wirklich nicht reden – die haben mich vom Fleck weg überzeugt.
Häufig wurde ich mit der Frage konfrontiert, wie ich es in Abgrenzung zu Everdell sehe und ich muss sagen: Die Tiere vom Ahorntal gefällt mir besser! Dies liegt im Wesentlichen daran, dass hier Äußeres und Inneres besser harmonieren und ich mit allen Spielern gemeinsam das Spiel beenden kann. Aber das ist nunmal Geschmacksache…
Zweite Meinung Christoph
Die Tiere vom Ahorntal macht eine Menge richtig. Tolles Material, eine schöne Spielidee und mir hat auch die Kombi aus Würfeln und Aktionsumsetzung sehr gut gefallen.
Dennoch hatte das Spiel an der ein oder anderen Stelle seine Längen und es ist in einer Partie sogar vorgekommen, dass es zu wenig Interaktion gab, da die Spieler sich für unterschiedliches Vorgehen entschieden haben. Das war zu zweit der Fall. Das Spiel macht aus meiner Sicht zu dritt und vier mehr Spaß (auch wenn es bei Grüblern zu einer höheren Downtime führen kann).
Ich würde das Spiel eher als gehobenes Familien- oder unteres Kennerspiel sehen. Mit Kindern ab 8 Jahren macht es aus meiner Sicht nicht soviel Sinn, würde das Einstiegsalter höher einsetzen.