Brettspiele, die in zwei Schwierigkeitsstufen daherkommen, finde ich sehr charmant.
Sie bieten meist eine leichtere Einsteigerversion zum Kennenlernen oder für das Abholen von neuen Mitspielenden und eine schwierigere Version, die man mit einem gewissen Kenntnisstand spielen und sich somit neuen Herausforderungen stellen kann. Das dient per se dem längeren Spielreiz und macht die Produktion und den Erwerb von Erweiterungen überflüssig.
Dies gelingt auch Botanicus sehr gut – der diesjährigen Neuerscheinung von Hans im Glück. Was Euch das Spiel in den beiden Versionen zu bieten hat, lest Ihr im Folgenden.
Carina
Botanicus kann in zwei Varianten gespielt werden – in der Basis- und der Expertenvariante. Hier wird zunächst die Basisvariante in ihren Grundzügen beschrieben:
In Botanicus stehen uns 17 Spielzüge zur Verfügung, um auf unserem persönlichen Tableau Pflanzen anzubauen und mit ihnen die Wünsche unserer Besucherinnen und Besucher im botanischen Garten bestmöglich zu erfüllen.
Unser persönliches Gartentableau zeigt Reihen und Spalten, zwischen denen unser Gärtner unterwegs ist, um zu pflanzen oder zu wässern. Er erreicht dabei immer nur die direkt umliegenden Felder, so dass wir ggf. vor unserem Spielzug entscheiden müssen, mit dem Gärtner weiterzulaufen.
Zu Beginn unseres Spielzuges wählen wir mit unserem Aktionsmarker in Spielreihenfolge eine Aktion in der nächsten Aktionsspalte und führen die Aktion dann aus. Durch die Wahl des Aktionsfeldes bestimmt sich die Zugreihenfolge der nächsten Spielrunde.
Bei der Auswahl der Aktionen können wir häufig Aktionen wählen, mit denen wir auf Leisten voranschreiten:
- Dies ist zum einen eine Geldleiste, die uns im Wesentlichen Geld einbringt, welches wir zum Bewegen unseres Gärtners benötigen sowie um Aktionen bezahlen zu können, die von anderen bereits besetzt wurden.
- Auf der Schubkarrenleiste erhalten wir im Wesentlichen die Möglichkeit, unsere Pflanzen zu wässern und damit auf die nächste Stufe wachsen zu lassen.
- Auf der Schaufelleiste erhalten wir Pflanzenmarker in den unterschiedlichen Ausbaustufen, die wir in unserem Garten anbauen können.
- Es stehen zudem weitere Aktionen zur Verfügung wie Gärtner kostenfrei bewegen, Aktionskarten ziehen oder die Tieraktion, mit der man eines seiner fünf Tiere erhalten und dafür Siegpunkte bekommen kann.
Auch für das Erreichen der Leistenenden erhält man Siegpunkte und beginnt dann anschließend die Reise auf den Leisten wieder von vorne.
Die Pflanzen, die wir erhalten, können wir anbauen und wachsen lassen. Insgesamt gibt es dabei vier Ausbaustufen. Die Pflanzen sollen die Wünsche der Besuchenden erfüllen, die in Form von Aufgaben den Reihen in unserem Garten zugeordnet sind. Erfüllen wir diese Aufgaben, erhalten wir dafür Punkte und können pro Reihe jeweils noch ein weiteres Aufgabenplättchen ins Spiel bringen.
Am Ende des Spiels erhalten wir dann noch Punkte für fertiggestellte Spalten in unserem Garten. Die Spalten zählen dann entsprechend der höchstentwickelten und damit wertvollsten Pflanzen die auf dem Tableau aufgedruckte Punktzahl. Wer die meisten Punkte erzielen konnte, gewinnt Botanicus.
In der Expertenvariante spielen wir auf der anderen Seite des Spielplans sowie auf asymmetrischen Tableaus – hier sind alle Gärten unterschiedlich gestaltet. Die Tiere werden dabei auch auf gekennzeichnete Felder gelegt und müssen erst weggespielt werden, bevor wir dort Pflanzen anbauen können. Die Tiere können dann unterschiedliche Boni einbringen.
Außerdem kann hier ab der zweiten Spielhälfte noch ein zweiter Gärtner ins Spiel gebracht werden, um den verwinkelten Garten besser zu bewirtschaften. Durch das Erfüllen von Spielendekarten, die zu Beginn des Spiels ausgewählt werden können, lassen sich bei der Wertung ebenfalls noch Punkte erzielen.
Brettspiel Regeln
Spielregeln (ext. Link zu Hans im Glück)
Botanicus ist eines dieser Spiele, das wenig neu macht, mich und viele meiner Mitspielenden erstaunlicherweise aber dennoch überzeugt – nicht nur, weil es mich mal wieder mit einem Naturthema catcht. Mit der Basisversion ist es ein sehr zugängliches, flott gespieltes Spiel auf nicht zu leichtem Familienniveau und in der sog. „Expertenversion“ ist Botanicus ein schönes, Kennerspiel, das im Entscheidungsfindungsprozess manchmal ganz schön knackig sein kann.
Klar und linear
Botanicus zu erlernen und zu spielen, fällt dabei eigentlich leicht. Zum einen sind die Regeln gut verständlich (auf kleine Ausnahmen komme ich später zu sprechen), zum anderen ist das Spielmaterial redaktionell gut bearbeitet und daher so gestaltet, dass man sehr gut durch das Spiel geleitet wird. Hinzu kommt, dass der Spielablauf sowieso sehr linear abläuft. Die Aktionsspalten gliedern das Spiel klar in die einzelnen Runden und alle Optionen liegen offen vor den Spielenden aus. Die nächsten Spielzüge zu planen, gelingt so grundsätzlich recht leicht… Aber Planung ist das eine, die Wünsche der Mitspielende das andere.
Was mach ich nur?
Der Aktionsauswahlmechanismus in Botanicus hat es in sich: Grundsätzlich habe ich alle Möglichkeiten, auch die, die bereits jemand anders gewählt hat. Ich muss nur über genügend Barschaft verfügen – dann kann ich mir auch besetzte Optionen erkaufen.
Geld ist daher ein wichtiger Knackpunkt und damit ist die Geldleiste, die neben der Schubkarren- und Schaufelleiste grundsätzlich die eher unattraktivere ist, doch wieder gar nicht so eine schlechte Alternative. Die Schwerpunkte der drei Leisten sind gut gewählt. Pflanzen, Gießen und immer genug Münzen in der Tasche, um uns Freiräume zu erkaufen – das ist hier unser Fokus. Je weiter ich voranschreite, desto wertiger werden meine Belohnungen, mit der Erfahrung als Gärtner, werden meine Ergebnisse besser. „Grüner Daumen in progress“ sozusagen.
Wettlauf zum Punktechip
Aber nicht nur die Aktionen, die wir durch das Wandern auf den jeweiligen Leisten erreichen können, sind interessant. Durch das schnelle Durchschreiten der Leisten lassen sich auch noch kleine Wettrennen auf der Jagd nach Siegpunkten gestalten. Wer früh am Ende der Leisten ankommt, kann wertvolle Punktechips abgreifen, die einen ordentlichen Schub auf der Siegpunktleiste ausmachen können.
Um den Fokus aber nicht nur auf dem Leistenschubsen zu haben, wurde es im Spiel so gelöst, dass wir nur in jeder zweiten Runde dort eine Aktion bewusst ausgewählt werden kann. In jeder zweiten Runde steht uns eine Aktionskombination zur Verfügung, die immer ein wenig anders gestaltet ist – je nach Aufbau des Spielmaterials. Ein Pluspunkt für die Variabilität.
Fröhliches Gärtnern
Neben den gerade beschriebenen wesentlichen Spielelementen auf dem Hauptspielplan verfügen wir alle noch über unser eigenes Spieltableau, auf dem wir nach persönlichem Gusto schalten und walten können. Natürlich können wir hier nach eigenem Geschmack Pflanzen anbauen, aber der zählt hier nicht wirklich. Die Wünsche unserer Besucherinnen und Besucher sind das, worauf es ankommt und was Punkte bringt.
Anfangs sind die Gäste noch nicht so anspruchsvoll, doch wenn wir durch Erfüllung der einfachen Aufträge erstmal gezeigt haben, über welche gärtnerischen Talente wir verfügen, steigen die Ansprüche und die Folgeaufträge werden immer knackiger. Dass wir diese extravaganten Ansprüche nicht alle erfüllen können, liegt auf der Hand. Da gilt es genau zu schauen, wo man durch Gießen und Anbau noch großes Erreichen kann und wo man bis Spielende eigentlich gar keine Chance mehr hat und auch gar nicht mehr erst investieren sollte.
Erst säen, dann gießen!
Botanicus erfordert eine ganze Menge Planungsaufwand: Erstmal muss ich meinen Gärtner in eine gute Ausgangsposition bringen, damit sein Aktionsradius der richtige für meine angepeilte Aktion ist. Also mit dem Gärtner gehen, dann ggf. eine Karte ausspielen, die hoffentlich an genau dieser Stelle im Ablauf meines Zuges den richtigen Effekt bringt – z.B. zusätzliches gießen, bevor hier eine Pflanze steht, bringt mir schließlich nichts. Dann die Planung, an welchem Besucherwunsch ich arbeiten möchte: Welche Aktion bringt mich bei meinen Aufgaben weiter? Oder stehe ich auf einer Leiste vielleicht gerade günstig, um auf einem anderen Weg gerade schnell und ohne großen Aufwand Siegpunkte mitzunehmen – vielleicht durch eine Tieraktion oder das Erreichen des Leistenendes? Und bei all dem: Habe ich ggf. auch genügend Geld, um eine Aktion wiederholen zu können, die einer der vor mir Spielenden bereits besetzt hat? Puh! Eine ganz Menge zu beachten.
Eine Frage des Standpunkts
Meist wird auch vergessen, dass der Gärtner vor der eigentlichen Aktion bewegt werden muss. Mit neuen Mitspielenden wird man daher häufig Sätze wie diesen hören: „…und dann lege ich die beiden gelben Töpfe hierhin. Oh nein! Ich wollte doch vorher mit meinem Gärtner noch hierhin gehen! Darf ich das noch?“ Natürlich darfst Du das noch… Da sollte man bei neuen Mitspielenden unbedingt ein Nachsehen haben.
Ebenso sollten man bei der Spielerklärung auch ein Wort darüber verlieren, wie wichtig und punkteträchtig es sein kann, die Spalten bis zum Spielende zu füllen.
Was für fortgeschrittene Aufträge man im Spiel bekommt und wie das dann mit den kleinen Aufträgen zusammenpasst, ist ein wenig Glückssache, aber man darf ja schließlich selber entscheiden, wo man sie hinlegt. Bei neuen Mitspielenden ist Hilfestellung bei der Reihenzuordnung erforderlich, damit alle gleichen Voraussetzungen haben. Tipps, dass man aufeinander aufbauende Aufgaben für die Reihen wählt und keinen Vierer-Auftrag in eine Reihe legt, die nur drei Töpfen Platz bietet, sind da schonmal notwendig.
Darfs ein bisschen mehr Anspruch sein?
Es ist ratsam, zunächst mit der Basisvariante das Spiel kennenzulernen und später, wenn einen hier nicht mehr viel fordert, die „Expertenvariante“ zu spielen, die die obenstehend geschilderten Entscheidungen nochmal auf ein neues Level hebt.
Die asymmetrischen Gärten haben es teilweise in sich. Hier die Reihenaufgaben zu erledigen oder die Spalten zu füllen, ist anspruchsvoll. Wie praktisch, dass hier zur Hälfte des Spiels ein zweiter Gärtner ins Spiel kommt. Dieser erhöht unsere Reichweite auf den teilweise ordentlich verzweigten Wegen, die zu beschreiten zudem ganz schön teuer werden kann.
Auch die Tiere haben hier eine neue Bedeutung: Brachten sie uns in der Basisvariante durch ihr reines Auftauchen Punkte, blockieren sie hier zunächst Bauplätze für unsere Pflanzen und erschweren somit das Erfüllen von Aufgaben oder das Füllen von Spalten. Spielt man sie frei, können sie schöne Boni einbringen. Doch man weiß gar nicht so recht, welches Tier man als erstes freispielen soll. Sollen es die Zusatzpunkte beim Erfüllen der Aufträge sein oder doch lieber die zusätzliche, lukrative Spielendekarte, die uns die Schildkröte einbringt?
Erstaunlich, dass die wenigen Änderungen durch die Expertenvariante dazu führen, dass man seine Schwerpunkte in einer Partie ganz anders legt. Die einzelnen Gärten erfordern unterschiedliche Herangehensweisen und das gestaltet die Partien wirklich nochmal anders.
Der unsichtbare Dritte
Das Spiel zu zweit gestaltet sich gerade bei der Aktionsauswahl nochmal anders als das Spiel zu dritt oder viert. Im Spiel zu zweit spielt eine dritte Aktionsfigur mit, die immer von demjenigen eingesetzt wird, der die nächste Runde beginnen darf.
Das ist taktisch wertvoll, denn mit meiner eigenen Aktion, die ich wähle, folge ich meinen eigenen Wünschen und kann dann noch mit der neutralen Spielfigur etwas anstellen, mit dem ich meinem Mitspielenden Knüppel zwischen die Beine werden kann. Anders als im Spiel zu dritt oder viert, wo die meisten doch eher schauen, was sie selbst voranbringt.
Das Spiel mit der neutralen Spielfigur stört aber auch den Spielablauf und den Denkprozess in meinem eigenen Spielzug sehr. Ich plane gerade meinen Spielzug, gehe mit meinem Gärtner, möchte dann meine Aktion ausführen und alles schön in einem Schwung durchführen: Da kommt dann immer das Setzen des neutralen Markers dazwischen. Das reißt mich aus meinen Gedanken, zwingt mich dazu, auf das gegnerische Tableau zu schauen, einzuschätzen, was ich denn da am besten blockieren sollte, setze den Stein und muss mich dann wieder in meine Pläne eindenken. Diese gedankliche Stolperfalle ist ein wenig misslich und hätte ggf. anders gelöst werden können.
Den Sweet Spot in der Spielerzahl sehe ich daher zu dritt – zu viert ist wiederum eine ganze Menge los bei der Aktionsauswahl. Hier muss man häufiger tief in die Tasche greifen, um noch eine passende Aktion abzubekommen. Das Geld bekommt daher meiner Erfahrung nach mehr Bedeutung, je mehr mitspielen.
Abschließend noch ein paar weitere Punkte:
- Die Spielendekarten der Expertenversion sind in der Spielregel nicht alle erklärt, was schade ist.
- Misslich ist es in den Regeln, dass davon die Rede ist, dass eine Pflanze nicht wieder entfernt werden darf. Das darf sie ja sehr wohl, wenn man sie durch eine höherstufige Pflanze ersetzt, und es hat uns in der Erstpartie doch sehr verwirrt.
- Sowohl bei den Garten- als auch bei den Spielende-Karten gibt es „bessere“ und „schlechtere“. Da spielt das Glück ein wenig mit.
- Illustration und grafische Gestaltung sind natürlich Geschmackssache – ich finde sie solide, es gab aber auch Stimmen, die sie etwas altbacken einstufen.
- Die enthaltenen Holzteile – besonders die Tierfiguren – gefallen mir sehr gut.
- Ebenso die plastikfreie Verpackung des Spiels und die kleinen Kisten, in denen wir das Spielmaterial verstauen können. Die Verschlussmechanik muss ggf. noch optimiert werden, da eine Kiste immer wieder aufgeht.
- Die liebevolle Gestaltung der ausgewachsenen Pflanzen ist hervorzuheben sowie die Beschreibung der Pflanzenarten auf der Rückseite der Regel.
- Das Switchen zwischen der Basisversion und der Expertenversion ist einfach und verlangt kein Aussortieren von Spielmaterial etc.
- Die zwei im Spiel enthaltenen Varianten sorgen zum einen für einen guten Einstieg und für Wiederspielreiz bei erfahrenen Spielenden
- Fluffiger, linearer Spielablauf, der unterstützt durch gute Bildsprache bestens durch das Spiel führt
- Hochwertiges Spielmaterial und plastikfreie Verpackung
- Die Steuerung des neutralen Dritten Mitspielers stört im Spiel zu Zweit den Ablauf des eigenen Spielzugs
- Die Grafik ist nicht jedermanns Sache und wirkt ein wenig altbacken
- Die Wertigkeit der Karteneffekte variiert
Botanicus bietet zwei Spielvarianten – in seiner Basisversion ist es ein Spiel mit fluffigem Spieltempo und sehr zugänglichem, linearen Spielablauf. In der sog. „Expertenversion“ wird das Spiel zum Kennerspiel, das unsere Entscheidungen anspruchsvoller gestaltet und uns durch die asymmetrische Spielertableaus vor knackige Planungsaufgaben stellt.
Egal in welcher Version: Planung und diese in einen vernünftigen zeitlichen Ablauf zu bringen, ist hier das A und O. Die Entscheidungen, vor die wir gestellt werden, sind interessant und herausfordernd, aber das alles immer noch auf einem verdaulichen Niveau.
Das hier sehr gut umgesetzte Naturthema tut sein Übriges, um das Spiel für eine breite Zielgruppe interessant zu machen. Kurz: Botanicus ist ein Spiel, mit dem kaum jemand einen Fehler machen kann.