Home Jahr 2023 REVIEW | Rezension Brettspiel After us

REVIEW | Rezension Brettspiel After us

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Brettspielbox Brettspiele

„Nach uns die Sintflut…“ oder doch eher die Affen? Schon im Jahr 2083 (in schlappen 60 Jahren!) ist es aus mit uns – so zumindest prophezeit es das Brettspiel After us, das kürzlich bei Pegasus erschienen ist. Wie so viele Spiele ist also auch After us in der Postapokalypse angesiedelt und wie auch andere Spiele dieses Themas sieht diese hier gar nicht so traurig aus, wie man denken könnte: Hauptsache, Vincent Dutrait hat sie illustriert! Da wird selbst die Postapokalypse hübsch. Was After us uns sonst noch zu bieten hat, lest Ihr im Folgenden. 

Carina Brachter


SPIELBESCHREIBUNG

Im Kern ist After us ein Wettrennen um die meisten Punkte und wer als erstes die Marke von 80 Punkten auf dem Rundlauf überschritten hat, löst damit das Spielende aus. 

Doch wie erhalten wir die Punkte? Fangen wir mal vorne an: Jede:r erhält zu Beginn ein Startdeck mit 8 Karten und zieht 4 davon auf die Hand. In der parallel verlaufenden Phase 1 „versammeln wir unsere Horde“, was bedeutet, dass wir unsere Karten vor uns in eine Reihe legen. Die Reihenfolge bestimmen wir dabei selbst, denn die Karten zeigen in drei Reihen Ressourcen und Teile von Aktionen und je nachdem, wie man diese aneinanderlegt, erhält man die entsprechenden Boni. Man erhält sie nur, wenn man eine geschlossene Box zusammenstellt. 

Man erhält Körner, Früchte, Blumen und Batterien, die man in weiteren Aktionen in andere Ressourcen, Siegpunkte oder anderes tauschen kann. Dabei gehen wir Reihe für Reihe und Box für Box vor. 

In der zweiten Phase, die ebenfalls parallel gespielt wird, dürfen wir eine Aktionsscheibe ausspielen, die uns Siegpunkte oder andere Boni bringt. Gegen Zahlung von Ressourcen dürfen wir auch die Aktion einer unserer Nachbarn zusätzlich nutzen. 

Die gespielte Farbe der Aktionsscheibe zeigt dann auch an, von welcher Primatenart, also welchem Stapel mit Nachschubkarten, wir dann ggf. noch gegen entsprechende Bezahlung einkaufen und die Karte direkt oben auf unseren Nachziehstapel legen dürfen. Die unterschiedlichen Primatenarten haben individuelle Fähigkeiten:

  • Sie setzen ihren Schwerpunkt bei dem Erzielen von Siegpunkten.
  • Sie verschaffen einem mehr Batterien, mit denen man beispielsweise Sonderaktionen triggern kann, die auf drei ausliegenden Plättchen zu finden sind und von allen Mitspielenden genutzt werden können.
  • Sie erlauben das Sammeln von Zorn, mit dessen Hilfe man Karten aus dem Deck entfernen kann.
  • Sie erlauben das wiederholte Nutzen von Aktionen in den Boxen auf den Karten. 

Sind die beiden Phasen abgehandelt, wird die Auslage abgeräumt, alle nehmen sich wieder vier Karten vom Nachziehstapel und eine neue Runde beginnt. Wer dann in der laufenden Runde die 80 Punkte-Marke überschreitet, löst das Spielende aus. Wer schließlich die meisten Punkte erzielen konnte, gewinnt After us



AUTOR: Florian Sirieix ■ ILLUSTRATIONEN: Vincent Dutrait
VERLAG: Pegasus Spiele ■ ERSCHEINUNGSJAHR: 2023

1-6 Spieler

ab 10 Jahren

ca. 40-60 Minuten

Spielregeln (ext. Download von Pegasus)


SPIELGEFÜHL

Also allein vom Cover her hatte ich mir etwas völlig anderes unter diesem Spiel vorgestellt. Nicht nur mechanisch, sondern auch vom Anspruch her, denn After us ist als Kennerspiel gekennzeichnet. Hm, ich finde, das Spiel ist eher im Grenzbereich zwischen Familie und Kenner zu sehen. Vermutlich werden die meisten Familien und Wenigspielende mit den Regeln und ihrer Anwendung keine großen Probleme haben. 

Womit man ein Problem haben könnte, ist das sehr solitäre Spielgefühl. Natürlich sitzen wir gemeinsam am Tisch und sind in einem Wettrennen manchmal weiter auseinander, manchmal Kopf an Kopf auf der Punkteleiste unterwegs. 

Aber das, was wir tun, machen wir ohne Zutun der anderen oder Auswirkungen auf deren Spielgeschehen. After usist ziemlich genau das, was man unter einem Multiplayer solitaire-Spiel versteht. Jeder puzzelt und tauscht so vor sich hin. Das erfordert zum einen Vertrauen in das, was die anderen tun. Zum anderen erfordert es, dass einen das nicht stört und man Spaß daran findet, in der Gruppe so ganz in Ruhe vor sich hin zu spielen.

Eine Blume und eine Frucht für zwei Batterien

Die Aufgabe, die uns vom Spiel gestellt wird, ist nämlich durchaus reizvoll. Die Optionen, die uns die Karten mit den meist halben Boxen geben, die wir möglichst ertragreich und punktebringend zusammenstellen sollen, machen Spaß. Es ist anfänglich gar nicht so einfach zu sehen, welche Zusammenstellungen die besten sind: In der oberen Reihe auf den Karten erhalten wir Ressourcen, die wir in den beiden unteren Reihen umwandeln können. Daher macht es nicht nur Sinn, zu schauen, wie man möglichst viele Ressourcen erhält, sondern ob das auch zu den Umwandlungsoptionen in den unteren Reihen passt. Manchmal muss dann nochmal umgestellt werden, damit man oben beispielsweise die Batterie erhält, die dann unten zwei Siegpunkte einbringt. 

Jeder für sich

Beim Zusammenstellen der Karten achtet man nur darauf, was man selbst tut. Auch bei der Auswertung und Ausschüttung der Erträge macht jeder so seins. Alle greifen wild durcheinander bei der Ressourcenausschüttung und setzen dann die Ressourcen in andere Dinge um. Da werden die Spielsteine auf der Leiste vorangesetzt und so kommt es zu einer ständigen Verschiebung bei den Führenden. 

Ein kurzes Intermezzo der gegenseitigen Aufmerksamkeit erfolgt dann in der zweiten Phase, wenn die einzige Interaktion zum Tragen kommt: Da wird dann auf die benachbarten Tableaus geschaut, was dort für Aktionsscheiben aufgedeckt wurden. Besteht Interesse daran, eine solche zu nutzen? Wenn ja, wird meist kurz informiert: „Ich nutze deine Aktion“. Danach senkt dann schon wieder jeder den Kopf und schaut, was an neuen Karten eingekauft werden kann.

Der Affe im Sack

Der Deckbuilding-Aspekt hält sich in Grenzen, denn es kann pro Runde nur eine Karte eingekauft werden. Toll ist, dass diese direkt oben auf dem Nachziehstapel landet und wir sie in der kommenden Runde direkt verwenden können.

Weniger toll ist, dass wir immer ein bisschen „den Affen im Sack kaufen“. Die vier Affen-Arten haben zwar alle ihren individuellen Schwerpunkt, dennoch unterscheiden sich die auf den jeweiligen Karten befindlichen Boxen noch enorm. Ich denke darüber nach, ob wir künftig hausregeln und die Kartenstapel offen hinlegen, damit man zumindest weiß, ob sich ein Investment hier so richtig lohnt. Und es stellt sich dann natürlich die Folgefrage: Wer darf denn zuerst die Karte nehmen, wenn mehrere von diesem Stapel kaufen wollen? Das müsste man noch zu Ende denken. 

Aber selbst, wenn man die Karte offen kaufen würde, bestünde die Frage, ob sie denn auch gut mit den anderen Karten der nächsten Runde matcht. Da kann man dann auch Pech haben und nichts passt so richtig zu den lukrativen Anknüpfungspunkten…

Mandrill, Orang-Utan oder doch Schimpanse?

Das Glück spielt daher ordentlich mit bei After us. Wenn die Karten auf dem Nachziehstapel unglücklich liegen, kann das blöd enden. So habe ich es beim Showdown erlebt, dass wir in einer Zweier-Partie auf der Zielgeraden der Punkteleiste standen und ich ziehe ausgerechnet für diese entscheidende Runde nur Karten aus dem Startdeck. Dann kann man einpacken, da hat man keine Chance. Karten kaufen, damit man effektiver handeln kann, ist enorm wichtig. Wichtiger noch, als auszumisten.

Stellt sich dann natürlich die Frage: Welche kaufe ich? Kaufe ich lieber eher Karten der Stufe I oder spare ich lieber bis zur nächsten Runde Ressourcen und kaufe dann eine starke Karte der Stufe II? Kaufe ich lieber einen Mandrill, der mir Siegpunkte beschert oder gehe ich mit den Orang-Utans auf Batterien, weil ich mit dem gerade ausliegenden Gegenstandplättchen immer 5 Batterien in 5 Siegpunkte tauschen kann? 

Das sind hier die entscheidenden Überlegungen und es will gut bedacht sein, was wir tun, denn so wahnsinnig viele Karten kauft man während einer Partie gar nicht. Manche Karten kommen sogar nur ein-, zweimal zum Einsatz.

Egal, wie groß die Runde ist

Ob ich After us zu zweit oder in großer Runde zu sechst spiele, ist nicht weiter wichtig. Da wir immer parallel spielen, sind immer alle beschäftigt, es kommt keine Downtime auf und dadurch, dass wir grundsätzlich eigentlich immer was ähnliches tun, geht das auch recht flott. Da es zudem ein Rennen ist, in dem wir uns befinden, kommt manchmal so richtiges Racing-Feeling auf. Es gibt wenig Spiele, die im leichten Kennerbereich zu sechst spielbar sind und so ein flottes Spieltempo aufbieten. 

Individuelle Cover nach Ländern

Abschließend müssen wir noch darüber sprechen, dass After us nicht nur ansprechend und teilweise sehr ironisch illustriert, sondern auch gut ausgestattet ist. Die Ressourcen kommen als Holzteile daher, die Spielhilfen sind sehr einsteigerfreundlich, die Regeln erklären alles gut.

Bemerkenswert ist, dass das Cover in den einzelnen Ländern eine Anpassung erfahren hat. Briten freuen sich über den Big Ben auf dem Cover, Franzosen finden einen lädierten Eiffelturm vor, während die deutsche Fassung die Trümmer des Brandenburger Tores zeigt. 


Zusammenfassung

After us ist ein sehr zugängliches, leicht zu erlernendes Spiel mit sehr eingängigen Spielabläufen. Daher eignet es sich auch für erfahrene Familien und aufgeschlossene Wenigspielende. Kennern und Experten stellt es zu wenig Herausforderungen. 

After us ist in seinem Kern eine Mischung aus Wettrennen, Ressourcenmanagement und Deckbuilder, bei dem wir sehr solitär unsere Züge abwickeln. Da alle gleichzeitig spielen, kommt im Gegenzug dazu aber auch keine Langeweile bei den einzelnen auf. Es ist eines der wenigen Spiele, die auch in großer Runde gut funktionieren, sofern niemand die fehlende Interaktion vermisst. 

  • Sehr zugänglich sowie flott und mit wenig Downtime zu spielen
  • Tolle Gestaltung und schönes Spielmaterial
  • Schöne Idee mit den Boxen, die auf den Karten zusammengepuzzelt werden müssen
  • Sehr solitär, da kaum Interaktion
  • Glückskomponenten beim Kaufen und Nachziehen der Karten 
  • Vertrauen in das Handeln der Mitspielenden notwendig, da man deren Aktionen nicht kontrollieren kann

Aus meiner Spielerperspektive: Spielt man After us mit Menschen, die es kennen und nicht so grüblerisch unterwegs sind, kann es gerne auf den Tisch. Ich schätze das flotte Spieltempo sowie die Puzzle-Aufgaben mit den Boxen auf den Karten. Und für mich ist es auch völlig in Ordnung, wenn man sich mal nicht so in die Quere kommt. Aber das Spiel eignet sich nicht für jede Spielrunde und auch der Anspruch, den das Spiel an mich stellt, dürfte gerne etwas höher sein.

In großen Runden auf einem Spieletreff weiß ich After us wegen seiner Zugänglichkeit aber durchaus zu schätzen. 

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