Home Jahr 2021 REVIEW | Rezension Brettspiel Mille Fiori

REVIEW | Rezension Brettspiel Mille Fiori

3

Dieses Cover – musste das denn wirklich sein? 

Als ich das Coverbild von Mille Fiori sah, war ich nicht sehr erpicht darauf, das Spiel auszuprobieren. Ja, sehr oberflächlich gedacht, aber ich stehe Pastelltönen nunmal misstrauisch gegenüber. Und davon hat das Cover reichlich. Und dann noch diese Disney-hafte Prinzessin im Zentrum – naja, wenigstens nicht in rosa…

Im Inneren des Spiels geht es ein wenig anders zu und der Stil des Spielplans hätte mir auch für die Covergestaltung deutlich besser gefallen. Die inneren Werte von Mille Fiori – und darauf kommt es schließlich an! – sind es dann, die mich deutlich mehr überzeugen konnten…  

Carina Brachter


SPIELBESCHREIBUNG

In Mille Fiori beschäftigen wir uns mit der Produktion und dem Handel von Glaswaren. Um der erfolgreichste Glashersteller der Lagune zu werden, betätigen wir uns in unterschiedlichen Bereichen auf dem Spielfeld. Um dort agieren zu können, erhalten wir 27 transparente Rauten in unserer Spielfarbe und ein Schiff. Zu Beginn jeder Runde bekommen wir fünf Handkarten, wählen eine aus und geben die anderen dann im Uhrzeigersinn weiter. Je nach gewählter Karte können wir eine Aktion in einem Bereich des Spielplans ausführen:

  • In den Werkstätten stellen wir Glas her und platzieren dort eine unserer Rauten auf einem Feld, das dem ausgespielten Kartensymbol entspricht. Wir punkten für zusammenhängende Gruppen gleichfarbiger Rauten.
  • Im Bereich der Häuser platzieren wir unsere Rauten auf Feldern, die uns die aufgedruckten Punkte bringen. Bei farblich passenden Ketten aus Rauten punkten auch die zuvor besetzten Felder mit.
  • Im Bereich der Personen gibt es zwei Bereiche, die aber gleich funktionieren: Hier bilden wir mit unseren Rauten Pyramiden auf Symbolfeldern. Je höher die Rauten in den Pyramiden platziert werden können, desto mehr Punkte bringen sie ein.
  • Im Bereich Handel werden Glasprodukte angeboten und später im Hafen verschifft. Beim Handel erhält man Punkte je nach Anzahl eingesetzter eigener Rauten und besetzter Plätze in einer Reihe. Die jeweiligen Zeilen werden beim Verschiffen der Ware wichtig. Sind drei Schiffsrauten vor einer Zeile platziert, wird der Transport ausgelöst und die Handelsschiffe bringen Punkte ein, je nachdem wie voll die Zeile mit Waren beladen war. 
  • Als alternative Zugmöglichkeit kann man mit seinem Schiff fahren – alle Karten sind dazu alternativ verwendbar und zeigen dazu eine Zahl in einem Steuerruder. Auf der Schiffsleiste kann man ebenfalls Punkte und Bonusaktionen einfahren.

In allen Bereichen des Spielfelds sind zudem Bonuspunkte erhältlich, sofern man eine bestimmte Anzahl an unterschiedlichen Symbolen abgedeckt hat. Das Erreichen eines Bonusses wird ebenfalls mit einer Raute auf dem Spielfeld markiert. 

Ebenso lassen sich in allen Bereichen des Spielplans auch Bonusaktionen auslösen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Dazu liegen neben dem Spielplan weitere Karten aus, aus denen man auswählen kann, um weitere Aktionen zu spielen. Auf diese Weise können vielfältige Bonusaktionsketten entstehen.  

Das Spiel endet, wenn der Kartenstapel aufgebraucht ist oder jemand seine letzte Raute auf dem Plan platziert hat. Wer dann die meisten Punkte erzielt hat, gewinnt Mille Fiori.



AUTOR: Reiner Knizia ■ ILLUSTRATION/GRAFIK: Stephan Lorenz, Marina González, Olga Cress
VERLAG: Schmidt Spiele ■ ERSCHEINUNGSJAHR: 2021

2-4 Spieler

ab 10 Jahren

ca. 60-90 Minuten

Spielregeln (Aktualisierte Regeln unter LINK Änderung auf Seite 4 beachten! )


SPIELGEFÜHL

Bonusketten – der neueste Schrei!

Spiele mit Bonusketten sprießen wie Pilze aus dem Boden – Mille Fiori ist eines davon. Während wir uns jahreslang mit Mangelspielen – „Wie soll ich mein Volk nur durch den nächsten Winter bringen?!“ – rumschlagen mussten, sind Feel-good-Spiele jetzt im Trend. „Nehmt Euch! Reichlich!“ – das ist der neueste Trend, denn er vermittelt ein gutes Spielgefühl! Wer es clever anstellt und auch ein wenig Glück hat, kann in seinen Spielzügen zwei-, dreimal mehr erreichen als seine Mitspielenden. 

Nach Witchstone legt Reiner Knizia nun das nächste Spiel vor, das auf diese Weise sehr gut funktioniert – allerdings: In manchen Partien hatte ich bei Mille Fiori das Gefühl, mehr Zeit damit zu verbringen, die Pöppel auf der Punkteleiste vorzuziehen, als auf meine Züge zu verwenden. Aber ist das schlecht? Nein, nicht wirklich, denn es erzeugt ein belohnendes Gefühl und alle dürfen mal 20 Schritte weiterlaufen und sich dabei zufrieden die Hände reiben…

Was machen wir da? Glasschwäne? Na gut…

Thematisch eingebettet ist Mille Fiori zum Teil ganz gut, denn die Produktion von Glas und der Handel mit entsprechenden Waren lässt sich gut nachvollziehen. Aber gerade im Bereich der Häuser und der Personen fragt man sich schon, was diese Bereiche mit dem Thema zu tun haben. Hier gibt auch die Spielregel, die sehr verschwenderisch mit der Gestaltung umgeht, aber sonst weitestgehend keine Fragen offen lässt, keinen weiteren Aufschluss. Übrigens: Die Spielregel wurde mittlerweile auf Seite 4 angepasst – bitte schaut Euch unbedingt an, ob ihr in Eurem Exemplar die aktualisierte Regel habt. Die aktualisierten Regeln findet Ihr über den obenstehendes Link.

Gläserne Rauten

Neben dem belohnenden Spielprinzip ist auch das schöne Material hervorzuheben. Die gläsernen Rauten sind ein schönes, innovatives Spielmaterial, das zur Markierung genutzt wird, gleichzeitig auch den Blick auf das Markierte zulässt und dann auch noch thematisch sehr gut passt. Auch die filigran gestalteten Schiffe gefallen mir sehr gut! Die Karten enthalten alle wesentlichen Informationen und die Bildsprache ist gut gelungen – leider sind sie recht klein geraten und in „normaler“ Spielkartengröße wären sie bisher allen Mitspielenden lieber gewesen.

So richtig zu meckern habe ich aber nur über den Spielplan – der wellt sich an einer Seite und steht hoch und auch in der Mitte gehen die einzelnen Kartonlagen bereits auseinander. Vielleicht aber nur eine Ausnahmeerscheinung…

Ebenso fehlen mir ein Hunderter- bzw. Zweihundertermarker, denn beim häufigen Umrunden des Spielbretts kann man ggf. mal aus dem Auge verlieren, in welcher Runde man bereits ist. (Vorlagen zum Selberdrucken unter LINK)

Danke für die Punkte!

Ebenfalls positiv zu bemerkene ist, dass das belohnende Spielprinzip nicht nur den jeweils Agierenden einbezieht, sondern auch die Mitspielenden. In nahezu allen Spielbereichen ist es möglich, von Aktionen anderer ebenfalls zu profitieren. Je mehr mitspielen, desto mehr Möglichkeiten, daran zu partizipieren. Und damit kommen wir zu einem wichtigen Punkt: Zu Zweit funktioniert Mille Fiori, ist aber nicht die beste Art, das Spiel zu genießen. Der Bereich Handel wird im Spiel zu Zweit meist bedeutungslos. Im Spiel zu Viert ist hier allerdings eine ganze Menge los und kann sogar zum Hotspot auf dem Spielplan werden, sobald sich alle dort einbringen. Zu zweit ballt sich die Aufmerksamkeit zunächst auf den Häuserbereich, der aber schnell uninteressant wird, sobald dort alle Boni abgegriffen wurden.

Mille Fiori ist dabei immer flott gespielt – zu Viert ist es mit geübten Spielern auch gut in 60 Minuten spielbar. Man kann es auch gut neuen Spieler:innen erklären, lediglich der Bereich Handel muss meist genauer mit Beispielen belegt werden. Ab der zweiten Partie geht es allen meist sehr flüssig von der Hand. Schnell spielt sich das Spiel meist auch deshalb, weil es in allen Bereichen einen Wettlauf um die Bonuspunkt gibt. Hier wollen alle die 20 Punkte abgreifen, aber das gelingt nur mit etwas Glück!

Am besten nur mit der „taktischen Variante“

Das flotte Spieltempo wird durch die taktische Variante, die ich absolut empfehlen möchte, etwas gebremst. Sie ist aber durchaus wichtig, um das Spiel etwas taktischer anzugehen. Hier wird das Drafting so abgewandelt, dass man erst nach dem Zug des vor sich Spielenden eine Karte aus den Handkarten auswählt und damit auf dessen Zug reagieren kann. Wählen alle zu Beginn ihre Karte aus, kann es sonst für den letzten in der Reihe sehr, sehr unbefriedigend werden, seinen Zug durchzuführen, da die vorangegangenen Züge die Ausgangssituation bereits stark verändert haben.

Die Spielregel warnt davor, dass das Spiel dadurch länger wird, ich warne davor, dass es sonst zu beliebig und wenig steuerbar wird, was man in seinen Zügen tut.

Es ist eh schon glückslastig, welche Handkarten und Möglichkeiten man bekommt, daher sollte einem wenigstens ein bisschen mehr Spielraum in der taktischen Entscheidung zustehen. Damit ist das Spiel auch für Kenner interessanter. Sonst eignet es sich sicher auch für geübte Familien.

Augen auf bei der Glasproduktion!

Ein letzter wichtiger Hinweis sei gestattet: Lasst niemals eure Mitspielenden aus den Augen! Man darf niemanden ziehen lassen, denn das kann zu ungeahnten Punkteexplosionen und zu Überrundungen auf der Siegpunktleiste führen! Man muss auch mal gegensteuern und das zu Gunsten einer Aktion, die einem selber mehr bringen würde. Und schließlich ist man während des Spiels damit doch am meisten beschäftigt: Abwägen, ob ich lieber mich selbst voranbringe oder andere stoppe. Auch hier würde ich sagen, dass das Spiel dann besser in größerer Runde funktioniert. Zu Zweit kann es schonmal passieren, dass ein Spielender nur damit beschäftigt ist, dem Anderen hinterherzulaufen und zu stoppen und dabei gar nicht dazu kommt, sein eigenes Spiel zu entwickeln. 

Meine Empfehlung daher: Mindestens ab drei Spieler:innen und mit der taktischen Variante – so macht Mille Fiori m.E. am meisten Spaß!


Zusammenfassung

Mit Mille Fiori legt Schmidt Spiele ein schönes Spiel im leichten Kennerbereich vor, das mit seinen belohnenden Mechanismen ein wohltuendes Spielgefühl an den Tisch zaubert. Sicher muss man hier auch genau im Blick behalten, was die Mitspielenden im Schilde führen, dennoch bietet es immer vielfältige Möglichkeiten für einen Plan B. 

Mille Fiori lässt sich in einer glückslastigeren und einer taktischeren Variante spielen und ist gut für Runden von drei bis vier Spieler:innen geeignet. Das Spiel ist schnell verstanden oder erklärt, ebenso schnell aufgebaut und durch den Draftingmechanismus der Spielkarten und Wettrennelemente um Boni auch flott gespielt. 

  • Gutes Tempo: Schnell verstanden, flott aufgebaut, zackig gespielt
  • Schönes Spielmaterial mit den gläserne Rauten und Schiffen
  • Belohnende Mechanismen bringen ein gutes Spielgefühl 
  • Verarbeitung des Spielbretts nicht optimal
  • Im Spiel zu Zweit sehe ich Balancingprobleme

Aus meiner Spielerperspektive: Lasst Euch nicht wie ich vom Cover „blenden“: Mille Fiori ist kein Traum in Pastell, sondern ein schönes Kennerspiel auf Einsteigerniveau. Zu Zweit gefällt es mit nicht so gut, da es seine ganze Vielfalt eher in größeren Runden entfaltet. Belohnende Spielmechanismen sind natürlich prima, obwohl es bei Mille Fiori manchmal etwas übertrieben scheint, da man hin und wieder in lauter Boni und Punkten zu ertrinken droht. Vielleicht erscheint mir das aber nur so, weil ich viele Jahre lang in anderen Spielen mit zu viel Mangel und Unterernährung meiner Meeple zu kämpfen hatte… Die Zeiten des Darbens scheinen nun vorbei!

Zweite Meinung: Christoph

Bei mir war Mille Fiori Liebe auf den zweiten Blick. Alleine aufgrund der Aufmachung habe ich nicht sehr viel erwartet und hätte das Spiel schon fast links liegen gelassen.

Ich verstehe das man ein Thema finden musste, aber das Cover wird dem Spiel einfach nicht gerecht. Ist alles irgendwie nicht meins.

Dafür ist das Spiel sehr unterhaltend und extrem kurzweilig. Es vereint schnelle Spielzüge mit hoher Interaktivität, kurzfristigen Kooperationen und einer wilden Jagd nach Siegpunkten.

Dabei spielt es sich für mich zu dritt und zu viert am besten. Zu Zweit kommt der interaktive Charakter des Spiels nicht so recht zum Tragen.

Kettenzüge müssen geplant werden und teilweise gibt es über die Karten sowie Zugreihenfolge ein wenig Glück in dem Spiel. Das kann man aber ganz gut aushalten.

3 COMMENTS

  1. Für mich das Spiel des Jahres. Einfach zu erlernen, aber durch die vielen Möglichkeiten taktisch und die vielen Kettenzug-Möglichkeiten spaßig. Kommt mittlerweile immer auf den Tisch.

  2. Tolle Rezension! Stimme Dir in allen Punkten voll zu. Komisch, dass beide Cover der neusten Kniza Titel so misraten sind ? Die Spielpläne, das Material und das Spiel an sich, bei beiden Spielen toll. Nur bei der der Gestaltung der Cover, ?dem ERSTEN Eindruck, scheint man auf einmal in Zeitnot gewesen zu sein! Das ist ja als würde man absichtlich vor der Spiel des Jahres- Ziellinie stehenbleiben wollen.

  3. This is an outstanding review. Very perceptive and insightful thoughts!
    I would add to it only the following. Playing two-player using the published spielbox magazine 2 player variant (which can be found in the BGG forum) makes the 2 player game work perfectly. The variant is simple, it closes off around 25% of the board: half of the yellow area and half of the green area, and excludes the corresponding cards. I’ve played three two-player games with it so far and those games do not feel unbalanced and there is plenty of interaction all over the board. Makes for a great game at two player.

LEAVE A REPLY

Please enter your comment!
Please enter your name here

Die mobile Version verlassen