Die Stadt Barcelona platzt im 19. Jhdt. aus allen Nähten und der Stadtplaner, Ildefons Cerdà, erhält den Auftrag vor den damaligen Toren von Barcelona den Stadtteil Eixample zu errichten. Dort ist heute auch wohl eines der bekanntesten Bauwerke der Welt zu finden – La Sagrada Família.
Ildefons Cerdà beginnt mit dem Bau des Viertels zu Beginn der 1860er Jahre. Für eine zu diesem Zeitpunkt moderne Stadtplanung geht es darum, identischen Wohnraum sowohl für Arbeitende als auch Mittel- und Oberklasse zu bauen, mit viel Licht und Platz für die Menschen. Straßen für Passanten, Straßenbahnen, die Errichtung von Plätzen zur Begegnung, aber auch der aufkommende Architekturstil Modernismus findet sich, wie alles andere auch, in diesem Spiel wieder. Der Autor, Dani Garcia, dessen zweites Spiel Aborea ebenfalls dieses Jahr erscheint, verbindet hier Historie mit einem Euro-Game auf (leichtem) Expertenniveau – Thematik trifft Mechanik.
Björn Schwarzmüller
SPIELBESCHREIBUNG
In Barcelona werden wir in mehreren Runden pro Zug ein bis drei Aktionen ausführen, sowie verpflichtend, wenn möglich, ein Gebäude bauen und anschließend Vorbereitungen für die nächste Runde treffen. Dies geschieht auf dem Hauptspielplan, der anfänglich mehrere Bauflächen für Gebäude zeigt und von einem quadratischen Straßennetz und einer großen diagonal verlaufenden Straße durchzogen ist. In jeder Runde setzen wir zu Beginn zwei Einwohner(plättchen) gestapelt auf eine freie Straßenkreuzung. Diese Kreuzungen verbinden die am Rande befindlichen Aktionsfelder, die wir mit dem Platzieren auslösen und durchführen dürfen. Gleichzeitig ist diese Kreuzung bzw. die Aktionskombination erst einmal blockiert. Die Aktionen sind z. B. Ressourcen nehmen, Straßen oder Plätze bauen, persönliche Ziele für die Endwertung nehmen oder unsere Straßenbahn durch das Stadtviertel fahren lassen, um Passagiere für Zusatzaktionen aussteigen zu lassen.
In Summe gibt es elf mögliche Aktionen auf dem Hauptplan. Die elfte befindet sich auf der diagonalen Straße. Platzieren wir dort, können wir dann direkt drei Aktionen auslösen.
Neben dem Hauptplan hat jeder Spielende ein eigenes Schreibtischtableau. Von dort nehmen wir gebaute Straßen und Plätze oder ausgestiege Gäste herunter. Auf diesem können wir auch die erhaltenen persönlichen Ziele ablegen, mal kostenlos, meistens gegen Ressourceneinsatz. Nachdem wir unsere Aktionen ausgeführt haben, müssen wir, sofern möglich, noch ein Gebäude bauen. Das geschieht immer dann, je nach Gebäude, wenn eine bestimmte Anzahl an Einwohnern an den Eckpunkten der Baugrundstücke stehen. Bauen wir ein Gebäude, werden die obersten Einwohner auf der Einwohnerleiste passend nach Ihrer Klasse, Arbeitende-, Mittel oder Oberschicht, abgelegt. Für den Bau des Gebäudes erhalten wir Siegpunkte und, wenn wir im Sinne des großen Vorbildes Cerdà gebaut haben, auch Schritte auf seiner Leiste. Mit dem Ablegen der Einwohnerplättchen werden in Summe auch drei Zwischenwertungen ausgelöst, in denen wir für die dortigen Etappenziele Siegpunkte erhalten. Diese Punkte werden mit einem Multiplikator versehen, abhängig von unserer jeweiligen Position auf der Cerdà-Leiste. Nach der dritten Wertung geht es am Rundenende in die Endwertung und es gewinnt, wer am meisten Siegpunkte hat – davon gibt es im und zum Ende des Spiels eine Vielzahl.
AUTOR: Dani Garcia ■ GRAFIKER: Aleksander Zawada
VERLAG: Board & Dice, deutsche Lokalisation bei Giant Roc ■ ERSCHEINUNGSJAHR: 2023
1-4 Spieler
ab 14 Jahren
ca. 60-90 Minuten
Spielregeln (ext. Link zu Board & Dice / engl)
SPIELGEFÜHL
Ein Expertenspiel, bei dem das Thema wirklich spürbar ist. Wir können die Stadtentwicklung buchstäblich auf dem Plan mit ansehen, wenn Plätze, Straßen und Häuser errichtet werden, die auch in Realität heute noch existieren und alle Aktionen ein historisches Pendant haben.
Es fühlt sich sehr gut an, dass wir immer eine Chance haben, Siegpunkte zu erhalten und in Interaktion mit den Mitspielenden sind. Nimmt sich gleich jemand die Kreuzung, die ich gerne haben möchte? Welches Gebäude baue ich hier und blockiere damit ggf. langfristig bestimmte Aktionsmöglichkeiten für andere, aber auch für mich? Wo kann ich am besten meine Plätze bauen, weil diese bei Nutzung Belohnungen für mich bereithalten? Hinzu kommt, dass es sich selbst mit Regelerklärung in gut zwei Stunden spielen lässt. Mit ein bisschen Hilfe von erfahrenen Spielenden haben auch Erstspieler eine sehr gute Chance das Spiel zu gewinnen.
Die Downtime steigt, wenn einzelne Spieler keinen Ausweichplan parat haben, wenn plötzlich die Wunschkreuzung besetzt ist. Das Spiel lässt es aber sehr gut zu, sich frühzeitig mehrere Optionen im Spiel zu überlegen und durchzuführen, dann geht der einzelne Zug auch schnell von der Hand. Die belohnende Art des Spiels macht eine Niederlage auch sehr erträglich, zumal es immer die Chance gibt seinen eigenen Highscore zu verbessern. Da werden Niederlagen schnell zu persönlichen Siegen.
Zusammenfassung
Ein schneller Experte mit viel Interaktion und hoher Verzahnung und Belohnungsfaktor, der in meinen Runden immer angeregt hat, direkt noch eine Partie spielen zu wollen. Ein großartiges Spiel!
- Verbindung von Thematik und Mechanik
- Anleitung sehr gut geschrieben, historische Hintergründe in farblich separaten Kästchen zu jeder Aktion vorhanden
- Schnell erklärt und gelernt
- Aktionskombinationen können variabel gestaltet werden
- Belohnend, selbst wenn man verliert
- Die zweite Partie am Abend ist so gut wie sicher
- Schönes und funktionales Design
- Optik gefällt nicht jedem
- Einzelne Zielplättchen nicht selbsterklärend
Aus meiner Spielerperspektive:
Es war tatsächlich nicht Liebe auf den ersten Blick, zu Beginn meiner ersten Partie. Während des Spiels ist mir aber schnell deutlich geworden, was alles in diesem Spiel steckt und was es zu bieten hat. Wir haben an diesem Tag direkt zweimal Barcelona gespielt. Es wurde bestellt und ist seitdem regelmäßig auf dem Tisch gewesen. Meine Mitspielenden haben es sich (fast) alle selbst zugelegt – nur Einer nicht, weil es in der Familie bereits gekauft wurde.
Mir hat jede Spielerkombination gefallen, weil sie alle andere taktische Varianten bzw. Möglichkeiten bieten. Einzig die Solo-Variante habe ich diesmal ausgelassen. Im Gegensatz zur regulären Spielregel, klangen die Solo-Regeln eher mechanisch und verwalterisch, als verspielt. Auf zwei Punkte möchte ich gerne meine Sicht geben, die ich vernommen habe, aber nicht bestätigen kann. Der Startspielernachteil (Teil 1) – Wer beginnt, kann in der ersten Runde nicht bauen, weil nur die eigenen Einwohnerplättchen auf dem Stadtplan sind und damit kein Gebäude gebaut werden kann. Stimmt, aber zu Beginn sind Gebäude nur 1-3 Punkte wert, bei einem Spiel, das bis weit über 400 Punkte zu bieten hat, ggü. der ersten Aktionswahl des Spieles, absolut vernachlässigbar. Der Startspielernachteil (Teil 2) – Der Startspieler wird vom Spielende überrumpelt. Das Spiel endet, wenn eine der drei Einwohnerleisten vollständig mit Plättchen bedeckt wird. Dann wird nur noch die Runde zu Ende gespielt. Bedeutet, der letzte Spieler einer Runde kann das Spielende einläuten und es endet direkt danach. Dem ist so und es ist kein Nachteil aus meiner Sicht, weil man es sehr gut abschätzen und auch als Startspieler noch beeinflussen kann. Man kann sich einfach sehr gut darauf einstellen.
Die andere Aussage, man muss in den letzten Runden zwingend die Chance haben ein Gebäude zu bauen, da hierfür 18 bis 20 Punkte vergeben werden. Stimmt, 18-20 Punkte sind diesmal ein gute Portion Punkte, muss ich deswegen zwingend noch zum Ende hin Gebäude bauen? Nein, weil man mit den richtigen Aktionen auch die persönlichen Ziele mit hohen Multiplikatoren ausstatten kann und die einzelnen Ziele noch sehr gut pushen kann. Das sind am Ende meist mehr Punkte, als nochmal ein bis zwei Gebäude zu bauen. Natürlich ist es das Sahnehäubchen, persönliche Ziele und Gebäudebau zu pushen, für einen Sieg aber kein Zwang.
Zu guter Letzt – Einmal im Jahr bringe ich die gespielten Spiele der letzten drei Jahre aus meinem Besitz in ein persönlich Top 100 Ranking. Barcelona landete dabei in den Top 3 (zurecht) und wird sicherlich die Top 5 in den nächsten Jahren nicht verlassen.
Eine sehr detaillierte, fantastische Rezension ! Vielen Dank, lieber Björn !