Ralph Bruhn ist der stille und leise „Arbeiter“ hinter den Kulissen vieler großartiger Spiele. Gelesen habe ich viel über ihn, kennengelernt aber durch Zufall erst während des Ratinger Spieletages im April diesen Jahres. Dort wurde am Samstag morgen gegen 10:03 noch ein vierter Spieler für eine Testpartie von OctoSphere (heute besser bekannt als AquaSphere) gesucht: ich hatte Glück und diese gut 3 Stunden inkl. Erklärungen und intensivem Nachbohren durch den Spielleiter als sehr kurzweilig und spannend empfunden – zudem meine erste Partie eines Prototypen.
Glücklicherweise durfte ich über das Spiel auch noch einen Erlebnisbericht schreiben, welcher derzeit immer noch die interne Rangliste der BRETTSPIELBOXartikel anführt.
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Aber wer ist eigentlich dieser Ralph Bruhn?
Normalerweise geht Ralph seinem Beruf als IT Systembetreuer nach. Viele Stunden seiner Freizeit widmet er jedoch seinem Hobby dem Brettspielen. Neben privaten Spielrunden mit seiner Frau in Bonner Spielkreisen, ist er als freier Redakteur tätig, um vielen Spielen den richtigen Schliff zu geben und diese nach vorne zu bringen (u.a. bei dem vor kurzem ausgezeichneten Spiel Istanbul). Er ist aktives Mitglied bei H@ll9000 und seit 2009 Inhaber eines eigenen Verlages: H@ll Games, der in dieser Zeit schon drei erfolgreiche Spiele (Vor den Toren von Loyang, Luna, Il Vechio) herausgegeben hat und mit AquaSphere in Essen seine Nr. 4 am Start (erscheint in Kooperation mit dem Pegasus-Verlag) haben wird.
Nun zum Interview:
BRETTSPIELBOX: Vor gut 6 Jahren wurde der Verlag Hall Games für das Spiel die „Tore von Loyang“ gegründet. Mit AquaSphere steht nun das vierte Spiel an. Gibt es nach 3 erfolgreichen Projekten schon Routine? Oder ist jedes Spiel „anders“ von der Umsetzung.
Ralph Bruhn: Bei einem Schnitt von einem Spiel pro Jahr (ich zähle hier die beiden Titel mit, die ich für Pegasus betreut habe) würde ich nicht von Routine sprechen. Bezüglich des organisatorischen Ablaufs wiederholt sich zwar einiges, so dass man so langsam ein besseres Gefühl dafür bekommt, wie lang bestimmte Arbeitsschritte dauern. Dazu kommt auch, dass ich mit den meisten Partnern auch schon mehrfach zusammengearbeitet habe, so dass man deren Arbeitsweisen besser einzuschätzen lernt.
Die eigentliche Entwicklung eines Spiels selbst ist aber keine Routine. Es ist ja auch nicht immer von Anfang klar, ob das Spiel tatsächlich bis zur Veröffentlichung kommt. Und bisher haben sich – von Loyang abgesehen – auch noch alle Spiele deutlich verändert während meiner Bearbeitung. Genau dieser Teil ist ja auch der, den ich am spannendsten finde und der mir am meisten Spaß macht.
BRETTSPIELBOX: Wie lange habt Ihr gebraucht, um von der Idee über das Konzept zum fertigen Spiel zu kommen?
Der entscheidende „Durchbruch“ war für uns vor etwa einem Jahr, als Stefan die beiden Ideen entwickelte, wie man durch die „Zentrale“ die Auswahlmöglichkeit der Aktionen einschränkt und wie man durch das „Labor“ die Kapazität der Spielervorräte limitiert.
BRETTSPIELBOX: Was zeichnet AquaSphere deiner Meinung nach aus?
Ralph Bruhn: Das ist gar nicht so einfach in Worte zu fassen. Wie bei allen Spielen, für die ich mich entscheide, muss es irgendetwas im Spiel geben, das mich so fesselt, dass mir das Optimieren des Spiels langfristig Spaß macht.
Ich mag Spiele, die auf einem „Worker-Placement“-System basieren, aber einen zusätzlichen Kniff dabei haben. Bei AquaSphere ist es die Zweiteilung zwischen der Auswahl der Aktion und der tatsächlichen Ausführung, die ich spannend finde. Außerdem mag ich es, dass nicht in jeder Runde alle Aktionsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, man aber trotzdem Gelegenheit bekommt, sich auf einige Aktionen zu spezialisieren.
Dann gefällt mir sehr gut, wie durch die Beschränkungen des Labors zusätzlicher „logistischer Druck“ auf die Spieler aufgebaut wird – das erzeugt für mich ein angenehm herausforderndes Spielgefühl.
Wie bei Stefan üblich gibt es sehr unterschiedliche Wege zum Erfolg – aber das erübrigt sich ja schon fast, das extra zu erwähnen. 😉
BRETTSPIELBOX: AquaSphere wurde parallel über Kickstarter für den nordamerikanischen Markt bereitgestellt. Deine ersten Erfahrungen mit Crowdfunding? Wie waren deine Erfahrungen?
Ralph Bruhn: Ich selbst hatte vor AquaSphere noch gar keine Erfahrungen mit Crowdfunding. Und auch hier war ich ja genau genommen nur ein Beobachter, da die Hall-Games-Version ja ganz „klassisch“ finanziert wird.
Ich fand es allerdings sehr beeindruckend, was mein amerikanischer Lizenzpartner TMG da auf die Beine gestellt hat und offensichtlich hat dieses System für AquaSphere gut funktioniert.
BRETTSPIELBOX: Neben der Verlegertätigkeit bist du auch als Redakteur (u.a. für Istanbul) tätig. Was zeichnet die Redakteurstätigkeit aus?
Ralph Bruhn: Das unterscheidet sich vermutlich von Verlag zu Verlag ein wenig, daher beschränke ich mich mit der Antwort auf meine Redakteurstätigkeit für Pegasus.
Und da unterscheidet sich bei den bisherigen Spielen für mich erst einmal gar nicht so viel von dem, was ich für Hall Games mache: Ich kümmere mich erst einmal um alle Dinge, die sich auf die Spielentwicklung beziehen. D.h. ich wähle die Spiele aus, führe die Gespräche mit den Autoren, prüfe und kritisiere die Spiele, mache Vorschläge für Änderungen, wähle das Thema aus, engagiere den Illustrator und mache das gesamte Spiel produktionsfertig.
Die Unterschiede liegen dort, wo es über das reine Spiel hinausgeht: Die Entscheidung über eine Veröffentlichung trifft der Verlag und bei marketingrelevanten Themen wie Titel oder Cover wird im Team entschieden.
Danach macht der Verlag dann so gut wie alles, was in Richtung Organisation, Finanzierung und Marketing geht, damit habe ich dann nicht mehr viel zu tun.
BRETTSPIELBOX: Häufig bleibt der Redakteur im Hintergrund. Leistet aber einen enormen Beitrag für das Spiel. Kann man die Rolle des Redakteurs eher mit der eines Trainers, Mentors, Projektleiter oder der eines Controllers des Autors vergleichen?
Ralph Bruhn: Das würde ich nicht verallgemeinern. Vor allen Dingen ist es ein Riesenunterschied, ob man ein angestellter Redakteur ist, der sich um viele Projekte gleichzeitig kümmern muss und für das einzelne Spiel nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung hat, oder ob man sich als „Hobby-Redakteur“ wie ich die Zeit lassen kann, ein Spiel tlw. über Jahre hinweg zu begleiten und zu optimieren.
Ich kann also nur darstellen, wie ich meinen Job verstehe:
Ich sehe mich primär als Ratgeber der Autoren. Die Ideen, die ich vorgelegt bekommen habe, waren meist noch nicht veröffentlichungsreif.
Meine Aufgabe sehe ich zunächst schlicht und einfach darin, zu sagen, was mir am Spiel nicht gefällt und geändert werden sollte. Und natürlich darin, zu entscheiden, ob ich überhaupt genug Potential in einer Spielidee sehe, um sie weiter zu verfolgen.
Wenn das Regelwerk dann weitgehend feststeht, dann beginnt der zweite große Teil der redaktionellen Betreuung: Die thematische Umsetzung und die grafische Gestaltung. Dieser Teil kann – insbesondere, wenn man die Erstellung der Spielanleitung hinzunimmt – durchaus noch einmal eine ähnliche Zeit in Anspruch nehmen wie die Spielentwicklung selbst, der hier erforderliche Aufwand wird oft unterschätzt.
BRETTSPIELBOX: Wie viel Zeit wendest Du pro Woche für dein Hobby Brettspiel auf?
Ralph Bruhn: Wenn ich die Verlags- und die Redakteursarbeit mitzähle, dann sind das durchschnittlich vielleicht 2-3 Stunden pro Tag. Davon sitze ich aber leider zu selten tatsächlich mit anderen Leuten am Spieltisch – vielleicht 1-2 mal pro Woche.
BRETTSPIELBOX: Kommst du neben deinen vielen Projekten noch zum „gemütlichen“ Spielen?
Ralph Bruhn: Wie gesagt: Ab und zu komme ich schon noch dazu, mit Freunden zu spielen. Wobei auch dann des Öfteren Prototypen auf den Tisch kommen. Aber „gemütlich“ ist das natürlich trotzdem. J
BRETTSPIELBOX: Neben AquaSphere und Istanbul, was werden / sind deine Highlights des Jahres 2014?
Ralph Bruhn: Leider habe ich noch nicht viele Neuheiten ausprobieren können – bisher hat mir La Granja sehr gut gefallen, außerdem fand ich den Prototyp von Hans im Glück „Die Staufer“ sehr vielversprechend.