Home Jahr 2021 REVIEW | Rezension Brettspiel Artischocken

REVIEW | Rezension Brettspiel Artischocken

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Die Autorin von „Artischocken“ hat vermutlich eine Aversion gegen das namensgebenden Gemüse, denn warum versuchen wir in diesem Kartenspiel wohl sonst diese schnellstmöglich loszuwerden? 

Wäre das Spiel von mir, hätte es auch „Rosenkohl“ heißen können, denn den sehe ich persönlich auch lieber auf dem Kompost als auf dem Teller… 

Der Hinweis am Ende der Regel sollte aber alle Artischocken-Liebhaber:innen etwas beruhigen: „Bei der Entwicklung dieses Spiels kamen keine Gemüse zu Schaden oder wurden in irgendeiner Weise benachteiligt. Wir mögen alle Gemüse, die in diesem Spiel auftreten – am liebsten leicht angebraten und lecker gewürzt…“

Schauen wir uns diesen Gemüseauflauf mal etwas genauer an.

Carina Brachter


SPIELBESCHREIBUNG

Artischocken ist ein Kartenspiel für zwei bis vier Spieler:innen. Jede:r erhält eine Ablage für Vorrats- und Ablagestapel sowie zu Beginn des Spiels zehn Artischocken-Karten. 

In der Mitte des Spielfelds werden vom Nachziehstapel fünf Karten in die offene Auslage gelegt. Bei diesen Karten handelt es sich um Gemüsekarten. Jedes Gemüse hat eine besondere Fähigkeit, die als Kartentext abzulesen ist. Die Fähigkeiten erstrecken sich vom Ablegen von Artischocken-Karten über den Tausch von Karten mit Mitspieler:innen bis hin zum Nachziehen weiterer Gemüse-Aktionskarten.

Wer an der Reihe ist, führt folgende Phasen nacheinander durch:

  • Auffüllen der offenen Auslage
  • Eine Gemüsekarte aus der offenen Auslage nehmen
  • Gemüsekarten aus der Hand ausspielen
  • Übrige Karten auf den persönlichen Ablagestapel legen
  • Fünf Karten vom persönlichen Vorrat nachziehen

Beim Nachziehen entscheidet sich dann, wer das Spiel gewinnt: Wer unter den nachgezogenen fünf Karten keine Artischocken mehr hat, gewinnt das Spiel sofort. 



AUTOR: Emma Larkins ■ ILLUSTRATIONEN: Bonnie Pang
VERLAG: Amigo ■ ERSCHEINUNGSJAHR: 2021

2-4 Spieler

ab 10 Jahren

ca. 20 Minuten

Spielregeln (ext. Link zu Amigo)


SPIELGEFÜHL

Artischocken ist ein kleines kurzweiliges Kartenspiel, das vom Deckbau lebt – und zwar in beide Richtungen: Deckaufbau bei den Gemüsekarten und Deckabbau bei den Artischocken. Entweder schafft man es, die Artischocken im Deck so mit anderem Gemüse zu „verwässern“, dass sie immer spärlicher auf die Hand gezogen werden oder man bringt sie so schnell wie möglich auf dem Komposthaufen, dem Ablagestapel, unter. 

Dabei ist natürlich eine ordentliche Portion Glück im Spiel, denn es hängt sehr davon ab, wie die Karten gemischt sind, in welcher Reihenfolge man sie auf die Hand nimmt und wo im Nachziehstapel die nächsten Artischocken auftauchen. Das Spiel kann daher auch mal sehr schnell vorbei sein, wenn ein Glückspilz unter den Spielenden ist. 

Beim Einstieg: lesen, lesen, lesen…

Üblicherweise wird das aber nicht der Fall sein. Die angegebenen 20 Minuten passen eher. Vor allem auch, wenn man das Spiel und vor allem die Funktionen der einzelnen Gemüsekarten erst kennenlernen muss. Hier ist schon ein wenig Geduld gefragt: Man muss doch sehr häufig nochmal die einzelnen Karten in die Hand nehmen und nachlesen, was sie an Fähigkeiten mitbringen. Vielleicht hätten Symbole, die man auch bei „auf Kopf“ liegenden Karten erkennen und deuten kann, eher geholfen, den Einstieg in das Spiel zu erleichtern. 

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es doch meist mindestens zwei Partien bedarf, bevor Neulinge das Spiel flüssiger spielen können.

Gefälle zwischen alten Hasen und Newcomern

Aufgrund dieser Erfahrung würde ich das Spiel eher für eingespielte Spielrunden empfehlen – entweder in der Familie oder feste Spielrunden. Man sollte einen ähnlichen Kenntnisstand über die Fähigkeiten der Gemüsekarten und die Funktionsweise des Spiels haben, sonst entsteht doch ein deutliches Gefälle zwischen Kennern und Neulingen. Die hätten sonst in den ersten Partien nur über das Glückselement eine Chance, das Spiel für sich zu entscheiden.

Die Identitätskrise des Brokkoli….

Wer das Spiel neu kennenlernt, verfügt auch nicht über die Weitsicht, dass die ein oder andere Kartenfähigkeit im Laufe des Spiels ihre Wertigkeit verändert.  So ist beispielsweise der Brokkoli bei Spielbeginn Gold wert, gegen Spielende jedoch weniger. Mit dem Brokkoli darf man nämlich eine Artischocke kompostieren, sofern man drei oder mehr von ihnen auf der Hand hat. 

Dies wird später nur noch sehr selten der Fall sein. Zieht man dann den Brokkoli auf die Hand, versinkt er in der Bedeutungslosigkeit… immerhin besetzt er noch einen Platz, der nicht von einer Artischocke eingenommen werden kann.

Verwaltungsaufwand und Verwechslungsgefahr

Beim Kennenlernen des Spiels hakt es nicht unbedingt nur bei der Beschriftung der Karten, sondern auch beim recht hohen Verwaltungsaufwand. Das Ablegen nicht genutzter Handkarten, Nachziehen, häufiges Mischen, Tauschen von Karten mit Mitspieler:innen, schonmal auf dem Kopf entziffern, was die ausliegenden Gemüsekarten so zu bieten haben – da ist man doch recht gut beschäftigt. Im positiven Sinne möchte ich mal behaupten: Da kommt keine große Downtime auf!

Was mich aber maßlos verwirrt bei diesem Spiel, ist die für mich „falsche“ Anordnung von Ablage und Vorrat auf der Spielerablage. Für mich gehört der Vorrat zwingend nach links und der Ablagestapel nach rechts. Das hat bei mir schon ordentlich für Chaos gesorgt.

Grinsendes Gemüse

Die Gestaltung der Karten, das freundlich bis skeptisch dreinschauende Gemüse, die Bezeichnung der Auslage als „Gemüsekiste“, der Ablagestapel als „Kompost“ – das alles ist sehr liebevoll zusammengestellt und spricht viele an und ist ein schöner Pluspunkt.  


Zusammenfassung

Artischocken ist sehr gut geeignet, um die Funktionsweise von Deckbauspielen kennenzulernen. Dabei sollte man aber ein paar Partien investieren, damit man die Funktionsweisen der Karten verinnerlicht und das Spiel dann flüssig läuft. Spielt man es nicht regelmäßig, fängt man immer wieder von vorne an. 

Grundsätzlich empfiehlt sich daher das Spielen in einer festen Gruppe, um vom gleichen Kenntnisstand zu profitieren. 

Das Spiel ist thematisch schön eingebettet. Hat man Spielerfahrung, hat es ein flottes Spieltempo und wenig Downtime.

Artischocken ist gut als Einsteiger in den Spielabend geeignet. 

  • Thematisch schön eingebettet und niedlich gestaltet
  • Gut geeignet, um Deckbaufunktionen zu lernen
  • Mit etwas Spielerfahrung: Flottes Spieltempo, wenig Downtime
  • Etwas Lern- und Verwaltungsaufwand notwendig, bis man das Spiel flüssig spielen kann
  • Mehr Symbolsprache statt Text hätte dem schnelleren Verständnis auf die Sprünge helfen können
  • Reihenfolge von Ablage und Vorrat

Aus meiner Spielerperspektive: Mir persönlich steckt in diesem kleinen Kartenspiel ein bisschen zu viel Aufwand – ich muss mich immer wieder in die Kartentexte einlesen, weil ich mir die Funktionsweisen partout nicht richtig merken kann. Ständig muss ich mischen und verheddere mich mit Ablage und Vorrat. Andere Spiele mit ähnlicher Gewichtsklasse und weniger Aufwand liegen mir persönlich mehr und haben daher bei mir auch bei der Qual der Wahl die Nase einen Tick vorn.

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